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Mitbestimmung probieren

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Auf das Risiko hin, daß es die Verwirrung vergrößern könnte, legte die Rektorenkonferenz just eine Woche, nachdem der Regierungsentwurf für das neue Universitätsorganisations-gesetz den Ministerrat passiert hatte, ein eigenes Papier vor, das nicht auf dieses aktuelle Dokument Bezug nehmen sollte, sondern Vorschläge zur Abänderung des heute noch geltenden Rechts enthielt — des Rechts, das eben durch den Gesetzentwurf grundlegend verändert werden sollte. Aber da es bis zum Geltendwerden dieses neuen Rechts noch gut ein Jahr, bis zum Wirksamwerden der dort vorgesehenen Reformen sicherlich noch länger dauern wird, wollte man nicht länger warten, sondern verwirklichen, was nun allseits als dringend angesehen worden war — die Mitbestimmung von Assistenten und Studenten im akademischen Willensbildungsprozeß,

Schon daß die .Rektorenkonferenz hier federführend auftrat und eine Initiative aufgriff, die im Sommer von den Assistenten gestartet, von Abgeordneten aller drei Parteien begrüßt, aber in der Formulierung als noch unbefriedigend erachtet worden war, beweist die tiefgreifende Evolution in der Willensbildung aller am akademischen Leben Beteiligten. Nicht nur, daß es heute keine Debatte mehr darüber gibt, ob die Extraordinarien „neuen Typs“, jene als Abteilungsleiter am Institut wirkenden Spitzenkräfte im gehobenen Mittelbau, volle Professorerirechte erhalten sollen; auch die Frage, ob nun wirklich Assistenten und Studenten bei allen anfallenden Materien mitsprechen sollen — einschließlich Berufungen und Habilitierungen — wird mit Ja beantwortet. Die Auseinandersetzung geht nur noch darum, wer wo mitabstimmen soll, welche Zusammensetzung die einzelnen Gremien haben sollen. Hierin weicht der Rektorenentwurf vom Regierungsentwurf ab — wohlbemerkt: er behandelt ausschließlich jene wenigen Paragraphen des Hoch-schulorganisationsgesetzes 1955, die einer institutionalisierten Mitbestimmung im Wege standen. (In anderen Materien dürfte es noch größere Konflikte geben.)

Ein erster Schritt war im Frühjahr 1972 getan worden, als eine Novellierung des nun erneut aufgegriffenen Paragraphen 25 des Hochschulorga-nisationsgesetzes bestimmte, daß Assistenten und Studenten in Fakultätskollegien und Senat beigezogen werden könnten. Die Wahlmodalitäten der Vertreter waren jedoch so umständlich, daß eine Durchführung dieser Bestimmung schwierig war. Außerdem weigerten sich an manchen Hochschulen die Studenten, dieser Möglichkeit zuzustimmen, wenn ihnen nicht Stimmrecht eingeräumt werde.

Als dann im Sommer 1973 der Assistentenverband einen Initiativantrag formulierte, der dem unbefriedigenden Zustand ein Ende setzen sollte, da konnten auch die Politiker nicht sagen, wann nun wirklich der lange diskutierte Entwurf für das Universitätsorganisationsgesetz vorliegen würde und sagten der

Assistenteninitiative ihre Unterstützung zu. Da die Formulierungen noch nicht allen Anforderungen gerecht werden konnten, übernahm die Rektorenkonferenz die Ausarbeitung einer Endfassung.

Diese sieht nun vor, daß in den Fakultätskollegien in Hinkunft alle ordentlichen und außerordentlichen Professoren sitzen sollen, sowie Emeritierte und Honorarprofessoren, soweit sie eine Lehrkanzel vertreten, dann zwei bis vier Vertreter der Dozenten, die nicht zugleich Assistenten sind, femer Sprecher der Assistenten, des anderen wissenschaftlichen Personals und der Studenten. Die Assistentenvertreter sollen in den Instituten oder Instituts-Wahl-gemeinschaften gewählt werden. Ihre Zahl würde zwischen der Hälfte und zwei Dritteln der Zahl der Institute liegen. Lektoren, Lehrbeauftragte und, wissenschaftliche Beamte entsenden zwei Sprecher. Als Studentenvertreter fungieren die bei den Hochschülerschaftswahlen gewählten — fünf bis elf — Mandatare des Fakultätsausschusses.

Im Senat, dem Spitzengremium der Universität, säßen Rektor und Prorektor, Dekane und Prodekane sowie die Senatoren der Fakultäten — und zwar jeweils ein Professor, ein Assistent, ein Student —, ferner zwei Senatoren des wissenschaftlichen Personals und schließlich der Rektoratsdirektor.

Umständlich wird die Neuerung dort, wo es um die Frage geht, wer wo mitbestimmen soll. Da gibt es fünf verschiedene „Konsensquoren“, von Materien, über die die gleichberechtigte Stimmabgabe aller Fakul-täts-Kollegiumsmitglieder entscheidet, über jene Fälle, wo in der Mehrheit aller Mitglieder die Lehrkanzelinhaber ebenfalls mehrheitlich zustimmen müssen, zu jenen, in denen nur Professoren und Dozenten mitbestimmen — etwa Habilitierungen — und hier wieder solchen, in denen noch eine Mehrheit der Lehrkanzelinhaber zur Entscheidung nötig ist — so Berufungsvorschläge —, bis zu jenen, wo nur alle graduierten Mitglieder stimmberechtigt sind, aber auch noch eine Professorenmehrheit erforderlich ist, etwa bei Budget- und Personalanträgen. Die Sprecher der Rektorenkonferenz versicherten jedoch, daß eine übersichtliche Reihung der Tagesordnungspunkte nach den jeweiligen Abstimmungsexfordemis-sen keine Schwierigkeiten böte.

Der Vorschlag liegt vor. Trotz der nun wieder anlaufenden Diskussion um das UOG und trotz dessen parlamentarischer Behandlung dürfte es keine Schwierigkeiten bereiten, diese Teilnovellierung der Hochschulorganisation durchzuziehen, um den Forderungen zu entsprechen — man hätte damit zugleich einen „Schulversuch“ gestartet, in dem sich zeigen könnte, wieweit die Bereitschaft zur Zusammenarbeit aller beteiligten Kräfte tatsächlich schon gediehen ist. Auch wenn nur ein Jahr Zwischenraum zwischen Novelle und UOG-Verwirklichung bliebe, könnten die hier gewonnenen Erfahrungen doch dort nutzbringend verwertet werden.

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