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Mit Passionsspiel & „Quo vadis“

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Kalt und klar ist die Luft im Aufnahmestudio. Der Tontechniker im Funkhaus wirft einen letzten kritischen Kontrollblick auf blinkende und flimmernde Lichterketten, Anzeigesäulen und verknäuelt pulsierende Linien Dann klebt er einen Meter Gelbfilm an das Ende eines unscheinbar-grauroten Tonbands. Einer der Programmhöhepunkte des Hörfunks für Ostern ist sendefertig: „ Jch bin nicht Bischof für mich* - Bischof sein heißt Bruder sein. Erwin Kräutler.“

Peter Wesely von der Hauptabteilung Religion im Hörfunk dachte sofort an Ostern, als er im Dezember letzten Jahres den brasilianischen Bischof Erwin Kräutler interviewte. Der Bischof, der vehement für die Rechte der Armen in Brasilien eintritt, hat ein Attentat auf sich nur knapp und mit schweren Verletzungen überlebt. Den Großgrundbesitzern in Brasiliens Diözese Xingu ist der politisch engagierte Mann im Weg. In den,.Menschenbildern“ am Ostersonntag erzählt er über seinen persönlichen Leidensweg nach dem Attentat und von seinen Vorstellungen übers Christentum.

Mit „Erfüllte Zeiten“ startet Hubert Gaisbauer, Hauptabteilungsleiter Religion, den Versuch, zwischen den Feiertagen um Mitternacht auf ö 1 religiöse Meditationen an den Hörer zu bringen. „Wir nehmen die Texte aus der christlichen Tradition“, so Hubert Gaisbauer, „um einen Kontrast zur jetzt so modernen New-Age-Bewegung zu setzen.“ Die Programmplaner und Hauptabteilungsleiter beim Radio zerbrechen sich bereits im Dezember den Kopf übers Osterprogramm des kommenden Jahres. Dazu gibt ės ein spezielles Feiertagsschema. Die Sendezeit pro Hauptabteilung, also pro „Ressort“, verändert sich dabei kaum. Nur bei Sonderprojekten werden in der Sitzung der Hauptabteilungsleiter und des Hörfunkintendanten zusätzliche Sendemi-

nuten bewilligt. Denn jede Hauptabteilung verfügt über ein begrenztes Budget, und keine möchte etwas von ihrem Programmkuchen hergeben. Die meisten Sendungen für Ostern sind bereits zwei bis drei Wochen vor den Feiertagen fertig, weil die ORF-Mit- arbeiter immer ein Ohr für Ostern haben müssen. So ist das Thema des Leidens das Jahr über in vielen Produktionen präsent.

Eine noch längere und genauere Planung erfordert das Hörspiel. Zunächst müssen die Termine der dafür engagierten Schauspieler koordiniert werden. Da allein die Rechte und die Produktion zwischen 60.000 und 200.000 Schilling kosten, sucht sich der Hörfunk für viele Hörspiele einen Koproduzenten. „Die Krönung“ vom polnischen Autor Marian Grzescak am Karsamstag über Pontius Pilatus wurde gemeinsam mit dem Westdeutschen Rundfunk gestaltet.

Die Programmplanung beim Fernsehen erfolgt noch längerfristiger. Bereits im Mai des Vorjahres stand der ungefähre Programmfahrplan für die heurigen Ostern fest. Die Ressortleiter unterbreiten ihre Vorschläge, und die Programmkoordination versucht daraus einen Entwurf zu gießen. Dann beraten die beiden Intendanten über die Sendungen, bevor sie zur Endentscheidung dem Generalintendanten vorgelegt werden. Die technische und die kaufmännische Abteilung haben ebenfalls noch ein Wort bei der Programmauswahl mitzureden. Kleinere Änderungen im Rahmen des Budgets und des vereinbarten Themas können die Hauptabteilungsleiter ohne Formalitäten vornehmen.

Für ernste und religiöse Sendungen weht beim Fernsehen im Vergleich zum Radio ein härterer Wind. Unter dem Konkurrenzdruck des Kabelfernsehens setzt man in der Programmintendanz des Fernsehens zu Ostern auf Kontrast mit seichten Filmen und Serien. Nach dem Motto: Wenn sich die Mehrzahl der Seher nicht für das niveauvolle Programm interessiert, verhindern wir wenigstens, daß sie per Knopfdruck zur Konkurrenz ins Ausland gehen.

Der dreiteilige Fernsehfilm „La storia“ über das Leben einer Halbjüdin in Italien während des Zweiten Weltkriegs von Mittwoch bis Karfreitag auf FS 2 erhält Konkurrenz durch „Ein Hauch von Nerz“ mit Cary Grant und Doris Day. Als Kontrast zurr) zweiten Teil von „La storia“ war ein Louis-de-Funes-Film geplant. Das konnte gerade noch verhindert werden, und jetzt steht „Die Wunderwelt der Gebrüder Grimm“ in FS 1 auf dem Programm. Am Karfreitag darf natürlich der zum x-ten Male wie derholte Monumentalklassiker „Quo vadis?“ nicht fehlen.

„Zu Ostern wimmelt es zwar nicht von Religionsprogrammen, dennoch wird“, so Hauptabteilungsleiter der Religion im Fernsehen Anton Fellner, „auf die Osterfeiertage durch den ernsteren Charakter des Programms Rücksicht genommen. Das Programm ist immer noch so ausgewogen, daß man damit zufrieden sein kann.“ Dennoch ist ein deutlicher Trend in Richtung mehr Unterhaltung für religiös wenig interessierte Publikumsschichten spürbar.

Manche ORF-Eigenproduktio- nen für Ostern gehen buchstäblich ein Jahr vorher über die Bühne: so etwa die Passionsspiele in Thiersee in Tirol, die- im Vorjahr aufgezeichnet — am Karsamstag ausgestrahlt werden. Zwischen Nachrichten und dem Hauptabendprogramm bleibt am Ostersonntag noch Zeit für die Film- Meditation: , .Hülle mich ein“. Der Künstlerseelsorger Josef Fink aus Graz setzte seine den japanischen Haikus ähnlichen Gedichte mit Hilfe Johannes Fabricks kongenialer Bildersprache filmisch um. Als Kontrast dazu sendet der ORF auf FS 1 den Formel-I- Grand-Prix von Brasilien.

Der Programm-Höhepunkt im Fernsehen ist jedoch am Ostermontag ein Gespräch mit Kardinal Franz König, „Woran ich glaube“. Er wird über die wichtigsten Glaubensinhalte des Christentums sprechen.

Trotz langer Vorplanung werden bis zur letzten Minute im Funkhaus und am Küniglberg Bandmaschinen und Kameras surren.

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