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Morgens im See

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Meine Sommergegend hat auch einen See. Wenn nur Enten, Seerosen undichinihm schwimmen, nenne ich ihn sogar unverschämterweise „meinen“ See. Er läßt es sich moorig-lächelnd gefallen. Er läßt sich wahrscheinlich noch ganz andere Dinge gefallen als ein bei Schönwetter gut bis bestens besuchter Badesee.

Sie haben ihn gestaut, früher speiste er weiter unten im Tal einen Teich. Der ist heute ausgetrocknet. Schilf, ein paar kleine Weiden und die Namen zweier Häuser erinnern noch daran.

„Mein“ See ist verschwiegen, er wird nichts ausplaudern. Wenn ich meinen morgendlichen Kreis in seine graugrüne Oberfläche schwimme, überläßt er mich nach ein paar Tempi der Gewöhnung an seine kühle Begrüßung großzügig meinen Gedanken.

Spanne aus, Menschenwesen, die Zeit dafür ist da. Du hast Urlaub und du brauchst ihn dringend. Das sagen dir alle, das sagst du dir selbst. Wie hast du die Tage gezählt bis zum' ersten terminlosen Morgen.

Kannst du abschalten? Hat jemand es dich gelehrt oder hat ein glückhafter Umstand es dir einmal beigebracht? Wo sitzt denn bei dir dieser Ab-schalthebel? Oder bedarf es schon eines Reglers mit -Widerstand, geht es nur langsam, Tag nach Tag?

Bist du eine andere, wenn der Kalender Ferien schreit? Nimmst du jemanden anderen als dich selbst mit auf den Tapetenwechselkurs? Löst du dich termingerecht aus den Spannungen, um ja keinen Tag der Entspannungszeit zu versäumen?

Du gehst mit dir selbst auf Urlaub, du hast dich unweigerlich selbst mit im Reisegepäck, du findest dich feuch-telnd auf dem Grund deiner Badetasche oder hängend am Schuhband deiner Wanderstiefel, in jedem Hotelzimmer auf dieser so erreichbar gewordenen weiten Welt stehst du dir unausweichlich selber gegenüber.

Wie geht's dieser noch etwas blaßgesichtigen Person im Freizeitlook, die dir da im Spiegel deiner Ferienunterkunft gegenübersteht? Müde, aber fest entschlossen, sich zu erholen, nicht wahr? Voller Erwartung.

Zwei alte Freundfeinde sind -mitgekommen, zwei gute alte Bekannte. Dein Körper und deine Seele. Anspruchsvolle Gesellen, die beiden. Dem Vernehmen nach konnten sie in letzter Zeit nur das Allernötigst e miteinander besprechen. Zu viel Streß, Alltagshetze, Probleme.

Gib den beiden eine Chance.

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