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Miteinander aufbauen

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Die Heilssendung der Kirche vollzieht sich in dieser Welt und für diese Welt. Sie muß deshalb in ihrer konkreten Ausgestaltung der jeweiligen geschichtlichen Situation entsprechen. Dies gilt für die gesamte Kirche, wie auch für die jeweilige Diözese, bis in die Pfarre hinunter. Die geschichtliche Dynamik hat die Kirche in einem vorher nicht dagewesenen Ausmaß ergriffen. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil beobachteten wir eine Reihe von erfreulichen Ansätzen zu einer inneren Erneuerung der Kirche. Es zeigt sich ein wachsendes Verständnis für die Bedeutung des Wortes Gottes, eine Wiederentdeckung und Erneuerung der aktiven Mitfeier der Liturgie durch die ganze versammelte Gemeinde, ein größeres Bewußtwerden der Sendung und Verantwortung aller Christen.

Nicht zuletzt sind die großen Probleme der Gegenwart deutlicher in das Bewußtsein der Kirche getreten; sie bewegen besonders die jüngere Generation und lösen dort neue Aktivität aus. Dieser Aufbruch in der Kirche führte notwendig zu einer inneren Unruhe, zu kritischen Fragen an die bestehende Ordnung und Praxis, zu Meinungsverschiedenheiten über die künftige Orientierung und zu Experimenten mit neuen Formen. Die Unruhe in der gegenwärtigen Kirche läßt sich aber auch als ein positives Zeichen eines lebendigen Glaubens verstehen. Die Kirche ist als das wandernde Gottesvolk immer unterwegs und nie am Ziel. Recht verstandene Kirchlichkeit verlangt deshalb bereit zu sein, den Weg der Kirche in die Zukunft mitzugehen

und dem Aufbruch zu einem guten Gelingen zu verhelfen. Dieser Aufbruch ist für die Kirche eine echte Chance.

Die pastorale Lage in der Diözese St. Pölten ist selbstverständlich auch von den eben genannten Symptomen und Problemen geprägt. Dennoch haben wir es noch in unserem Kirchengebiet zum Teil leichter, weil wir auf Grund einer immer noch vorwiegend ländlichen Struktur auf traditionell guten Basisgemeinschaften aufbauen können.

Einige Bilder im Sinne von Filmaufnahmen sollen diese Situation beleuchten und auch die pastoralen Bemühungen aufzeigen. Vielleicht ergibt sich - im richtigen Schnitt - ein doch aussagekräftiger „Kurzfilm“. Als „Drehbuch“ mögen die Überlegungen der Diözesansynode 1972 gelten, die nach fünfjähriger Anwendung wohl schon einige Trends und Rückschlüsse ermöglichen.

Die Pfarrstruktur unserer Diözese ist nicht sehr günstig. Wir sind eine Diözese mit vielen Klein- und Kleinstpfarren. Von den 423 Pfarren in unserem Diözesangebiet weisen 216 weniger als 1000 Katholiken auf. Ein Drittel davon sind Gemeinden mit höchstens 500 Katholiken.

Ein Großteil davon (65 Pfarren) verfügt nicht mehr über einen eigenen Pfarrseelsorger, da der auch bei uns bestehende Priestermangel gerade hier Einsparungen verlangt, ^j

Was einerseits als Mangel empfunden wird, kann anderseits als eine erfreuliche Entwicklung bezeichnet werden. Diese Situation verlangt, und ergab unter anderem auch, eine größere Verantwortung der Laien bei

Franz Zak: Seit 1956 Bischof der

Diözese St. Pölten Photos: Gürer

der Bildung tragfähiger und lebendiger Formen ' von christlichen Gemeinschaften.

So ist die Katholische Aktion - allgemein gesehen - in der Diözese gut ausgebaut und hat eine Vielfalt von Basisgruppen. Diese sehen nicht nur ihre gesellschaftspolitische Aufgabe, sondern betrachten sich auch - gerade in den letzten Jahren - als mitverantwortlich beim Aufbau von lebendigen Pfarrgemeinden.

Als wertvolle Ergänzung dieser Apostolatsformen kann man auch das Wirken anderer apostolischen Gruppen bezeichnen, die eine spezifische Spiritualität entwickeln, wie Legio Maria, Cursillo, Fokolare und ähnliche Bewegungen. Ein diözesa-ner Laienrat versucht immer wieder, die einzelnen Aktivitäten dieser Apostolatsgruppen zusammenzufassen, zu koordinieren und diözesane

Schwerpunkte (der Pastoral) zu deren Anliegen zu machen. Ein solcher Schwerpunkt ist zum Beispiel für das Arbeitsjahr 1978/79 die „Sonntagsheiligung“.

An der im ganzen Diözesangebiet heuer gemeinsam durchgeführten Pfarrgemeinderatswahl haben sich 94 Prozent aller Pfarren beteiligt. In Summe gibt es derzeit insgesamt 7251 Pfarrgemeinderats-Mitglieder. Schon in der ersten Bildungsphase haben spontan über 15Ö0 Pfarrgemeinderäte die diözesanen Bildungsangebote angenommen - wohl ein Beweis dafür, daß ihnen ihre Aufgabe ein echtes Anliegen ist.

Ein besonderes Problem, wie auch in den anderen Diözesen, ist auch bei uns die Jugendpastoral. Hier macht sich der Mangel an Kaplänen wohl am negativsten bemerkbar. Ein di-özesaner Stellenbesetzungsplan für Pastoralassistenten und Jugendleiter versucht, dieser Schwierigkeit im Laufe der nächsten Jahre einigermaßen Herr zu werden.

Im Bereich des Religionsunterrichtes, dem heute - wo in vielen Familien die grundsätzliche religiöse Bildung nicht mehr garantiert ist - besondere Bedeutung zukommt, ist es gelungen, durch etwa 153 hauptamtliche und 135 nebenamtliche Laien-Religionslehrer, die Priester im Schuldienst zu entlasten und den Religionsunterricht sicherzustellen.

Die Familienpastoral wird im „Jahr der Familie“ wohl besonders betont, soll und muß aber ein ständiges Anliegen bleiben. Ehevorbereitung und Ehebegleitung werden in gleicher Weise besonders notwendig gesehen, wie auch für die Probleme in Ehe und Familie an zentralen Stellen des Di-özesangebietes elf „Ehe- und Familien-Beratungsstellen“ in kirchlicher Trägerschaft zur Verfügung stehen.

In etwa einem Drittel der Pfarren gibt es eigene Sozialreferenten, die sich - durch die Männerbewegung betreut - im Rahmen des Pfarrgemeinderates der sozialen Anliegen und Fälle anzunehmen bemühen. Derzeit wird versucht, in ähnlicher Weise pfarrliche „Medienreferenten“ zu gewinnen.

Die Kirche dient nicht nur Gott, indem sie den Menschen dient; sie dient auch den Menschen, indem sie Gott dient. Gottesliebe und Nächstenliebe gehören darum wesentlich und untrennbar zusammen, gerade deshalb aber dürfen sie nicht einfach vermischt und identifiziert werden. Die eschatologische Spannung zwischen beiden ist in dieser Zwischenzeit die stärkste Garantie, daß Kirche dem Aufbau des Reiches Gottes in dieser Welt dient. Eine weit- und kirchenbezogene Pastoral bemüht sich auch in der Diözese St. Pölten hierfür Grundlagen zu schaffen und Hilfen zu geben.

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