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Moskaus „Sozialimperialisten“ niemals das Feld überlassen...

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Wenn im Zusammenhang mit der Theorie vom „Stellvertreterkrieg“ im nunmehr dritten indochinesischen Konflikt China als jene Macht genannt wird, die auf der Seite Kambodschas steht, drängt sich die Frage auf, welche Interessen Peking in Südostasien vertritt. Denn kaum hatte die chinesische Volksrepublik mit dem Tod ihrer Gründerfiguren und der Ausbootung der radikalen „Viererbande“ im vergangenen Jahr die schwerste Krise seit ihrer Gründung (1949) überwunden, riß sie, die außenpolitische Initiative in Südostasien an sich. Peking hatte bei diesem diplomatischen Vorstoß ein großes Ziel vor Augen: den Einfluß der Sowjetunion in diesem strategisch so bedeutsamen Raum einzudämmen, die Moskauer „Sozialimperialisten“ niemals die Hegemonie über Asien und den Pazifischen Ozean gewinnen zu lassen! Schließlich war die UdSSR durch den Sieg der Kommunisten in Vietnam dem Vorhaben, Indochina in ihre Einflußsphäre zu manövrieren, einen großen Schritt nähergekommen.

Für China bedeutet eine russische Vorherrschaft auf der Halbinsel die vollständige Umklammerung, nachdem die russische Flotte bereits die Kontrolle über den Westlichen Pazifik gewonnen hat. Hanoi stellte sich jedoch taub, wenn China vor dem russischen Imperialismus warnte. Zudem betrachtet die vietnamesische Führung die neue Richtung in Peking als Abfall vom reinen Maoismus.

In den letzten Wochen war daher genug Zündstoff aufgehäuft, um nach Ansicht mancher Beobachter einen Bruch erwarten zu lassen. Der Meisterstratege in Peking, Teng Hsiao-ping, hatte aber auch hier die Initiative an sich gerissen und mischte begeistert die Karten im spannenden Spiel um die Macht innerhalb des kommunistischen Blocks seit dem Bruch zwischen Peking und Moskau.

Während Moskau für die ASEAN nur negative Kritik äußerte, die in Hanoi ein williges Echo fand, sprach Peking diesem „Verband Südostasiatischer Nationen“ seine Anerkennung aus. China war offenbar nicht unbeteiligt am Sturz des scharfen Antikom-munisten Tanin in Bangkok. Seitdem herrschte Tauwetter. Ein Zeichen dafür war das am 12. Dezember des vergangenen Jahres abgeschlossene Abkommen über den Luftverkehr zwischen Laos und Thailand. Offensichtlich waren die Chinesen am Abbau der Spannungen in der Region interessiert, deshalb ist es kein Wunder, daß sie sich über den ausgebrochenen Grenzkrieg zwischen Vietnam und Kambodscha zutiefst beunruhigt zeigten, beide Seiten zur Aufnahme von Verhandlungen aufforderten und sie zu friedlicher Koexistenz ermahnten.

Dennoch gelten die Sympathien im jüngsten Konflikt den Kambodschanern, eben weil hinter den Vietnamesen die Sowjetunion steht. Kamboscha sollte eigentlich auch der Hauptstützpunkt Chinas in Südostasien sein, da Phnom Penh keine Beziehungen mit Moskau unterhält. Peking versuchte auch auf Grund der unmenschlichen Behandlung des eigenen Volkes Druck auf die kambodschanische Regierung auszuüben, mußte aber von den Machthabern in Phnom Penh vernehmen, daß sie nicht gewült seien, irgendeines Staates Satellit zu werden.

Im Dezember noch weilte der chinesische Vizepremier Tschen Yung-kuei zwei Wochen in Kambodscha, Tengs engster Berater für Südostasien, Hsu Huang, trat sein Amt als Botschafter in Laos an. Der Generalsekretär der KPV, Le Duan, stattete China erstmals nach Maos Tod einen Besuch ab, wobei aber ein Zusammentreffen mit Teng sorgfältig vermieden wurde. Le Duan bedarf noch der Nacherziehung. Tengs Vision überwindet das sture Blockdenken der Kommunisten und umfaßt alle Staaten der Region, die er zu einer stabilen Ordnung führen will.

Die ideologische Grundlage bietet Maos Theorie von den Drei Welten: Die erste Welt umfaßt die zwei Supermächte, Amerika und die Sowjetunion, die unberechtigt nach der Welthegemonie streben; die zweite Welt die Industriestaaten (mit Japan als einzigem Land Asiens); die dritte Welt alle unterentwickelten Länder, als deren Führer China auftritt. Die Theorie verbietet offensichtlich jedes Paktieren Hanois mit Moskau, das nach Tengs Interpretation die größte Gefahr für den Weltfrieden darstellt, die USA erscheinen ihm hingegen kaum als Bedrohung. Hanoi war allerdings nicht ohne weiteres bereit, sich aus Moskaus Umarmung zu lösen, denn es steht dort mit 1,1 Milliarden Dollar in der Kreide.

Das arme China kann solche Offerte niemals ausgleichen. Einen Erfolg erreichte Peking aber zunächst damit, daß Hanoi seine giftige Kampagne gegen die ASEAN, die für die Chinesen eine wünschenswerte Initiative bedeutet, einstellte. Damit waren erst diplomatische Initiativen zwischen den Blöcken möglich geworden.

Welche Rolle kommt den Amerikanern in diesem Spiel zu? Wahrscheinlich sähe es Peking nicht ungern, wenn sie sich an der Eindämmung des sowjetischen Einflusses beteiligen würden. Hanoi wül aber von diplomatischen Beziehungen nichts wissen.

Die Theorie der Drei Welten paßt der heutigen Führung in Peking, weil ihre logische Folgerung ist, daß die Sowjetunion die Weltrevolution verraten hat und alle, die ihrer Linie folgen, als Komplizen gelten zu haben. Die Viet-namesen sind nicht bereit, diesen Schluß zu ziehen. Jetzt, nach dem Krieg mit Kambodscha, erst recht nicht!

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