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Mit Mozart und Ibsen

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Herbert Wochinz hat seine fünfte Saison mit Mozart — wie gehabt — begonnen und als sein eigener Regisseur „Die Zauberflöte“ an den Anfang gestellt, der nach bisherigem Brauch die Begrüßung des Publikums durch Blasmusik und Trachtengruppen voranging. Ein Sektflascherl für die Damen und ein Programm für die Herren — Aufmerksamkeit und Angebinde vor dem Abend, dem Robert Filzwieser als Dirigent Umsicht und musikalische Einfühlung widmete und Matthias Kralj unter Assistenz des Glasschleifers Arnulf Komposch und des Photographen G. M. Kopr das Bühnenbild schuf. Und mit diesem begann die Problematik der Inszene. Das Grau in Grau der Projektionen, künstlerisch eindrucksvoll und der Sparsamkeit verpflichtet, konnte nur einen Teil des Publikums überzeugen, das gemessene Feierlichkeit und Stil zwar anerkannte, den Zauber aber doch vermißte, der sich auf die Kostümfarbe einzelner — drei Damen, Papageno und Co. sowie Monostatos — reduziert sah. Und weil, von der Vogel-fängerspaßigkeit abgesehen, es die Regie mit der Weihe hielt, geriet Mozart dem Empfinden der Zuhörer nach etwas lang und schön, ohne deswegen „schön lang“ zu wirken. Dabei war ein stimmlich höchst bemerkenswertes Ensemble zur Stelle: eine ausgezeichnete Pamina in Gestalt der Olivera Miljakovic, eine Königin der Nacht — Silvia Voinea —, deren Koloratur beeindruckte, ein etwas ungelenker, aber im Ausdruck seiner Stimme überzeugender Tamino: Dieter Ellenbeck, und ein Papageno — Hermann Patzalt —, der dort geschickt anknüpfte, wo einst die aufs Irdische eingestellte Hanswurstigkeit daheim war. Der inzwischen durch einen Unfall außer Gefecht gesetzte Herold Kraus war mit Gelingen in die Schwärze des Mono-stratos geschlüpft. Makellos das Zusammensingen der drei Damen Nagy, Sajnovic und Gjevang, verläßlich wie immer der Chor, in dessen Stärke sich leiblich der Sarastro Georg Schnapka verlor, dem der Buffo weit mehr liegt als die belehrende Würde.

Mit „Ein Volksfeind“ von Henrik Ibsen hatte das Schauspiel nach einem Werk gegriffen, das heutigen Zuständen vorausgeeilt schien und sozusagen nach Aktualisierung „schrie“, die man auch durch Projektionen von Bildern der Verwahrlosung, Zeitungstexten und warnenden Zitaten in die Pausen warf. Und weil man direkt auf Verrottung hinwies und die Dinge beim Namen nannte, dürfte die Freude mancher Seegemeinde mäßig gewesen sein. Zu diesen Hinweisen war Kurt Julius Schwarz über eine nicht sehr glückliche Neuübertragung des Werkes gekommen, darin eingewurzelte Begriffe wie „kompakte Majorität“ sich in „absolute Mehrheit“ abgeschwächt fanden und der prägnante „Volksfeind“ Stockmann zum „Feind des Volkes“ wurde. Geschickte Striche komprimierten die Handlung und strafften den Kampf um die durch Abwässer vergiftete Badeanstalt, in dem der unterliegt, gegen den eine auf eigenen Vorteil bedachte, wenn auch demokratisch gestützte Mehrheit steht. Wo die Lüge regiert, muß der Warner Dr. Stockmann — Paul Görden spielte ihn mit unterschiedlichem Gelingen — zum Volksfeind werden. Stärker als dieser erwies sich auch darstellerisch Hanns Eybl als Peter Stockmann, im Gegenspieler mit aller Kraft negativer Charaktereigenschaften ein Höchstmaß an Leistung setzend. Gut weil unauffällig die wiedergekehrte Herta Fau-land (Stockmanns Frau), höchst rühmlich zu nennen Ernst Soelden als ein selbstsüchtiger, von bürgerlicher Feigheit geprägter „maßvoller“ Aslaksen. Musterexemplare journalistischer Wankelmütigkeit Peter Vray (Hovstadt) und Horst Eder (Billing), der den Lumpen ein wenig zum Kasperl umschuf. Erwähnen wir noch Joe Liszt als Schwiegervater Morten Kiil — unmöglich im Kostüm — und nennen wir abschließend den Ausstatter Hannes Rader, der es sich in „an die Wand malen“ etwas leicht gemacht hatte, ansonsten aber sein Können andeutete. Starker Beifall.

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