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Monstermaschinerie
Durch Unterrichtsminister Leopold Gratz’ Erlaß wurden die Bundestheater mit Wirkung vom 1. Juli in den „österreichischen Bundestheaterverband“ umgewandelt. Wie bekannt, wird ein Generalsekretariat, geführt vom bisherigen Stadthallenmanager, Direktor Robert Jungbluth, gemeinsam mit den Direktoren von „Burg“ (Gerhard Kiingenberg), Staatsoper (Professor Rudolf Gamsjäger) und Volksoper (Professor Albert Moser) die Geschicke der Staatstheater lenken. Zugleich stand Minister Gratz vor dem Problem, dem bisherigen Chef der Bundestheaterverwaltung einen „seinen Fähigkeiten als Kulturpolitiker entsprechenden Posten“ anzubieten: Dr. Gottfried Heindl wird nun als „Direktor für kulturelle Angelegenheiten“ allgemeine Koordinationsaufgaben erfüllen, den Bundestheaterverband gegenüber anderen staatlichen und nichtstaatlichen Kultureinrichtungen und gegenüber dem Ausland vertreten und für Public-Relations-Kontakte zu Publikum, Schulen, Organisationen, kurz: für „Werbung aller Art“ sorgen.
Durch Unterrichtsminister Leopold Gratz’ Erlaß wurden die Bundestheater mit Wirkung vom 1. Juli in den „österreichischen Bundestheaterverband“ umgewandelt. Wie bekannt, wird ein Generalsekretariat, geführt vom bisherigen Stadthallenmanager, Direktor Robert Jungbluth, gemeinsam mit den Direktoren von „Burg“ (Gerhard Kiingenberg), Staatsoper (Professor Rudolf Gamsjäger) und Volksoper (Professor Albert Moser) die Geschicke der Staatstheater lenken. Zugleich stand Minister Gratz vor dem Problem, dem bisherigen Chef der Bundestheaterverwaltung einen „seinen Fähigkeiten als Kulturpolitiker entsprechenden Posten“ anzubieten: Dr. Gottfried Heindl wird nun als „Direktor für kulturelle Angelegenheiten“ allgemeine Koordinationsaufgaben erfüllen, den Bundestheaterverband gegenüber anderen staatlichen und nichtstaatlichen Kultureinrichtungen und gegenüber dem Ausland vertreten und für Public-Relations-Kontakte zu Publikum, Schulen, Organisationen, kurz: für „Werbung aller Art“ sorgen.
Zugleich ließ Minister Gratz in aller Eile einen Gesetzesentwurf ausarbeiten, den er bereits am 3. Juli, also eigentlich sehr früh, der Öffentlichkeit präsentierte: „Ich will mir nicht vorwerfen lassen, Meinungen unterbunden m haben“, argumentierte Gratz: „Die Begutachter werden voraussichtlich bis 15. Oktober Zeit zur Kritik haben. Ich glaube aber, mit diesem Entwurf endlich über die skurrile, an Herzmanovsky erinnernde Rechtslage der Bundestheater hinauagekommen zu sein!“ Entscheidender Punkt dieses Gesetzes ist,
• daß der Bundestheaterverband zur Gänze Eigentum des Bundes bleibt und somit aus dem Mini- sterialsystem nicht — wie ursprünglich gefordert — heräusgelöst wird. Das heißt, daß der Unterrichtsmini- eter auch weiterhin sein Weisungsrecht behält, Generalsekretär und Direktoren bestellt und im Einvernehmen mit dem Finanzminister eine wirtschaftliche Kontrollkommission einberuft, deren Urteil ihm freilich letztlich egal sein kann, da im Grunde niemand zur Verantwortung gezogen wird.
• Die Aufgabe des Bundestheaterverbandes ist so definiert, daß die Bundestheater „unter Bedachtnahme auf künstlerische, wirtschaftliche und technische Voraussetzungen sparsam und rationell bei bestmöglichen künstlerischen Ergebnissen (nach internationalen Maßstäben)“ zu führen sind.
• Generalsekretär Junigbluth ist für die zusammenfassende Leitung nach den Weisungen des Ministers, für die Wirtschaftsführung und für das Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und dem Finanzministerium verantwortlich.
Aufmerksame Begutachter dieses Gesetzesentwurfes werden sich freilich fragen, was nach so viel lautstark vorgetragenen Forderungen nach voller Autonomie der Bundes theater, nach „Demokratisierung“ auch auf dem Gebiet der Kunst, hier neu ist! Sie werden kaum wesentliche Punkte finden. Im Gegenteil: dieses Funktionsmodell mit der neuerlichen Eingliederung ins Mini- sterialsystem (das heißt natürlich wieder nur mit beschränkter wirtschaftlicher Autonomie) und mit einem übergeordneten Generalsekretär, der fast alle Verträge „zur Sicherung der Direktoren“ gegenzeichnet, erinnert an alte Hoftheater- intendahzen. Ja, totale Autonomie kann dieses Monsteruntemehmen nach Jungbluth gar nicht erhalten: „Das ist für einen Staatsbetrieb nicht denkbar.“ Aber dafür hat man jetzt beim Thema „Defizit“ wesentlich umdenken gelernt. Was unter früheren Regierungen als untragbares Debakel verurteilt wurde, erfährt heute durch den geschickten Taktiker Jungbluth, Wiens härtest kalkulierenden Theatermanager, eine neue Interpretation: „Entweder leistet sich ein Kulturstaat seine Theater oder nicht! Bei Bibliotheken fragt .auch keiner nach Einspielergebnissen.“
Moderner weil p.-r.-trächtig und werbewirksam, mutet die Bestellung eines Koordinators an. Aber gerade in diesem Punkt hat die Personalpolitik, also die Stellung Dr. Heindls in der Bundestheaterverwaltung, den Ausschlag gegeben. Und fragt man Minister Gratz oder Generalsekretär Jungbluth, was passiert, wenn dieser Gesetzesentwurf im Parlament nicht durchkomme, offenbaren beide die volle Tragweite ihrer Politik: Für diesen Fall genügt nämlich der Ministererlaß vollauf, den Bundestheaterverband so zu führen, wie Gratz es sich vorstellt. Es geht also auch ohne Gesetz. Wie bisher! Das Gesetz ist demnach nur noch die nachträgliche Bestätigung für die Verwirklichung der Pläne des sozialistischen Kulturpolitikers. Daß er sich diese Bestätigung holen will, ist klar, wenn man auch noch erfährt, daß er Theater natürlich auch als Instrument der Kulturpolitik verstanden wissen will: Schon weü „der Staat die Aufgabe hat, bei wachsender Freizeit auch das kulturelle Angebot proportional zu erhöhen“. Und nicht von ungefähr hat Gratz die Stelle eines kulturpolitischen Koordinators geschaffen…
Fazit: ein Gesetz, das legalisieren wird, was auch ohne gesetzliche Verankerung so und nicht anders funktionieren würde, ein Gesetz, das für ein paar Persönlichkeiten maßgeschneidert wurde: zuerst einmal für den hervorragenden Theaterpraktiker Robert Jungbluth, der in Wien das Theater an der Wien und die Stadthalle sanierte, dann für den „Werbetaktiker“ Dr. Heindl, der sich bereits in Wahlen seine Meriten erwarb und für Direktoren, deren Konzepte im Grunde schon bei ihrer Bestellung als bekannt vorausgesetzt werden durften. Sie alle werden die Monstermaschmerie „Bundestheaterverband“ gewiß in Bewegung halten, vielleicht sogar zu. einem modernen Theaterbetrieb umfunktionieren. Aber das Gesetz selbst? Es ist alles andere denn eine Garantie für eine zc itgemäße Methode, Theater zu machen, für eine gerade von links so oft geforderte Demokratisierung in dem als elitär verschrieenen Kulturleben.
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