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Moment der Unsicherheit

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Die Absetzung und Exilierung des Oberkommandierenden der Streitkräfte, die Honduras* Zivilpräsident Roberto Suazo zu Beginn des Monats durchsetzte, zeigt die Spannungen an, die im mittelamerikanisch-karibischen Puzzle selbst zwischen den USA und ihren engsten Verbündeten herrschen.

Drei Akteursgruppen umwerben heute das karibische Becken: Die Vereinigten Staaten mit ihren Alliierten, die heute die Art von „Stabilität" zeigen, wie sie vor den Revolutionen in Nikaragua, Grenada, Surinam und El Salvador herrschte (hier ist neben den konservativen Regierungen der Inselkaribik und neben dem sozialdemokratischen Costa Rica auch Guatemala und Honduras zu nennen); zweitens die Contadora-Gruppe, die sich aus gesprächsbereiten Reformisten zusammensetzt und einen 21-Punkte-Plan mit Durchführungsvorschlägen für die Entspannung in diesem Raum vorgelegt hat; drittens das revolutionäre Lager mit Nikaragua und Kuba, deren Optimismus seit der Invasion auf Grenada gedämpft ist. In der Akteursgruppe eins hat die Reagan-Administration im Rahmen einer harten, wenngleich inkonsequenten Politik an Terrain gewonnen. Trotz der Besetzung von Grenada blieb jedoch der große Durchbruch aus: Nikaraguas Sandinisten sind zwar beengt, aber nicht erdrückt. Das Patt zwischen Guerilla und Regierung in El Salvador hält an. Und das benachbarte Honduras ist nicht ganz die Spielwiese, die sich die US-Militärs wünschen.

In Honduras betreiben die USA ohne Präzedenzfall eine riesige logistische Infrastruktur mit periodischen Manövern einiger tausend Fallschirmjäger und Marinesoldaten. Bisher wurden fast alle Übungen auf die nikaraguanische Grenze konzentriert, doch jetzt ist auch der salvadorianische Grenzraum an der Reihe. Diese jüngsten „Granadero-Manöver" stellen für die Militärplaner nur eine logische Fortsetzung der bisherigen Anstrengungen dar.

Für den Bündnispartner Honduras jedoch ergeben sich aus den Übungen im salvadorianischen Bereich psychologische Probleme. Denn Honduras focht mit El Salvador 1969 den sogenannten Fußballkrieg aus, um das Einsik-kern von Siedlern aus dem überbevölkerten Nachbarland in das dünn besiedelte Honduras zu stoppen. Aus der Sicht der Honduraner ist daher der „Feind" immer noch vorrangig die Armee von El Salvador: jene Armee, mit der jetzt gemeinsam Antiguerilla-Manöver geprobt werden sollen.

Auch fiel es Honduras' Armee überaus schwer, das US-Trainingslager für die salvadorianischen Kommandos auf eigenem Boden zu dulden. Solche Gegensätze brüteten die Spannungen aus, die Anfang April zur überraschenden Absetzung von General Gustavo Alvarez, einem bedingungslosen Kollaborateur der Vereinigten Staaten, führten.

Alvarez' Nachfolger auf dem Posten des Oberkommandierenden der Streitkräfte, Fliegergeneral Walter Lopez Reyes, will nun konfliktfrei mit Honduras' gewähltem Zivilpräsidenten Roberto Suazo Cordoba zusammenarbeiten (General Alvarez traf seine

Entscheidungen zuletzt in isolierter Arroganz, ohne den Präsidenten auch nur zu informieren) und gegenüber den USA stärker den eigenen Souveränitätsgedanken ins Spiel bringen.

Damit wird eine unter jungen Offizieren kursierende Version betreffend die Anwesenheit nordamerikanischer Soldaten in Honduras wohl salonfähig — daß Honduras ein quasi von den USA besetztes Land sei. Fest steht, daß Washington in Zukunft zumindest mit mehr Takt bei seinem Verbündeten Honduras agieren muß.

Die zweite Akteursgruppe um die Contadora-Gruppe hofft, daß diese Entwicklung zumindest eine Atempause für das sandinistische Nikaragua bringt. Ende April sollen die technischen Komitees bereits ihre Details zur Verwirklichung der 21 Punkte vorlegen. Dann wird man sehen, ob sich die

Contadora-Außenminister (Venezuelas, Panamas, Kolumbiens und Mexikos) den Friedensnobelpreis verdienen können.

Die Chance einer erfolgreichen Vermittlung seitens der Contadora-Gruppe steigt in dem Maße, wie die Vereinigten Staaten wegen des Präsidentenwahlkampfes nach innen blicken.

Im dritten, dem revolutionären Lager, igelt man sich jetzt ein. Nach Grenada versucht man zu überleben. Nikaragua setzte angesichts der internationalen Pressionen den Urnengang für 4. November fest.

Noch vorsichtiger agiert heute Kuba. Fidel Castro hat die Reagan-Administration vom ersten Tag an als extreme Gefährdung eingeschätzt und fürchtet seit der Grenada-Invasion das Schlimmste. So wird jetzt demonstrativ Personal aus Nikaragua abgezogen, jede provokative Geste vermieden, werden die Vorschläge * der Contadora-Gruppe gutgeheißen, gibt man sogar in Afrika Positionen auf.

Offen im Kalkül über Mittelamerika ist heute einzig die Frage, ob Moskau ebenfalls zurücksteckt — oder, eben wegen des Wahlkampfes in den USA, jetzt erst richtig offensiv wird. Kuba muß sich heute zähneknirschend eingestehen, daß es auf solche Entscheidungen keinen Einfluß hat.

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