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Digital In Arbeit

Mit Phrasen lassen sie sich nicht abspeisen

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Bei unterschiedlicher Qualität ist die Motivation für Schülerzeitungen meistens dieselbe: Probleme mit Lehrern, Direktoren, dem Unterricht oder mit der Schulsituation überhaupt. Relativ viele der schreibenden Schüler zeigen journalistische Begabung, doch nur wenige ziehen den Journalismus als Beruf ernsthaft in Betracht Und die Gestaltung der Schülerzeitungen beweist, daß die Schule Kreativität zumeist verhindert oder zerstört. Der Trend zum Geradlinigen, Braven, Unauffälligen ist nicht zu übersehen. Schülerzeitungen ähneln häufig Schulheften, aus denen zu ersehen ist, daß Schüler zu Sauberkeit, Ordnung und Einheitlichkeit erzogen werden.

Drei Schülerzeitungsseminare mit Teilnehmern aus ganz Österreich -eines vom Unterrichtsministerium, zwei von der Schülerzeitungsgewerkschaft veranstaltet -, alle gleich aufgebaut und vom selben Team geleitet, ergeben gerade wegen ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung einen Uberblick über die österreichische Schülerzeitungslandschaft.

Prinzip war eine kollektive Leitung, die sich bewährt hat und von allen Schülern sehr positiv aufgenommen wurde. Fester Bestandteil jedes Seminars bildeten Rollenspiele zur Schul- und Familiensituation, zur Klassengemeinschaft und zur Chancengleichheit, eine von den Teilnehmern eigenständig abgehaltene Re-

daktionssitzung zur Gestaltung einer Seminarzeitung und die selbständige Produktion der Seminarzeitung nach einer Einführung in die Techniken des Layouts, des Recherchierens, des Zeitungsmachens usw. Oberster Grundsatz dabei: Schülerzeitungen werden für Schüler gemacht, sollen sich daher nicht an professionellem Journalismus orientieren.

Die kollektive Leitung verunsicherte nur wenige; das Team verhindert die Ausrichtung an eine einzige Autorität, fördert die Kommunikation und die Zusammenarbeit unter den Schülern, ohne daß dabei das Chaos ausbrechen muß. Im allgemeinen hielten sich die Teilnehmer an Beginnzeiten, an gestellte Aufgaben und akzeptierte Spielregeln, Einwände und Kritik, weil die Leitung ihrerseits Spielregeln, Einwände und Kritik akzeptierte. Wie die Schüler bei der Seminarkritik erklärten, hätte die nicht-autoritäre und nicht hierarchisch gegliederte Leitung Aggressionen gegen sie erst gar nicht aufkommen lassen, sogar die gelegentlichen Unstimmigkeiten innerhalb des Teams hätten ihre guten Seiten gehabt: die Einsicht, daß Irrtümer nicht nur geschehen, sondern auch zugegeben werden können, daß Leiter sich nicht als unfehlbare Ubermenschen präsentieren müssen.

Um so heftiger hatten die Schüler bei dem vom Ministerium veranstalteten Seminar ihre Aggressionen

nach Gesprächen mit leitenden Beamten des Unterrichtsministeriums artikuliert. Die von ihnen produzierte Seminarzeitung war die bei weitem schärfste, die Aufregung im Ministerium entsprechend groß. Erst ein mehrseitiger Bericht konnte die Gemüter - hoffentlich! - beruhigen und begreiflich machen, daß die geäußerten Aggressionen keineswegs Ausdruck einer radikalen, anarchistischen oder ähnlichen Gesinnung waren, sondern ein Spiegelbild der gegenwärtigen Schulsituation, in der es zwischen Schülern und Lehrern, Lehrern und Direktoren, zwischen allen und Eltern und Schulbehörden ständig zu Auseinandersetzungen kommt. In allem, was Schüler äußern, zeigt sich, wie sehr die Schule ihr Denken und Fühlen beherrscht, wie ohnmächtig sie sich vorkommen, wie empfindlich sie darauf reagieren, wenn sie den Eindruck gewinnen, nicht ernstgenommen oder mit Phrasen abgespeist zu werden oder den von ihnen oft nicht akzeptierten Argumenten Erwachsener wissensmäßig und verbal nicht gewachsen zu sein.

Die von den Leitern nur beobachtete Redaktionssitzung verfolgt zwei Ziele: Zum ersten sollen die Teilnehmer erleben, wie Gruppenprozesse ablaufen und welche Gruppenabläufe nötig sind, damit tatsächlich alle gleichermaßen aktiv an der Entstehung der Zeitung beteiligt sind. Die Produktion der Seminarzeitung innerhalb eines Tages und ohne Mitwirkung der Leiter bestätigt die Berechtigung des Seminaraufbaues. Zum einen war der Kontakt zwischen den Teilnehmern bereits so weit, daß eine gute Zusammenarbeit möglich war, zum anderen fühlten sich alle motiviert genug, fast ohne Pause den Tag durchzuarbeiten. Daß sich die produzierte Zeitung inhaltlich - neben dem Seminar selbst - in erster Linie mit der Schule befaßte, liegt auf der Hand.

Haben also solche Seminare einen Sinn? Unbedingt ja. Nicht nur der Seminarablauf und die von den Schülern geäußerten Ansichten geben diesem unbedingten Ja recht. Die in der Folge gestalteten Schülerzeitungen beweisen, daß die Teilnehmer beim Seminar etliches gelernt haben - inhaltlich und von der Gestaltung her.

Eines müssen Lehrer, Direktoren, Eltern und das Ministerium dabei allerdings in Kauf nehmen: (selbstbewußte, kritische und aktive Schüler sind unbequemer, stellen Fragen, fordern auch neue Einsichten von seiteh der Schule, des Elternhauses und des Ministeriums. Wer ernsthaft und glaubwürdig politische Büdung vertreten will, muß das auf sich nehmen.

Ob die Einheitsschule für alle ideal ist? (Aus der Steyrer Schülerzeitung „Echo")

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