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Mit Hirse und Gewehren

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„In Afrika existiert eine ausgezeichnete revolutionäre Situation”, hatte Tschu En-lai anläßlich seines historischen Afrikabesuches 1963 festgestellt. Kurz nach dieser Reise gelang es den Chinesen nach der Revolution auf Sansibar, sich vor den Toren Afrikas einen Brückenkopf auszubauen, der bis heute seinen strategischpolitischen Wert als Einfallstor nach Ost- und Zcntralafrika nicht eingebüßt hat.

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„In Afrika existiert eine ausgezeichnete revolutionäre Situation”, hatte Tschu En-lai anläßlich seines historischen Afrikabesuches 1963 festgestellt. Kurz nach dieser Reise gelang es den Chinesen nach der Revolution auf Sansibar, sich vor den Toren Afrikas einen Brückenkopf auszubauen, der bis heute seinen strategischpolitischen Wert als Einfallstor nach Ost- und Zcntralafrika nicht eingebüßt hat.

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Während die UdSSR nach anfänglichen Mißerfolgen ihrer Afrikapolitik ihre Taktik änderte, unterstützen die Chinesen nach wie vor das, was sie „Afrikanische Revolution” nennen. Dieser Unterschied in der Strategie ist der Kern der sino-sowjeti-schen Rivalität in Afrika.

Zu Begin der chinesisch-sowjetischen Meinungsverschiedenheiten, im August 1960, erschien in der „Prawda” ein Artikel, in dem es in einer Mahnung an die chinesischen Kommunisten hieß, man solle in den kolonialen und halbkolonialen Ländern nicht einseitig auf die Karte der extremen Linken setzen. In der gegenwärtigen Phase sei vielmehr elastisch zu taktieren. Die Chinesen lehnten und lehnen jedoch jede Einheitsfrontpolitik in diesen Ländern ab.

Die Positionen der chinesischen und der sowjetischen Kommunisten in der Frage der Dritten Welt differieren zwar nicht, was das Endziel betrifft. Moskau wie Peking haben den messianischen Gedanken einer Weltrevolution keineswegs aufgegeben. Die Differenzen liegen aber in Methode und Taktik.

Die sowjetische Politik in den Entwicklungsländern verfolgt auf Grund der veränderten („revisionistischen”) Mentalität der gegenwärtigen sowjetischen Führungsschicht heute eine rein opportunistische Strategie, die auch ein Bündnis mit feudalen und halbfeudalen Regimen einzugehen bereit ist. Die innenpolitischen Interessen der Proletarier und Bauern in den Entwicklungsländern werden von den außenpolitischen Interessen der Sowjetunion verdrängt.. Da die UdSSR gegenwärtig nicht so sehr Proselyten als Verbündete sucht, die auch in der UNO die westliche Front schwächen könnten, kooperiert sie nicht in erster Linie mit den oft noch embryonalen kommunistischen Bewegungen in den Entwicklungsländern, sondern mit der herrschenden Schicht.

Im Gegensatz dazu halten die Chinesen an der revolutionären Konzeption des Kampfes gegen den Imperialismus fest. China forciert in den -Entwicklungsländern primär die Aktivierung der vorhandenen oder potentiellen kommunistischen

Kräfte.

Mit den Bauern

Tschu En-Lai sieht, in China ein Modell für alle wirtschaftlich unterentwickelten Länder Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Die chinesische Revolution war, zum Unterschied von der russischen Oktoberrevolution, eine solche der Bauern. „Bei unseren Aktionen”, sagte Mao Tse-tung, „stützten wir uns auf Hirse und Gewehre.”

Die Chinesen denunzieren die sowjetische Entwicklungshilfe als Ausbeutung. Die wirtschaftlichen Interessen Rußlands in Afrika hätten bürgerliche Regierungen gestärkt, antirevolutionäre Mittelklasse geschaffen und die revolutionären Kräfte geschwächt. Die Chinesen weisen auf die günstigen Bedingungen ihrer Kreditgewährung als Beweis dafür hin, daß sie in Afrika seien, um zu helfen und nicht, um Profite zu erzielen.

Die Russen geben Kredite gewöhnlich mit einer 2,5prozentigen Verzinsung und einem Moratorium von zwölf Jahren, während Chinas Kredite zinsenfrei und mit großzügigen Fristen gewährt werden.

Im Wettlauf zwischen Rußland und China um den Einfluß in Afrika spielen die Chinesen auch die Rassenfrage gegen die Sowjets aus. Die Russen sollen allein schon als Angehörige der weißen Rasse suspekt gemacht werden.

Die Volksrepublik China hat sich in Tanzania vor allem durch den Bau der TANZAM-Bahn auf Jahre hinaus fest etabliert. Ihr Einfluß in den zahlreichen Befreiungsbewegungen des Kontinents ist dominierend, besonders in den von Tansania und Sambia aus gegen das weißregierte südliche Afrika operierenden Gruppen, die von Peking Waffen, vor allem aber eine gründliche Ausbildung in der Guerillakriegführung erhalten.

Vor kurzem konnten die Chinesen ihre Front in Ostafrika weiter vorschieben: Am 21. April überreichte der neue chinesische Botschafter in Kampala dem ugandischen Staatschef General Idi Amin sein Beglaubigungsschreiben. Bemerkenswert an diesem Ereignis war zunächst der Umstand, daß dieser diplomatische Routineakt mit einem bei solchen Anlässen durchaus nicht üblichen glanzvollen Zeremoniell umgeben wurde. Zuvor war, Ende März, die israelische Botschaft in Kampala geschlossen und waren sämtliche israelischen Berater ausgewiesen worden. Der Abbruch der Beziehungen mit Israel war der Preis, den General Amin für die Freundschaft mit den arabischen Staaten Afrikas bezahlen mußte.

Für Außenstehende mutet dieser Kurswechsel des Generals vor allem deshalb mehr als befremdend an, als der Putsch, durch den im Jänner des Vorjahres das linke Regime Präsident Obotes beseitigt worden war, von rechten Kräften getragen war. Damals standen israelische Militärberater in den ersten Reihen der Menge, die in den Straßen von Kam-pala dem General und neuen Staatschef zujubelte. Israel lieferte Waffen und Ausbilder nach Uganda, und die zivile Entwicklungshilfe Israels lag in der Höhe von etwa 300 Millionen Schilling.

Als Amin an die Macht gekommen war, suchte er Anlehnung vor allem .an den Westen. Reisen nach Tel Aviv, London und Rom, wo er vom Papst in Audienz empfangen wurde, machten dies deutlich. Noch vor wenigen Monaten hatte er die Chinesen als „Feinde Nummer eins” bezeichnet, die angeblich von Tansania aus die gegen Uganda gerichteten Guerillaaktivitäten leiteten. Nun aber gab es in Kampala großen Bahnhof für Pekings Botschafter, und Mao Tse-tung wurde eingeladen, Uganda einen Besuch abzustatten.

Bei der gegenwärtig mehr als prekären wirtschaftlichen Lage Ugandas muß der General wohl handfeste materielle Zusagen gehabt haben, bevor er sich zum Abbruch der Beziehungen mit Israel entschloß. Es scheint, daß diese Zusagen aus Peking kamen.

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