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Moldens Fall: Ein Symptom

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Konkurs. In ihn gehen gegenwärtig viele Firmen. Zahlen kennen keine Rührung, wirtschaftliche Fakten sind nicht sentimental, und es gehört zum Wesen der freien Wirtschaft, daß die Schwächeren sich gegen den Stärkeren nur mühevoll und manchmal überhaupt nicht behaupten.

Der Verlag Fritz Molden, der nun in Konkurs ging, war in zweifacher Hinsicht ein Vertreter dieser freien Wirtschaft: in seinen geistigen Zielsetzungen und in seinen Methoden. Sein Untergang steht im Zeichen eines Paradoxons. Dieser bewegt die Phantasie. Nicht nur die Revolution, sondern auch die freie Wirtschaft frißt mitunter ihre Kinder.

Der Konkurs beleuchtet wie ein Blitzlicht die Szenerie. Auf ihr stehen: der Leser, der Buchhändler, der Nationalökonom, der Politiker und der Unternehmer, und dann noch eine weitere Gestalt, vermummt und gespenstisch. Man könnte sie Zeitgeist nennen.

Der Leser erwies sich für den Verleger Fritz Molden als unsicherer Kantonist. Manche wenig propagierte Bücher des Verlages hat er freundlich aufgenommen, und oft genug war er bereit, der lauten und aufwendigen Werbung zu glauben. Hin und wieder ließ er aber den Verleger im Stich. Er war auf Stalins Tochter nicht sehr neugierig und interessierte sich auch nicht für die Geschicke einer gewissen Daisy, die in Amerika von einer Frau Krantz beschrie-i ben worden ist. In solchen Fällen erlitt der Verleger große Verluste.

Der Buchhändler sah sich—vom Nationalökonomen oder vom Zeitgeist gezwungen — nicht mehr in der Lage, als kommerzieller Sachwalter des Hehren und Holden aufzutreten. Er honorierte nicht Moldens großangelegte Unternehmungen, sondern wollte die Bücher möglichst gewinnbringend und zudem schnell verkaufen.

Denn er war nicht weniger verschuldet als der Verleger selbst, und mußte die Schulden zurückzahlen. Samt Zinsen.

Der Nationalökonom, vom Zeitgeist abhängig, war der Meinung, man könnte da gar nicht anders vorgehen: das Ausborgen von Geld leicht machen, damit der Mechanismus in Gang bleibt, und hohe Zinsen verlangen, weil man ja auch die Bremsen braucht und weil man im Mekka der Geldverleiher hohe Zinsen verlangt Mekka liegt in diesem Fall in den USA.

Der Politiker war ebenfalls daran interessiert, daß der Mechanismus in Gang bleibt Schließlich und endlich ist er ja von diesem Mechanismus in die Höhe befördert worden. Als treibende Kräfte sah er längst nicht mehr irgendwelche Ideen, sondern den materiellen Kampf ums Dasein. Dieser kann Umverteilung heißen oder Ansporn durch Profit, Vollbeschäftigung, soziale Sicherheit oder staatliche Lenkung der Ökonomie.

Und der Unternehmer? Fritz Molden ist ein Mensch, der in diese Szenerie nicht hineinpaßt. Er wirkt angesichts der anderen Gestalten wie ein wandernder Ritter in einem Konversations- oder Ganovenstück.

Die Eltern: der liberale Publizist Ernst Molden, die Lyrikerin Paula von Preradovic. Sie hat den Text der Bundeshymne verfaßt Er selbst: ein liebenswürdiger, gebildeter, in großen Dimensionen denkender Mann, von der Lust am Abenteuer beseelt. Viel hat er für Österreich im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur getan. Er war dann Presseattache in Washington, leitete als Herausgeber und dann auch als Chefredakteur die Tageszeitung „Die Presse”, errichtete die unter dem Namen Pressehaus bekannte Druckerei, förderte gemeinsam mit seinem Bruder nach Kräften das Europaforum Alpbach, druckte dann, als Verleger, die Bücher vieler wichtiger oder bemerkenswerter oder im Augenblick interessanter Autoren.

Und war trotzdem kein Macher, im üblen Sinn dieses Wortes. Sondern Mensch. Der Fritz Molden. Ein souveräner Mensch, halb Planer, halb Spieler, abenteuerlustig und leichtgläubig. Seine schönste Tugend war sein größter Fehler: die Unbefangenheit—man könnte auch Naivität sagen — des Freien.

In dieser Unbefangenheit liegt eine sonderbare Kraft. Der Verlag Fritz Molden ist in Konkurs gegangen. Fritz Molden selbst ist da. Er könnte manchen schadenfrohen Zeitgenossen noch zeigen, was da ist: Lust an der guten Sache.

Allerdings: Jene vermummte, mächtige Gestalt, der Zeitgeist, ist gegen ihn. Er will keine Männer der spielerischen Phantasie, sondern Spezialisten unter einem Hut Sein Lieblingswort ist: team. Seine Lieblingsmethode ist die Statistik. Seine Liebkinder sind die angeblichen Fachleute einer angeblichen Manipulierung der angeblichen Welt. Sein Programm besteht aus dem schlichten Satz: Wohlstand macht selig. Der Zeitgeist verbreitet einen scheinbar wissenschaftlich systematisierten Aberglauben.

In der Opposition gegen diesen Aberglauben liegt die Stärke Fritz Moldens. Nicht nur des Menschen, sondern des Typs. Geist, Kraft die Lust am Abenteuer haben schon so manche Götzen gestürzt. Das Scheitern Fritz Moldens erscheint den Zeitgenossen als der Niedergang eines gesellschaftlichen Typs. Jetzt? Ja. Heute? Gewiß. Doch gerade im Niedergang liegt die Möglichkeit des Aufschwungs.

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