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„Mit Seele wohnen“ wird schwergemacht

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Vor einiger Zeit ist in der Schriften­reihe der Arbeitsgemeinschaft katho­lischer Verbände eine von Andreas Ottawa erstellt Broschüre „Mit der Seele wohnen“ erschienen. Darin wer­den die wesentlichsten Wohnformen und ihre Probleme dargelegt.

Im wesentlichen kann man davon ausgehen, daß der quantitative Woh­nungsbedarf im österreichischen Bun­desdurchschnitt gedeckt ist. So wur­den mit Juni 1979 etwa 2,6 Millionen bewohnte Wohnungen ermittelt, wo­von knapp 500.000 ab 1961 erbaut wurden. Etwa 55 % der Bevölkerung wohnen in einer Mietwohnung, 17 % in einer Eigentumswohnung und 28 % in einem Eigenheim.

Hingegen streben 70 % aller Öster­reicher ein eigenes Haus an, 16 % be­vorzugen eine Eigentumswohnung und nur 14 % wollen in einer Miet­wohnung leben.

Diesen Zahlen aus der genannten Broschüre kann man aber auch die Probleme entnehmen: auf der einen Seite gibt es einen sehr hohen Alt­hausbestand, der in den wenigsten Fällen dem heute erwarteten Stan­dard entspricht.

Bei der herrschenden Mietengesetz­gebung (durch den derzeit im Parla­ment liegenden Gesetzesentwurf wird dieser Zustand noch wesentlich ver­schärft) existieren einerseits schöne große Wohnungen in erstklassigen Lagen, die um einen Hauptmietzins von einem Schilling je Friedenskrone (und das noch ohne Umsatzsteuer!) infolge bestehender Altmietrechte wohlfeil zur Verfügung stehen.

Anderseits werden frei vereinbarte Mieten etwa zwischen 20 und 40 Schilling je Quadratmeter, selbstver­ständlich zuzüglich Mehrwertsteuer

und wertgesichert, in vielen Einzelfäl­len (bei Substandardwohnungen, bei denen die freie Mietenvereinbarung beschränkt ist) auch verbotenerweise Ablösen verlangt: eine für den „Nor­malverbraucher“ nicht verständliche Diskrepanz!

Sieht man sich die Neubauwohnun­gen (Genossenschaftnutzungen oder auch Eigentumswohnungen) an, kommt man auf Barzahlungserforder­nisse von mindestens 2.000 S bis 5.000 S je Quadratmeter Nutzfläche und spielend auf eine monatliche Bela­stung von 40 S/m2 ohne Heizung. Nur entspricht hier im Regelfall die Wohnung den jeweiligen Standard­vorstellungen des Bewerbers.

Anstatt die Mietzinsvereinbarung (echte Sozialfälle müßte man wir­kungsvoll stützen) freizugeben und dem jeweiligen Markt zu unterwerfen (entschärft durch ein richterliches Mäßigungsrecht, wenn überhöhte Mieten verlangt werden), will man noch dirigistischer werden, wodurch jede private Initiative, den Althausbe­stand zu verbessern, zunichte gemacht würde.

Zwar kennt man im gemeinnützi­gen Wohnungsrecht das Kostendek- kungsprinzip und billigt vernünfti­gerweise dem gemeinnützigen Bauträ­ger sogar in der Mietengestaltung eine angemessene Verzinsung des einge­setzten Kapitals zu - dem privaten Ei­gentümer will man diese jedoch ver­wehren und bremst damit sein Investi­tionsinteresse: Man spricht von „un­moralischen“ Erträgnissen aus soge­nannten „arbeitslosen Entgelten“: dieser Philosophie folgend, müßte man wohl auch Sparzinsen verteufeln!

So mancher Österreicher lebt in ei­ner „geschenkten“ Mietwohnung und

sehnt sich danach, sich möglichst bald ein Eigenheim leisten zu können, das seinen Anforderungen entspricht. Da­für nimmt er einen geringeren Lebens­standard in der Mietwohnung in Kauf.

Wenn er dann sein Eigenheim bezo­gen hat, gibt er aber die „billige“ Mietwohnung nicht auf, um sie seinen Kindern oder als Gelegenheitswoh­nung zu erhalten, und verhindert da­durch eine Verbesserung der Miet­wohnung.

Unbeschadet der Einstellung, mög­lichst wenig für die „fremde“ Miet­wohnung (sie gehört ja dem „Haus­herrn“) auszugeben, zahlt man ohne Hemmnisse 100.000 Schilling und mehr für ein Auto, das überdies zu den kurzlebigen Wirtschaftsgütern zählt.

Durch die Politik, wie sie derzeit in Österreich betrieben wird, wird der einzelne noch in dieser Mentalität be­stärkt. Und mit dieser Politik treibt man verzweifelte Jungfamilien in viel zu teure Substandardwohnungen, weil die Jüngeren selten den Vorzug haben. Altmietrechte zu besitzen, und

der Hauseigentümer nicht bereit ist, mittel- oder langfristig zu investieren.

Wohnbauexperten der Volkspartei haben als Motto für die Neugestal­tung der Wohnbauförderung „Hel­fen, nicht schenken“ vorgeschlagen. Richtig verstanden, hieße dies, daß die Steuermittel jungen oder sozial schwachen Personen zu entsprechen­den Wohnungen verhelfen sollen, aber in einem Lebenszyklus, also in­nerhalb einer Generation, zurückflie­ßen.

Landeshauptmann Siegfried Lud­wig hat mit seinem neuen Nieder­österreich-Förderungsmodell diesen Grundsatz realisiert. Durch ein Misch­modell ist es gelungen, einerseits die gefährdete Wohnbauleistung in diesem Bundesland zu erhalten, ande­rerseits Rückzahlungsmodalitäten an­zubieten, die einen angemessenen Rücklauf gewährleisten und dennoch für den Betroffenen wirtschaftlich er­träglich sind.

Möge das Beispiel anstecken!

Der Autor ist Prokurist der Baugenossenschaft ..Alpenland'*.

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