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Digital In Arbeit

Mit mehr Arbeit Wohlstand sichern

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Die Arbeitszeitverkürzung wird zu einer zentralen Frage im anlaufenden Wahlkampf. Allerdings ist das Thema zu heikel, um als tagespolitische Forderung formuliert werden zu können. Ohne Zweifel haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber früher entscheidend verschlechtert.

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Die Arbeitszeitverkürzung wird zu einer zentralen Frage im anlaufenden Wahlkampf. Allerdings ist das Thema zu heikel, um als tagespolitische Forderung formuliert werden zu können. Ohne Zweifel haben sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber früher entscheidend verschlechtert.

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Eine weitere Verkürzung der Lebensarbeitszeit, der Jahresarbeitszeit und der Wochenarbeitszeit scheint gegenwärtig unaufhaltsam zu sein. Die großen Fragen werden offenbar nur noch im „Wieviel?”, im „Wie?” und im „Wann?” gesehen.

Die überoptimistischen diesbezüglichen Prognosen vergangener Jahre haben sich allerdings keinesfalls erfüllt. Die 30-Stunden-Arbeitswoche — einst für das Jahr 1980 prognostiziert — ist auch heute noch kein Thema für Politiker, die auf ihre Reputation achten. Die 35-Stunden-Arbeitswoche steht allerdings in politischer Diskussion.

Ohne Zweifel ist es heute Zeit, über die Vier-Tage-Woche und über die 35-Stunden-Woche nachzudenken, und ihre Probleme und Konsequenzen zu erforschen. Ob man sich diese Arbeitszeitverkürzungen auch wird leisten können, sollte nur als Antwort auf dieses Bemühen, nicht jedoch als tagespolitische Forderung formuliert werden.

Es fehlt nicht an gewichtigen Argumenten, die gegen eine (weitere) Arbeitszeitverkürzung sprechen: Produktionsausfälle, Kostensteigerungen, Inflationsbeschleunigung, Sinken der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, Verschlechterung der Warenqualität und des Kundenservice, Probleme mit der Organisation der Arbeit (Schichtpläne), Zunahme der Schwarzarbeit („Pfusch”), Steigen der Absenzen, geringere Arbeitsmoral usw.

Bei der Verkürzung der Arbeitszeit von 48 auf 45 bzw. 40 Stunden pro Woche hatten andere, bessere Voraussetzungen als heute vorgelegen.

Eine langanhaltende Hochkonjunktur, billige Energie, die eine Substitution von Arbeit durch „Kraft” ermöglichte, ein großer Nachholbedarf, Wachstumsgläubigkeit und -freudigkeit, die Einstellung vieler Fremdarbeiter usw. waren gute Grundlagen für Arbeitszeitverkürzungen gewesen.

Die aktuelle Ausgangslage für eine eventuelle weitere Arbeitszeitverkürzung ist unvergleichlich schlechter als in den vergangenen Jahren.

Eine eher flaue Konjunktur ohne gute Zukunftsaussichten, Wachstumsverluste und Wachstumsskeptizismus bis Wachs-tumsverteufelung (gepaart mit fehlender Bereitschaft zum Wohlstandsverzicht), ständig steigende Energierechnungen, beängstigende Außenhandelsbilanzdefizite als Folge sinkender internationaler J Wettbewerbsfähigkeit und steigende Ansprüche an den Lebensstandard, trotz ständig steigenden Steuerdrucks galoppierende Staatsverschuldung, extrem hohe Zinskosten und eine sich wohl bald wieder beschleunigende Inflationsrate sind keine volkswirtschaftlichen Nebenbedingungen, die eine weitere Arbeitszeitverkürzung in näherer Zukunft verantwortbar erscheinen lassen.

Trendbruch

Die ölproblematik hat zu einem nicht übersehbaren Trendbruch (!) geführt. Die „terms of trade” haben sich verschlechtert und werden es weiterhin tun. Wohlstand wandert von den westlichen Industrieländern ab. Die westlichen Industriestaaten werden in Zukunft noch eher mit mehr statt mit weniger Fleiß und Arbeit um die Erhaltung ihres Wohlstandes ringen müssen. Es wird in Zukunft noch mehr gelten, Energie und Kapital zu sparen, billiger und besser zu produzieren, um im Rahmen der internationalen Wirtschaftsbeziehungen wettbewerbsfähig und kaufkräftig zu bleiben.

Nicht übersehen sollte man in der Diskussion über die Möglichkeit und Tauglichkeit einer Arbeitszeitverkürzung als beschäftigungspolitisches Mittel die kleinbetriebliche Struktur der österreichischen Wirtschaft.

Klein- und Kleinstbetriebe können auf Arbeitszeitverkürzungen oft gar nicht durch Einstellung von zusätzlichen Arbeitskräften reagieren.

Vorzeitige, weil übereilte Arbeitszeitverkürzungen können dazu führen, daß man sich der erst zu schaffenden Voraussetzungen für eine sinnvolle und dauerhafte Arbeitszeitverkürzung begibt. Arbeitszeitverkürzungen ohne Wohlstandsverzicht können nur aus Wirtschaftswachstum bzw. Produktivitätsfortschritten alimentiert werden.

Weitere Arbeitszeitverkürzungen werden irgendwann einmal sicherlich kommen. Sie sind den Menschen zu gönnen — auch wenn man in der Arbeit einen Wert an sich sieht — und es ist zu hoffen, daß diese die vermehrte Freizeit auch sinnvoll zu nützen wissen werden.

Klar sollte aber auch sein, daß eine vorschnelle, inflationstrei-bende und produktionsmindern-de Arbeitszeitverkürzung in einer weltweiten Wettbewerbswirtschaft als beschäftigungspolitisches Mittel versagen muß, solange uns nicht die wettbewerbsstärkeren Nationen mit Arbeitszeitverkürzungen vorausgegangen sind.

In der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation Österreichs wäre die Vornahme einer substantiellen Arbeitszeitverkürzung verantwortungslos. Zu groß sind zur Zeit noch die Strukturschwächen unserer Wirtschaft und die diversen Defizite.

Die ärgsten Schwachstellen sanieren

Sehr viel Arbeit wird noch zu leisten sein, wollen wir die ärgsten Schwachstellen sanieren, bevor bedrohliche Schäden eintreten.

Am Verhalten in der Frage der Arbeitszeitverkürzung wird man den Staatsmann vom Politiker unterscheiden können.

Der Autor ist Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Der Artikel ist ein Auszug aus einem Beitrag in „Gesellschaft und Politik”, Quartalszeitschrift des Institutes für Sozialpolitik und Sozialreform (Dr. Karl Kummer-Institut), September 1982.

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