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Mock: Testfall für neues Europa

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Außenminister Mock meint in einem FURCHE-Gespräch, daß es durchaus sinnvoll ist, nach wie vor den 26. Oktober als Nationalfeiertag mit Besinnung auf Österreichs Neutralität zu feiern. Die Neutralität - so Mock - habe eine große Bedeutung in der Vergangenheit gehabt und könnte sie auch in der Zukunft haben, selbst wenn es in neutralitätspolitischen Vorstellungen eine Entwicklung gegeben habe. Im Jugoslawienkonflikt müßte sie ihren neuen Charakter demonstrieren.

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Außenminister Mock meint in einem FURCHE-Gespräch, daß es durchaus sinnvoll ist, nach wie vor den 26. Oktober als Nationalfeiertag mit Besinnung auf Österreichs Neutralität zu feiern. Die Neutralität - so Mock - habe eine große Bedeutung in der Vergangenheit gehabt und könnte sie auch in der Zukunft haben, selbst wenn es in neutralitätspolitischen Vorstellungen eine Entwicklung gegeben habe. Im Jugoslawienkonflikt müßte sie ihren neuen Charakter demonstrieren.

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Zur Zeit der Konzeption der österreichischen Neutralität ist nach den Worten Mocks ihr Charakter stark defensiv geprägt gewesen, um die Trennung des Landes zu verhindern, um Österreich im westlichen Bereich zu verankern. Sehr rasch jedoch habe Neutralität einen offensiven Charakter erhalten durch Österreichs En-gagment im Europarat und seinen raschen Beitritt zur UNO - von den peace keeping missions der frühen sechziger Jahre bis hin zur Entspannungspolitik. In letzter Zeit wird - so Mock zur FURCHE - immer deutlicher der solidarische Charakter der österreichischen Neutralität herausgestrichen, der auch zu den von Österreich gesetzten humanitären Aktivitäten paßt.

Auf die Frage, ob man alle diese unterschiedlichen Charaktere auf den gemeinsamen Nenner „Neutralität" bringen könne, meinte Mock, daß „Neutralitätspolitik der Evolution im politischen Umfeld unterliegt". Der Kern des Verfassungsgesetzes, keine militärischen Allianzen einzugehen und keine fremden Truppen in Österreich zu stationieren, werde auch künftig beibehalten werden.

Gegenüber einer künftigen gemeinsamen europäischen Sicherheitspolitik, von der auch Österreichs Neutralität herausgefordert wird, wies Mock daraufhin, daß sich „nicht der Inhalt, sondern die Auswirkungen der Neutralität verändert" haben. Im Falle einer solchen Zusammenarbeit gehe es ja nicht um Krieg im völkerrechtlichen Sinn, aus dem sich ÖsterDubrovnik: Kulturskandal reich herauszuhalten hat. Neue europäische Sicherheitsstrukturen hätten den Sinn, Handlungen wie während des Golfkrieges auch weiterhin umzusetzen und auszuweiten.

Hohe Solidaritätspolitik

Auf die Frage, ob Österreich - ganz im Sinne der EG - im Krieg zwischen Serbien und Kroatien jetzt nicht doch eine neutrale Position vertrete, von der im allgemeinen abzugehen dieselbe EG sonst ständig fordere, meinte der Außenminister wörtlich: „Noch im Juni sind wir wegen unserer Haltung Slowenien und Kroatien gegenüber in der Kritikzone der EG gelegen. Wir haben eine hohe Solidaritätspolitikbetrieben, weil wir der Meinung sind, daß in der von den KSZE-Staaten unterzeichneten Pariser Charta ein Bekenntnis zu einem europäischen Grundgesetz ausgesprochen ist. Demnach bekennt sich Europa zur Rechtsstaatlichkeit, zum Selbstbestimmungsrecht, zur Demokratie, zu den Menschenrechten und zur Marktwirtschaft. Wir vertreten die Meinung, daß sich Slowenien und Kroatien in starkem Maß daran orientieren. Deshalb ist Jugoslawien für uns ein Testfall dafür, ob sich diese Pariser Charta konkret durchsetzen lassen wird."

Hat Österreich jetzt diesen Weg verlassen? Zuerst sagte man doch, die Anerkennung Sloweniens und Kroatiens bewirke nichts, jetzt verweisen manche darauf, daß eine Anerkennung - angesichts vollendeter Tatsachen in Kroatien - auch nichts mehr zum Besseren wenden könne. Außenminister Mock betont, daß jetzt niemand beweisen könne, daß eine Anerkennung damals nichts genützt hätte. Zu Beginn der Auseinandersetzungen habe die jugoslawische Volksarmee internationale Entscheidungen noch respektiert. So sei es gelungen, sie zum Abzug aus Slowenien zu bewegen. „Später hat sie sich jedoch jeder Kontrolle entzogen und respektiert jetzt überhaupt nichts mehr. Daher ist es zu einem enormen Rückschlag gekommen. Man wird noch bitter bereuen, daß es zu keinerlei wirtschaftlichen Maßnahmen Europas gekommen ist'. An meiner Einstellung dazu hat sich nichts geändert." Angesichts der Zerstörung kroatischer Kulturgüter von immensem Wert für Europa hat Außenminister Mock am Donnerstag, 24. Oktober, an den Generaldirektor der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur/ UNESCO, Federico Mayor, den Appell gerichtet, persönlich nach Belgrad zu fahren, um gegen den „ungeheuren Kulturskandal", der jetzt, neben den Opfern an Menschen, die westliche Welt zusätzlich aufrütteln müßte, zu protestieren.

Würde Mock in diesem Krieg auch von Kriegsverbrechen sprechen? „Es ist überhaupt keine Frage" - so der Außenminister wörtlich -, „daß in diesem schmutzigen Krieg bereits Kriegsverbrechen vorgekommen sind, wenngleich man Einzelereignisse daraufhin erst untersuchen muß."

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