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Mit Naturgesetzen zu mehr Harmonie

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Ein Umweltwissenschaftler rät der Politik, sich an den Erfolgsprinzipien der Natur zu orientieren. Und die Natur, meint er, ist erfolgreich konservativ: Bewährtes wird bewahrt.

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Ein Umweltwissenschaftler rät der Politik, sich an den Erfolgsprinzipien der Natur zu orientieren. Und die Natur, meint er, ist erfolgreich konservativ: Bewährtes wird bewahrt.

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Es gibt keine schwarze Ökologie, ebensowenig wie es eine rote, blaue oder grüne Ökologie gibt. Naturgesetze sind nicht machbar, wir haben sie zu respektieren. Naturgesetze sind auch nicht durch Mehrheitsbeschlüsse änderbar. Man kann mit Naturgesetzen keinen Kompromiß machen.

Der globale Haushalt der Biosphäre ist eine Weltwirtschaft, die seit dreieinhalb Milliarden Jahren nicht bankrott gemacht hat. Worin liegen nun die Erfolgsprinzipien des Lebendigen?

Das erste Erfolgsprinzip des Lebendigen ist eine sehr interessante Form von Konservativismus, von Traditionstreue: Bewährtes wird bewahrt!

Die Natur kennt zwar die Neuerung um des Neuen willen, aber Novitäten sind in der Natur kein Wert an sich — wie etwa in unserem Kultur- und Zivilisationsbetrieb. Sie geht ein Mutationsrisiko ein, aber es gibt kein Verwerfen alter Lösungen, bloß weil sie alt sind.

Wenn man bedenkt, welche Leistungen die biologische Evolution mit dieser Traditionstreue vollbracht hat — vom Radar der Fledermaus über die Echolotung des Delphins bis zum- vielseitigsten Supercomputer, nämlich unserem Gehirn—, dann kann man sagen: Traditionalismus ist aus der Sicht des Biologen kein Widerspruch zu echtem Fortschritt.

Das zweite Erfolgsprinzip: geschlossene Kreisläufe, Weiterverwertung aller Abfälle, jeder Ausscheidung. Jeder Kadaver wird zur Existenzgrundlage anderer Organismen. Das perfekte Recycling! Handeln wir nach diesem Prinzip?

Drittes Prinzip: Sparsame Energienutzung, mit der Sonne als einziger Energiequelle. Typisch für lebende Systeme sind verlustarme Energieumwandlungen.

Auf der höchsten Stufe der Evolution finden wir das Prinzip der Abwärmenutzung aus dem eigenen Stoffwechsel, eine Errungenschaft, die es Warmblütlern, also Vögeln und Säugern ermöglicht, kalte Regionen zu erobern. Halten wir uns an dieses biologische Erfolgsprinzip der Energieökonomie?

Viertes Prinzip: Selbstbegrenzung. Die Natur hat dazu viele Strategien, sich rechtzeitig zu begrenzen, bevor es zu Katastrophen kommt.

Aber der freie Markt, der sehr vieles von einem biologischen System hat, versagt in diesem Punkt. Deshalb muß man ihm Rahmenbedingungen setzen.

Man weiß, daß ein freier Markt ohne Rahmenbedingungen zu krassen sozialen Fehlentwicklungen führt — daher die soziale Marktwirtschaft. Wir werden sie nun zur öko-sozialen Marktwirtschaft erweitern müssen.

Und das wohl faszinierendste Erfolgsprinzip der biologischen Evolution: Vielfalt statt Einfalt, Polykultur statt Monokultur. Das ist eine Erkenntnis der Naturwissenschaften, die sich von der Landwirtschaft bis zur Stadtplanung, von der Energie- und Wirtschaftsplanung bis zur Kulturpolitik bewährt. Auch Diversität kann Stabilität bedeuten.

Ökonomische Entsprechungen zu dieser Diversitätsregel?

Ebenso wie ein Lebensraum umso krisenfester ist, je vollständiger alle Planstellen der Natur besetzt sind, umso krisenfester ist eine Volkswirtschaft, in der noch alle verschiedenen Erwerbszweige nebeneinander bestehen — sowohl solche, die durch Speziallei-stungen der Konkurrenz ausweichen, wie auch solche, die sich durch NichtSpezialisierung die nötige Flexibilität bewahren, um sich geänderten Bedingungen anzupassen.

Dies etwa ist die Stärke gewerblicher Klein- und Mittelbetriebe. Und daß der Verlust an ökonomischer Vielfalt die Krisenanfälligkeit erhöht, läßt sich an vielen Beispielen zeigen.

Wir verfügen noch immer über eine Vielfalt gewerblich-handwerklicher und kleinindustrieller Betriebe. Zehn von zwölf Österreichern arbeiten in Kleinbetrieben. Das österreichische Gewerbe hat mehr Beschäftigte als die Industrie, aber nur ein Viertel ihres Stromverbrauches.

Unter diesen Gesichtspunkten wäre es binnenwirtschaftlich in Osterreich sehr wünschenswert, eine größtmögliche Vielfalt anzustreben, aber nicht genau alles das zu tun, was andere ohnehin schon mit Uberkapazitäten tun: etwa Automobile bauen.

General Motors hat erst kürzlich in Kalifornien 4.50Ö Beschäftigte eines Montagewerkes auf die Straße gesetzt. Wir finanzieren General Motors mit vier Milliarden Schilling.

Wir investieren Millionenbeträge, um italienische Firmen dazu einzuladen, in der Steiermark umweltverschmutzende Sulfat-Zellstoffwerke zu errichten; wobei die Zinsenstützung, die unser Staat gibt, zufällig so viel beträgt wie die künftigen Lohnsummeh — eigentlich könnte man das Geld an die Arbeiter verteilen und sie auffordern, sich der Bienenzucht zu widmen.

Und das letzte Erfolgsprinzip der biologischen Evolution ist die Regionalisierung, die regionale Einpassung, wie wir das bei der Baukultur des vorindustriellen Zeitalters (auch als hochinteressante Technologie des Energiesparens) lernen können.

Diese unverwechselbare Regionalkultur, die wir heute auch naturwissenschaftlich als Bauökologie zu fundieren vermögen, bedeutet für die Einheimischen Identifikationsmöglichkeit und Heimatbindung, für den Fremden wird ein Land erst dadurch reizvoll und liebenswert.

Eigenart und Unverwechselbarkeit sind wesentliche Voraussetzungen, um jemanden oder etwas hebgewinnen zu können, das gilt für Menschen, Landschaften, Städte und Kulturkreise.

Aufrichtiger Respekt vor kulturellen Eigenarten der anderen ist die beste Garantie für eine behutsam einfühlende Entwicklungshilfe und die beste Sicherung gegen nationalistische Verhetzung. Denn der Regionalismus war zu allen Zeiten die wichtigste politische Antithese zu faschistoiden Nationalstaaten, wie wir das heute in den regionalen Bestrebungen in Europa deutlich erkennen.

Der Autor ist Dozent an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg und Leiter der Wiener Abteilung des Instituts für Umweltwissenschaften und Naturschutz der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften. Teilauszug (unkorri-

Sierte Tonbandabschrift) einet Referates vor em ,.Forum 90” der OVP. Dialogkonferenz „Wissenschaft und politische Praxis”, am 24. Juni in Wien.

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