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Monopol wie Axel Springer

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Jahre hindurch wies eine gewisse progressive Presse in Paris auf die Gefahr für die Meinungsfreiheit hin, die ihrer Ansicht nach in der Bundesrepublik Deutschland infolge der Konzentration der Presse in wenigen Händen bestand. Der Verleger Axel Springer wurde zum Buhmann erklärt, der in einer Epoche der internationalen Entspannung die Prinzipien des Kalten Krieges hochhalte und mit seiner konservativen Gesinnung die „demokratische Entwicklung“ Westdeutschlands behindere.

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Jahre hindurch wies eine gewisse progressive Presse in Paris auf die Gefahr für die Meinungsfreiheit hin, die ihrer Ansicht nach in der Bundesrepublik Deutschland infolge der Konzentration der Presse in wenigen Händen bestand. Der Verleger Axel Springer wurde zum Buhmann erklärt, der in einer Epoche der internationalen Entspannung die Prinzipien des Kalten Krieges hochhalte und mit seiner konservativen Gesinnung die „demokratische Entwicklung“ Westdeutschlands behindere.

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Während sich die Blicke der Leser über den Rhein richteten und dort die Pluralität der Meinungen gefährdet sahen, setzte auf dem französischen Zeitungsmarkt eine Entwicklung ein, die ebenfalls zu einer immer strafferen Konzentration der gedruckten Massenmedien führte. Gerade in den letzten Wochen kam es zu vielfach unkontrollierbaren und unklaren Verschiebungen in der Pariser Presse. Es scheint, daß an der Seine in der Gestalt Robert Hersanits ein neuer Zeitungszar geboren wurde, der sowohl die meinungsbildende nationale Presse, wie auch in wachsendem Ausmaß die Provinzzeitungen in seinen Besitz bringt. Dadurch entsteht ein Imperium, das jetzt schon größere Dimensionen angenommen hat als jenes, das Axel Springer beherrscht.

Zum Verständnis der gegenwärtigen Situation ist jedoch eine Rückblende notwendig. Während der Okkupationszeit waren einige Redaktionen, unter ihnen jene des „Figaro“, in die unbesetzte Zone ausgewichen, andere fügten sich den Zensurbestimmungen der Besatzungsmacht oder arbeiteten offen mit den deutschen Militärbehörden zusammen. Nach der Befreiung im Jahre 1944 wurde diesen Blättern die Lebensberechtigung abgesprochen, und neue Lizenzträger, selbstverständlich Repräsentanten der Widerstandsbeweung, besetzten die Redaktionen und die Büros. In diesen bewegten Monaten entstand das wichtigste Blatt der französischen Nachkriegsgeschichte, „Le Monde“, das die Traditionen der einst scharf profilierten Zeitung „Le Temps“ übernahm. Auch „Le Figaro“ wurde mit Hilfe einer Ausnahmegenehmi-gung in Paris wieder zum Leben er-

weckt. Die scharfe Konkurrenz brachte es mit sich, daß vieie der im ersten Befreiungsjubel gegründeten Zeitungen und Zeitschriften mangels entsprechender fachlicher Voraussetzungen eingestellt werden mußten. Aber das Zeitungssterben griff wie eine Seuche um sich und vernichtete die Organe der politischen Parteien, unter anderem „l'Aube“, das vielzitierte Blatt der christlichdemokratischen Partei, aber auch die Tageszeitung der Sozialisten mußte aufgegeben werden. Gegenwärtig leistet sich nur noch die kommunistische Partei den Luxus eines täglichen Zentralorgans, das sich dank einem besonderen Vertriebsapparat und zahlreichen Subventionen der Partei über Wasser halten kann.

Nachdem eine gewisse Konsolidierung des Marktes eingetreten war, stiegen die Aktien des Jean Prouvost, eines der mächtigsten Zei-tungsherausgeber vor dem Kriege. Prouvost spielte eine entscheidende Rolle in der Pariser Zeitungswelt bis 1939. So entwickelte er die Abendzeitung „Paris Soir“, deren Auflagenhöhe er in die Millionen steigerte. Unmittelbar nach dem Krieg lancierte er „Paris Match“, das schnell eine besondere Stellung einnehmen konnte. Allerdings hat die Entwicklung des Fernsehens dieser hervorragenden Illustrierten sehr geschadet. Sie verlor innerhalb von 16 Jahren 800.000 Käufer. Dagen konnte die Gruppe Prouvost einen neuen Erfolg mit der Fernsehprogrammzeitschrift „Tele 7 jours“ verzeichnen. Prouvost besaß des weiteren vor nicht allzu langer Zeit die Hälfte der Anteile des „Figaro“. Er geriet aber in Konflikt mit der Redaktion und daraus entwickelte sich eine ernste Gefahr für den

Fortbestand dieses ältesten Blattes Frankreichs.

Nachdem Jean Prouvost, nun schon im Greisenalter stehend (er zählt 91 Jahre), zahlreiche Führungsfehler begangen und bei den Banken große Schuldenlast angehäuft hatte (man spricht von 600 Millionen Francs), und da seine Enkelinnen, die drei gutgehende Frauenzeitschriften der Gruppe leiteten, sich den Anordnungen des alten Mannes immer weniger beugten, wurde dieser gewaltige Zeitungs- und Zeitschriftenkonzern aufgefächert. Ein gewisser Robert Hersant war schließlich der einzige, der als ehrenhafter Käufer der Mehrheitsanteile Prouvosts am „Figaro“, auftrat.

Der Käufer hatte 1950 nahezu ohne Kapital die Wochenzeitschrift „Auto-Journal“ lanciert. Die Formel schlug ein und das Blatt wurde eine angesehene Fachzeitschrift, die weite Verbreitung fand. Anfangs war die Auflage auf 30.000 Exemplare beschränkt. Vier Jahre später erfreute sich das „Auto-Journal“ 300.000 verkaufter Exemplare. Robert Hersant, dem von seinen Gegnern nachgesagt wird, er habe einst das Regime Marschall Petains unterstützt — was nicht unbedingt stimmt — entdeckte nicht nur seine Leidenschaft für das gedruckte Wort, er beschloß auch, in der Politik sein Talent unter Beweis zu stellen. 1956 präsentierte er sich erstmals als Kandidat der Radikalsozialistischen Partei bei Legislativwahlen und gehört gegenwärtig als

Abgeordneter der Gruppe der Reformer an.

1960 übernahm er die Kontrolle einer Zeitung in Nantes und seit 1962 ist kaum mehr zu übersehen, wie weit sein Einfluß in der Provinzpresse reicht. Er scheint ein wahrer Hans im Glück zu sein. Unter seiner energischen Leitung verschwinden die Defizite und es entstehen wirtschaftlich gesunde Lokalblätter, die bei Wahlen für die jeweiligen Kandidaten der Mehrheit von oft entscheidender Bedeutung sind. 1972 erwarb er unter höchst unklaren Bedingungen eine der blühendsten Provinzzeitungen des Landes, „Paris Normandie“. Diese Zeitung erscheint in Rouen, der Stadt in der einst die heilige Johanna verbrannt wurde. Rouens derzeitiger Bürgermeister heißt Jean Lecanuet

und ist sowohl Justizminister wie auch Präsident der Zentrumspartei. Ein weiteres einflußreiches Provinzblatt, der in Lille erscheinende ,.Nord-Eclair“, wurde ebenfalls der Gruppe Hersants eingegliedert. Gegenwärtig zählt dieser Konzern elf Tageszeitungen und zehn Wochenbeziehungsweise Monatsblätter, darunter Fachzeitschriften für die gute Küche, für die Jagd, für den Angelsport. 1975 erwarb er, wie schon eingangs erwähnt, um 70 Millionen Francs die Mehrheitsanteile des „Figaro“. Dabei brachte er zehn Millionen Francs Eigenkapital auf und erhielt Kredite in Höhe von 30 Millionen Francs von verschiedenen Banken, die damit den unausgesprochenen Wünschen des Staatschefs und des Ministerpräsidenten nachkamen.

Als eine weitere wichtige Pariser Tageszeitung, der „France Soir“, zum Verkauf angeboten wurde — das Verlagshaus Hachette wollte das jährliche Defizit von 20 Millionen Francs nicht länger tragen — trat ebenfalls Robert Hersant als Interessent auf. Diese Transaktion durfte am Einspruch der Regierung gescheitert sein, welche die Machtkonzentration des französischen Axel Springer bereits mit einer gewissen Sorge beobachtete. Wie man hört, bestehen jedoch zwischen dem überraschend aufgetretenen Käufer des „France Soir“, einem gewissen Paul Winkler, der sich als Verleger von Jugendzeitschriften einen Namen gemacht hat und Robert Hersant Querverbindungen. Dies läßt vermuten, daß auch der „France Soir“ einmal den Weg in die Familie Her-sants finden wird. Als Bilanz ist daher der Schluß zu ziehen, daß die V. Republik auf dem Gebiet der Massenmedien vor der Bildung von Monopolen steht, die in der Tat die Pluralität der Meinungen in Frage stellen könnten.

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