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Modern, aber geschmacklos

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Die innerkirchliche Reform, die mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeleitet wurde, hat auch die Orden vor sehr viele Aufgaben gestellt. Ohne Zweifel waren angesichts der. sich rasch verändernden Welt Reformen fällig. Vieles ist auch inzwischen auf einem durchaus geordneten Weg durch Überarbeitung der Ordenskonstitutionen sowie durch praktische Änderungen und vielfach auch einen alle Bereiche des Ordenslebens umfassenden Bildungsprozeß erreicht worden. Natürlich kann eine Reform nicht plötzliche Wirkungen zeitigen und wird bei den verschiedenen Altersgruppen auch verschiedenartig aufgenommen. Die Generation, die noch vor dem Einsetzen der Reform im Kloster herangewachsen und in einer älteren Lebensform verwurzelt ist, wird nicht alle Reformen mitzuvollziehen vermögen. Die veränderten Lebensverhältnisse fordern vor allem eine größere Freiheit und Beweglichkeit der einzelnen Ordensmitglieder, und dies bringt wieder neue Aufgaben in der Erziehung und in der Heranbildung einer gediegenen Ordensspiritualität. Dies alles fordert viel Geduld und Erfahrung.

Die Reform stieß aber auch bald auf eine ganz andere Schwierigkeit, die nicht vorhergesehen werden konnte und daher notwendigerweise den Fortgang der Erneuerung bedeutend erschwert. Dies ist der fast plötzlich eingetretene große Rückgang der Ordensberufungen und der steigende Ausfall durch Austritte aus den Orden.

Es gibt aber noch eine dritte Ursache, die der Erneuerung der Orden nicht nur hinderlich im Wege steht, sondern sie geradezu in Frage stellt. Dies ist eine Revolte von unten, also eine Reform mit umgekehrten Vorzeichen. In Bezug auf verschiedene

Punkte des Ordenslebens ist mancherorts eine fast schrankenlose Willkür eingerissen. Wurde zum Beispiel das Ordenskleid reformiert, so gingen manche Ordensmitglieder dazu über, sich ganz nach ihrem Belieben zu kleiden oder überhaupt das Ordenskleid abzulegen. Wurde die Klausur gelockert, so bedeutete das für manche schrankenlose Freiheit des Ausgangs und so fort. — So kam es zu Verhaltensweisen der Ordensleute in Männer- und Frauenklöstern, die das Ordensleben der Lächerlichkeit preisgeben. Ein Beispiel: Eine Frauenkongregation hat das Ordenskleid geändert und den modernen hygienischen Bedürfnissen angepaßt. Aber einzelne Nonnen gehen dazu über, nach Belieben weitere Änderungen durchzuführen.

Die Schleier werden immer kürzer und manche legen sie überhaupt ab, ebenso werden die Röcke kürzer, anstatt dunkler Strümpfe werden helle getragen, die Schuhe müssen dann auch nach neuester Mode sein; schließlich wechselt man auch die Farbe und den Schnitt des Kleides beliebig, nicht nur um der Arbeit willen, sondern weil es so nach eigenem Geschmack ist. Man begegnet dann bisweilen auf der Straße solchen Nonnen, die an Eleganz und modischer Wahl,der Kleidung und auch des Gehabens wenig einer Weltdame nachstehen. Da diese Art Sich zu kleiden eine Vielzahl der Kleidungsstücke und einen oftmaligen Wechsel notwendig macht, fragt sich der ' Laie, wie dies mit der Armut zu vereinbaren ist. Bei Männern ist es im übrigen nicht viel besser. Wenn eine größere Anpassung auch in der Entwicklung der Gesellschaft liegt und berechtigt ist, so fragt man sich doch, ob es notwendig ist, daß jeder nach eigenem Geschmack und Belieben sich kleidet und bei verschiedenen Anlässen in völlig unpassendem Aufzug erscheint. Man kann vielfach lächelnd feststellen, daß Ordensmänner und Ordensfrauen richtig modesüchtig werden. Ob passend oder unpassend, müssen es die grellsten Farben der Pullover, Hemden wid Jäckchen sein, und bei Frauen darf wohl auch der Schmuck nicht ganz fehlen. Und leider fehlt es oft auch an Geschmack, bei den Krawatten der Priester ist dies besonders deutlich zu sehen.

Dies ist nur ein Symptom, aber nicht das unwichtigste, denn mit dem Kleid wechselt man auch den Lebensstil. Man sucht aber auch krampfhaft nach einem neuen Lebensstil. Jeder wird zugestehen, daß manches am herkömmlichen Lebensstil der Klöster erneuerungsbedürftig ist, daß also Tagesordnung, Umgangssitten und Tischsitten veränderungsbedürftig sind. Wenn dies aber in der Form geschieht, daß einfach alles, was die religiöse Haltung betont, Stillschweigen, Bescheidenheit, geistliche Vornehmheit, abgeschafft wird, wenn der Speisesaal zu einem Restaurant umgestaltet wird, das Tischgebet wohl noch andeutungsweise bleibt, Tischlesung aber im Interesse der Kommunikation untereinander vollständig fällt, wenn das Haus zu einer Art Hotel umgestaltet wird, wo jeder nach Belieben aus und ein geht, wenn für die gemeinsame Erholung ein Büfettraum Tag und Nacht offensteht, wo man sich beliebig treffen und unterhalten und dazu sich auch natürlich erfrischen und stärken kann, und wenn dann noch ein Fernsehraum mit bequemen Fauteuils existiert, dann fragt man sich, wo es noch einen Unterschied zwischen Kloster und Welt gibt.

Natürlich ist vielfach auch die klösterliche Tagesordnung verpönt. Es darf kein Glockenzeichen zum Aufstehen und Schlafengehen, zum Gebet und zu den Mahlzeiten gegeben werden, denn das ist gegen die persönliche Freiheit. Alles wird weitestgehend dem einzelnen überlassen. Dies alles soll der besseren persönlichen Entfaltung und der brüderlichen Begegnung dienen. Das Ideal, das dieser Reform vorschwebt, ist das Teamwork, zu dem eine kleine Gruppe gemeinsam arbeitet. Deshalb sucht man auch größere Gemeinschaften in kleinere Gruppen aufzulösen, die zu einer echten Gemeinschaft werden sollen, in der Arbeit, Gebet und Verwirklichung des religiösen Lebensideals gemeinsam besprochen und gelebt werden sollen. Dieses Ideal ist durchaus zu bejahen, aber man muß sich doch fragen, ob man einfachhin alle klösterlichen Lebensformen, die sich in sehr langer Überlieferung herausgebildet haben, so radikal beiseite schieben kann, ohne nicht auch Wesentliches zu verlieren und erst durch große Schäden wieder klug zu werden.

Die Auswüchse und Mißbräuche, die sich dabei herausbilden, sind gewiß nicht gewollt; aber wenn sie bereits so groß geworden sind, daß sie bei ernsten Priestern und Laien Beunruhigung auslösen, müßte man doch auch von den kirchlichen Leitungsstellen erwarten, daß sie die Augen offen haben und für die Abstellung dieser Exzesse sorgen. Das Wort Christi: „Ex fructibus eorum cognoscetis eos“ gilt doch auch hier. Es soll nicht gesagt sein, daß die Experimente in der Reform des Ordenslebens vollkommen falsch sind, aber ebensowenig kann nicht geleugnet werden, daß sie schon zu sehr bedauerlichen Entgleisungen geführt haben, durch die das Ordensleben der Lächerlichkeit und der Verachtung preisgegeben wird. Auch geht man kaum fehl, wenn man behauptet, daß die Orden dadurch keineswegs mehr Anziehungskraft unter der Jugend gewinnen, denn manche Erscheinungen erwek-ken den Eindruck der Auflösung und nicht der Erneuerung. Es ist Zeit, daß man sich besinnt und die Unterscheidung zwischen dem, was der Erneuerung dienen kann, und dem, was willkürliche Auswüchse sind, trifft. Je mehr die Ärgernisse zunehmen, desto größer wird der Schaden für die Orden sein.

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