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Mit Prügel und Peitsche

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Am Ende des SPD-Parteitages in Berlin waren selbst die Delegierten überrascht, daß von den Prophezeiungen - der Parteitag werde eine Zerreißprobe zwischen links und rechts erleben - nichts wahr geworden war. Sicher, es gab Auseinandersetzungen in der Sache, vor allem was die Nachrüstungspläne der NATO und die friedliche Nutzung der Kernenergie betrifft. Aber zum Krach kam es auch hier nicht. Bundeskanzler Schmidt erwies sich auf diesem Parteitag als der starke Mann der SPD.

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Am Ende des SPD-Parteitages in Berlin waren selbst die Delegierten überrascht, daß von den Prophezeiungen - der Parteitag werde eine Zerreißprobe zwischen links und rechts erleben - nichts wahr geworden war. Sicher, es gab Auseinandersetzungen in der Sache, vor allem was die Nachrüstungspläne der NATO und die friedliche Nutzung der Kernenergie betrifft. Aber zum Krach kam es auch hier nicht. Bundeskanzler Schmidt erwies sich auf diesem Parteitag als der starke Mann der SPD.

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Diese Stellung, die er sicher nicht angestrebt hat, eroberte er zwangsläufig dadurch, daß er seine politische Potenz voll in die Waagschale werfen mußte, um auf den beiden heiklen Territorien Nachrüstung und Kernenergie Beschlüsse zu bewirken, mit denen er regieren kann. Parteichef Willy Brandt tat so gut wie nichts, um seine bisher dominierende Stellung in der SPD zu verteidigen.

Und der Alt- und Zuchtmeister der Partei, Herbert Wehner, sprang mit seinem immer noch unangefochtenen Prestige um der Machterhaltung in Bonn willen dem Kanzler vehement bei.

Die Linken in der SPD konnten in der Sache letzten Endes fast nichts durchsetzen, was sie vorher als unverzichtbar angesehen hatten. Damit nicht genug: Auch bei den Vorstandwahlen, die in bezug auf das 36köpfige Beisitzergremium weniger die Besetzung einer politischen Schaltzentrale, als vielmehr eine

nach außen sichtbare Dokumentation der Kräfteverhältnisse in der Partei darstellen, gerieten sie durch taktisch falsches Verhalten so sehr ins Hintertreffen, daß der schon als neuer Stern am Himmel der Linken apostrophierte Bremer Senator Henning Scherf in Berlin allenfalls als Sternschnuppe auffiel und ansonsten mit Pauken und Trompeten durchfiel. Alle anderen Exponenten des linken Flügels mußten sich erhebliche Stimmenverluste gefallen lassen. j

Trotzdem ist auch für Kanzler Schmidt nicht alles eitel Sonnenschein, was sich in Berlin ereignete. Zwar kann er mit den Beschlüssen zur Nachrüstung und zur Kernenergie als Regierungschef leben. Doch gerade was die Energiepolitik anbetrifft, könnte sich bald erweisen, daß dies ein Pyrrhussieg war. Immerhin stellte sich das AbstimmungsVerhältnis am Ende mit 60 Prozent für und 40 Prozent gegen den Energieleitantrag des SPD-Bundesvorstandes dar.

Diese 40 Prozent können als der mehr oder weniger harte Kern der Atomkraftgegner in den Reihen der Sozialdemokraten betrachtet werden. Sie folgten ihrem ideologischen Leitstern Erhard Eppler auch dann noch, als der Kanzler bei aller geschickten Argumentation keinen Zweifel daran ließ, daß dieser Leitantrag das äußerste sei, was er mittragen könne.

Es gehört nicht viel Prophetenbegabung dazu, um auch bei diesem Punkt festzustellen, daß die Abstimmung wohl anders verlaufen wäre, wenn Schmidt nicht die Delegierten vor die Alternative gestellt hätte, entweder er oder Epplers Änderungsvorschläge, sprich faktischer Baustopp.

Daß der Kanzler seine Partei, wenn auch teilweise nur mit Prügel und Peitsche, hinter sich scharen konnte, behagt den Unionsparteien überhaupt nicht. Vor allem Franz Josef Strauss ist damit ein wesentliches Wahlkampfargument zunächst einmal entkräftet worden.

Er hatte sich nämlich darauf eingestellt, den Wählern genüßlich darlegen zu können, daß der große Macher Helmut Schmidt in seiner Partei isoliert dastehe und das, was er sage oder tue, eben nicht das sei, was die SPD tatsächlich sagen würde oder wolle. In den beiden wesentlichen Streitpunkten Nachrüstung und Kernenergie sieht es jedenfalls zunächst einmal so aus, daß Schmidt die Mehrheit der Partei hinter sich hat.

Allerdings liegt auch hier der Teufel im Detail. Denn der Energiebeschluß des Parteitages ist lange nicht so eindeutig formuliert, wie der Bundeskanzler dies gerne gehabt hätte. Er läßt vielmehr viele Interpretationen zu. Und so kann die Auslösung neuer harter Konflikte in der SPD dann eintreten, wenn der Bau eines neuen Kernkraftwerks genehmigt werden soll. Der Parteitagsbeschluß läßt nämlich für diesen Fall sowohl die Interpretation zu, daß eine Genehmigung erfolgen kann wie auch die, daß sie nicht erfolgen darf, weil bestimmte Bedingungen nicht erfüllt sind.

Doch nützt es der CDU und der CSU wenig, darauf zu spekulieren, solange die SPD Ruhe hält. Und diese Ruhe wird sie wohl halten müssen, wenn sie nicht die Chancen, 1980 auch weiterhin die führende Regierungspartei zu sein, verspielen will.

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