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Mixkonzept fehlt weiter

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In der Vorwoche hat der Nationalrat die Novelle zum Zivildienstgesetz beschlossen, die eine Teilung des Zivildienstes in einen Grundzivildienst und Zivildienstübungen bringt. Hauptkritikpunkt für viele Zivildiener und Jugendorganisationen war aber die ursprünglich geplante Reduktion der Einsatzstellen: alle „nicht der Umfassenden Landesverteidigung zuzuordnenden Einsatzgebiete“ für Zivildiener sollten „ausgeschieden werden“.

Nach dem Willen der Regierungsvorlage hätten Zivildiener künftig nur in Krankenanstalten, im Rettungswesen, in der Sozial-, Behinderten- und Katastrophenhilfe sowie für Zivilschutz und Zivile Landesverteidigung eingesetzt werden sollen, wobei für Sozialhilfeorganisationen das Kriterium der Nützlichkeit für die Umfassende Landesverteidigung anzulegen gewesen wäre. Verschiedene Bereiche — wie Kinder- und Jugendarbeit, Seniorenbetreuung von Pfarren und Vereinen, Integration von Strafentlassenen, entwicklungspolitische Bildungsarbeit oder Menschenrechtsaktivitäten — hätten ausgeschieden werden sollen.

Nach zahlreichen Protesten der betroffenen Organisationen fanden die parlamentarischen Beratungen eine durchaus österreichische Lösung: den Widerruf der Anerkennung von bisher akzeptierten Einsatzstellen hat der jeweilige Landeshauptmann zu verfügen; und es hängt von seiner Einschätzung ab, ob eine Einrichtung der neuen Gesetzeslage entspricht. Somit können in manchen Bundesländern Organisationen Zivildiener beschäftigen, denen dies in anderen Bundesländern, untersagt ist.

Der Wehrersatzdienst, der laut Gesetzeslage schon bisher der Umfassenden Landesverteidigung (ULV) zugeordnet war, soll so gestaltet werden, daß Zivildiener für konkrete Aufgaben im nicht-militärischen Bereich eingesetzt werden können. Und hier gehen die Meinungen unter den jungen Männern, die einen Antrag auf Befreiung vom Wehrdienst stellen, auseinander: Bei der Zivildienstkommission geben manche Antragsteller an, daß sie selbst schwerwiegende Gewissensgründe gegen die Anwendung von Waffengewalt haben, aber die Notwendigkeit eines Heeres aufgrund der derzeitigen weltpolitischen Lage akzeptieren.

Andere jedoch lehnen aus moralischen Gründen auch alle gewaltsamen Verteidigungsformen ab und erklären ihre Bereitschaft, sich an einem gewaltfreien Widerstand zu beteiligen. Ein Teil davon äußert vor der Kommission auch Bedenken, den Zivildienst in einem Verteidigungssystem abzuleisten, das zwar auf vier Säulen beruht, die Abhaltung eines Angreifers aber ausschließlich mit militärischen Mitteln versucht.

Könnte den Gewissensnöten jener, die aus obigen Gründen die ULV für ein militärisch orientiertes System halten und den Zivildienst lieber außerhalb desselben leisten wollen, entsprochen werden? Eine pauschale Ablehnung der Umfassenden Landesverteidigung beziehungsweise eine Ausgliederung des gesamten Zivildienstes — wie von manchen gefordert - ist wahrscheinlich auch für die Zukunft kein konstruktiver Diskussionsbeitrag.

Eine Lösung könnte künftig auf zwei Arten erfolgen: • Der Zivildienst kann auch künftig bei Sozialeinrichtungen abgeleistet werden, die nicht in die ULV eingebunden sind; allerdings dürften Wehrdienstverweigerer, die bei solchen Einsatzstellen ihren Dienst leisten, auch im Kriegsfall nicht in die jetzige Landesverteidigungsstruktur einbezogen werden. Dies widerspräche allerdings dem Verständnis (auch) vieler kirchlicher Organisationen, daß jeder seinen Beitrag zur Sicherheit und Verteidigung unseres Landes leisten soll.

• Oder: Es wird eine fünfte Säule der Verteidigung (FURCHE 40/ 1985) entwickelt, die eigenständige, gewaltfreie Formen des Widerstandes entwickelt. Diese Verteidigungsformen könnten dort eingesetzt werden, wo das Militär an seine natürlichen Grenzen stößt: Großstädte und andere Ballungsräume können heute von keiner Armee der Welt verteidigt werden, ohne der Bevölkerung mehr zu schaden als zu nützen.

Andererseits ist Österreich auch dann noch verteidigungswert, wenn militärische Verteidigung versagt und Österreich als eigenständiges Völkerrechtssubjekt zu existieren aufgehört haben sollte. Im Rahmen einer solchen Verteidigung könnten Zivildiener spezielle Aufgaben übernehmen und während ihres Grundzivildienstes dafür ausgebildet werden.

Für solche Mixkonzepte plädieren seit Jahren auch verantwortungsbewußte Militärs wie etwa der Leiter des Instituts für militärische Sicherheitspolitik, Heinz Danzmayr.

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