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MONATUCH WALLFAHRTEN AN 100 ORTEN

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Zehntausende Beter versammeln sich monatlich in rund 100 Kirchen und Wallfahrtsstätten Österreichs. Sie pilgern nicht nur in ihren persönlichen Anliegen, sondern lassen sich auf einen geistlichen Prozeß ein, in dem es um die Erneuerung der Kirche geht.

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Zehntausende Beter versammeln sich monatlich in rund 100 Kirchen und Wallfahrtsstätten Österreichs. Sie pilgern nicht nur in ihren persönlichen Anliegen, sondern lassen sich auf einen geistlichen Prozeß ein, in dem es um die Erneuerung der Kirche geht.

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Wallfahrten hat es immer schon gegeben. Die neuen Monatswallfahrten führten aber zu einer Weitung des Pilgergedankens. Sie haben Modellcharakter für die sich erneuernde Kirche. Der im Oktober 1969 durch den jetzigen Wiener Erzbischof ins Leben gerufene Dreizehnte kann mit gutem Grund als „Mutter der Monatswallfahrten" bezeichnet werden.

Dutzende Orte haben den Impuls geistlicherErneuerung von Maria Roggendorf im niederösterreichischen Weinviertel aufgegriffen. Kardinal Hans Hermann Groer, damals Religionsprofessor in Hollabrunn, hat in den Pilgergottesdiensten etwas konkret werden lassen, was das Zweite Vatikanum lehrhaft anstrebte: die lebendige Verknüpfung von Heiliger Schrift, Liturgie und Zeugnis des Lebens als Grundlage für ein erneuertes apostolisches Wirken.

Es geht um den Beitrag zu einem neuen Pfingsten: Bei Maria versammelt, und im Geist dieses „Urbildes der Kirche" rufen die Pilger einmütig die Gnade Gottes herab in den

großen konkreten Nöten der Kirche, ja der ganzen Menschheit.

Die Monatswallfahrten, die sehr häufig auf die Initiative von Mitgliedern der laienapostolischen Bewegung der Legio Mariens zurückgehen, bieten in Gestaltung und Charakter ein breites Spektrum katholischer Frömmigkeit. Was allen gemeinsam ist -vom slowakischen Marianka bis zum schottischen Carfin Grotto, vom bur-genländischen Deutsch Schützen bis zum Vorarlberger Mariastern - ist das Beten und Opfern für die Kirche: um Festigung im Glauben, um geistliche Berufe, um Erneuerung der Kirche und um den Frieden in der Welt.

Bei diesen regelmäßigen, pfarr-übergreifenden Gottesdiensten soll der Horizont der Wallfahrer geweitet werden für die ganze Wirklichkeit der Kirche, deren innerstes Geheimnis der Dreifaltige selber ist.

Wiewohl der 13. von der Fatima-Botschaft inspiriert und Gebet und Sühne in diesem Sinn nicht aus den Monatswallfahrten wegzudenken sind, handelt es sich dabei nicht einfach um Fatima-Andachten. Kleines Indiz dafür: Viele Monatswallfahrten finden nicht am 13. statt. Ein Gutteil des Kalenders ist schon belegt. So finden sich Gebetstreffen jeden ersten (St. Marein, St. Anna bei Pöggstall), jeden fünften (in Breitenfurt), jeden elften (Lourdes-Tag), jeden 15... Dazu gibt es Monatswallfahrten an jedemHerz-

Jesu-Freitag, an jedem Herz-Mariä-Samstag. Regelmäßige Pilgertreffen orientieren sich datumsmäßig an den Patrozinien der Gotteshäuser.

Wichtige Elemente dieser Art des Pilgems sind: die Prozession zu Beginn oder zum Abschluß, der Rosenkranz vor dem ausgesetzten Allerhei-ligsten (es geht um die „gebenedeite Frucht des Leibes Mariens", um Jesus), die Eucharistiefeier mit Predigt und reichlich Möglichkeit, das Sakrament der Versöhnung zu empfangen.

Gerade in der Buße und in der Eucharistie finden sich die Angelpunkte zur wirklichen kirchlichen Erneuerung, des einzelnen wie der ganzen Gemeinschaft. Für alle Gläubigen ist die Teilnahme an der Monatswallfahrt immer etwas über die „Pflicht" (Sonntagsgottesdienst) hinaus, sie fordert also ein Mehr an Zeit, an Mühe, an Aufbruch - an gläubiger Liebe. Sind diese regelmäßigen Pilgertreffen nicht dem pfarrlichen Leben abträglich, handelt es sich nicht um eine „gestrige" Tradition, sind diese Wallfahrten nicht Sammelbecken jener, die mit der konzilia-ren Erneuerung nicht mithalten können oder wollen? Man könnte skeptische Anfragen dieser Art fortsetzen.

Gewiß ist keine kirchliche Initiative gefeit vor Einseitigkeiten. Wer sich jedoch möglichst frei von Vorurteilen dem Phänomen dieser neuen Pilgerbewegung nähert, wird auf eine beachtliche geistliche Fruchtbarkeit stoßen.

Zeichen der Erneuerung ist eine neue, unkomplizierte Freude am Glauben in der Gemeinschaft der Kirche. Früchte sind viele Berufungen, die in marianischer Offenheit erbeten, erkannt und angenommen werden - in Ehe und Familie wie im

geistlichen Stand.

In Maria Roggendorf etwa sind zwei klösterliche Gemeinschaften gewachsen, in vielen Kommunitäten und Seminaren finden sich Pilger, deren geistlicher Weg oft durch jahrelanges treues Bemühen gewachsen ist. Das Vertrautwerden mit der Gestaltung der Sendung der Muttergottes und eine erleuchtete gesunde wie liebevolle Verehrung Mariens lassen den Christen seine Identität finden und beheimatet in Gott leben.

Wallfahrt für die Kirche bedeutet Beheimatung in der Kirche über die

kleineren Gemeinschaften hinaus. Haben nicht Papst und Kardinäle erst kürzlich nachdrücklich darauf hingewiesen, daß es oft an dieser Beheimatung infolge einer häufigen Überbetonung der Ratio fehlt, und so die Sekten starken Zulauf haben?

Über zwei Jahrzehnte dieser neuen Art der Wallfahrt haben offenbar gemacht, daß das unablässige Beten und Pilgern in der inneren Gemeinschaft mit Maria die Kirche nicht einengt, sondern in Einheit mit den Hirten diese zum hingebungsvollen Dienst am Menschen und an Gott führt.

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