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Moskaus Strategie in Afrika

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Die Sowjets sind in ihre neue Rolle als Weltmacht offenbar noch nicht ganz hineingewachsen. Ihr Vorgehen ist zuweilen unsicher, manche Initiativen lassen tiefere Einsicht, manche Entscheidungen Konsequenz vermissen. Oft fehlt es augenscheinlich an der Kenntnis der regionalen Gegebenheiten, der wirtschaftlichen, nationalen und kulturellen Voraussetzungen, besonders häufig am Einfühlungsvermögen in die Psyche fremder Völker.

Beobachtungen solcher Art sind geeignet, westliche Politiker zu ermutigen und ihnen die Gewißheit zu vermitteln, daß der Kreml nicht in allen seinen Unternehmungen eine glückliche Hand beweisen wird; sie sollten aber anderseits zu keinem falschen Optimismus Anlaß geben: Moskau wird sich auch durch vorübergehende Mißerfolge keinesfalls von seinen Plänen abbringen lassen.

Das bevorzugte Betatigungs- und Exerzierfeld der Sowjets ist seit einer Reihe von Jahren Afrika. Die zahlreichen Aktionen, deren Zusammenhang oft kaum oder gar nicht erkennbar ist, veranlaßten einige Beobachter, sich die Frage zu stellen, ob die Sowjetunion auf diesem Kontinent überhaupt nach einem Generalplan vorgeht, oder ob in Moskau von Fall zu Fall entschieden wird, wo gerade hineinzustoßen sei.

In einer Studie des Atlantischen Rates der Vereinigten Staaten heben die Autoren vor allem drei Punkte hervor: Erstens stehe fest, daß die UdSSR ihre militärische Überlegenheit für politische Ziele einsetze; zweitens trachte sie danach, überall zur Stelle zu sein, wo das Gleichgewicht der Kräfte ins Wanken gerate, und jedes Vakuum politischer oder militärischer Macht aufzufüllen, soferne es ohne Risiko möglich sei. Sie drohe jedoch in keinem Fall mit einem aggressiven Akt, noch versuche sie, einen solchen auszuführen, wenn ihre militärische Überlegenheit nicht von Anbeginn zweifelsfrei gegeben sei.

Ob sich die Sowjetunion für bestimmte Ziele im Ausland einsetze oder nicht, hänge in erster Linie von den jeweiligen Relationen zur sowjetischen Innenpolitik ab, heißt es weiter in der Studie. Es werden also die möglichen Rückwirkungen auf die Sowjetbürger - und natürüch auf die Bevölkerung der Satellitenstaaten - sorgfältig erwogen, bevor ein Entschluß gefaßt werde. In den Augen der Kremlherren sei die geringste innere Unruhe oder Gärung ein zu hoher Preis für eine auswärtige Unternehmung.

Schließlich wird darauf verwiesen,

daß die Haupttriebfeder der sowjetischen Politik das Sicherheitsbedürfnis sei. Die Moskauer Führungsschicht sei in der Vorstellung verhaftet, daß nur durch ständige Ausweitung ihrer Macht und ihres Einflusses die Sicherheit des Riesenstaates gewährleistet sei und der Westen davon abgehalten werden könne, Initiativen ins Werk zu setzen, die das System von außen und innen erschüttern könnten. Unter diesem Gesichtspunkt sei auch das zunehmende russische Engagement in Afrika zu sehen.

Die dabei verfolgte Strategie läßt sich nicht in wenigen Worten ausdrük-ken. Sie setzt sich vielmehr aus einer größeren Anzahl von Elementen zusammen, deren Bedeutung und Gewicht von Fall zu Fall verschieden bemessen wird.

Solche Elemente sind, einer südafrikanischen Konfliktstudie zufolge: • Die Entfachung und Unterstützung nationaler Befreiungsbewegungen.

Ihr Zweck besteht vor allem darin, das Eingreifen zu rechtfertigen und als Förderung einer gerechten Sache erscheinen zu lassen. Die Erfahrung zeigt, daß solche Argumente nicht nur die kommunistisch beherrschten Völker, sondern auch breite Teile der westlichen Öffentlichkeit überzeugen. • Das Bestreben, die enormen Rohstoffquellen im südlichen Afrika unter eigene Kontrolle zu bringen, was jedoch strikt geleugnet wird. Die Vorstellung, am Ende der im Gang befindlichen Entwicklung werde der Westen, selbst solche Minerahen, die er für seine Rüstung dringend benötigt, von den Sowjets kaufen müssen oder nur mit ihrer Genehmigung erhalten, ist für letztere faszinierend, für die Amerikaner speziell aber schockierend. Eine kleine Probe in dieser Richtung unternahmen die Sowjets, als sie gemeinsam mit Ostdeutschen und Polen wenige Wochen vor der Shaba-Invasion große Mengen Kobalt aufkauften.

Zwar gelang es ihnen nicht, die Kobaltproduktion in der Provinz Shaba auf die Dauer unter ihre Kontrolle zu bringen, falls das ihre Absicht war; aber bis die Werke dort wieder normal arbeiten, ist Kobalt im Westen rar und sehr teuer.

• Der Einsatz der ständig anwachsenden Flotte. Für sie werden sowohl an der atlantischen als auch an der Küste des Indischen Ozeans Stützpunkte benötigt. Sie dient zur Absicherung der Unterpehmungen zu Lande und zur Überwachung der für den Westen lebenswichtigen Schiffahrtslinien -vielleicht besteht ihre letzte Bestimmung darin, jene zu stören und zu unterbinden.

• Der Einsatz von KGB-Beamten. Ihre Einschleusung erfolgt auf dem Wege über die diplomatischen Missionen. Ihre Anwesenheit erleichtert die zentrale Lenkung der geplanten Aktionen von Moskau aus.

• Die Entsendung von Ratgebern, technischem Personal und politischen und militärischen Instruktoren. Diese leisten ihren Auftraggebern erfahrungsgemäß wertvolle Dienste durch die Aufbereitung des Bodens für kommunistische Pläne. Aber sie stehen in viel zu geringer Anzahl zur Verfügung. Ihre Schulung und Ausbildung erfordert viel Zeit, zu wenig vorbereitete Leute aber versagen am Ort ihres Einsatzes in der fremden Umgebung.

• Der Plan, einen Gürtel prosowjetischer marxistischer Staaten quer durch Afrika zu legen. Bei diesem Vorhaben tangierte Moskau in den letzten Wochen die Interessen Frankreichs, die darin bestehen, die frankophonen Länder aus dem Konflikt herauszuhalten.

• Das Festhalten am Fernziel, das Kap der Guten Hoffnung unter sowjetische Kontrolle zu bringen. Mit der Inbesitznahme des Kaps durch die Sowjets oder eine ihnen hörige Macht würde sich das Kräftegleichgewicht entscheidend zu ihren Gunsten verschieben. Die Möglichkeit, die ölroute zu unterbinden und die diversen Güter - besonders die strategischen, auf die der Westen angewiesen ist - abzufangen, wäre eine Trumpfkarte, gegen die die Atlantische Allianz keinen Stich machen könnte.

• Schließlich der sattsam bekannte Einsatz kubanischer Söldner.

Die Vielzahl der Aspekte, Argumente, Rücksichten, Absichten und Nebenabsichten, die gegeneinander abgewogen werden, bevor es zu einer Initiative kommt, erklärt, wie schwer eine solche vorhergesagt werden kann. Es wird demnach auch in Zukunft sehr schwierig sein, Prognosen zu stellen. Vielleicht wird die westliche Seite dennoch langsam hellhöriger. Die erwähnten spektakulären Kobaltkäufe zu ignorieren, war ein Fehler, der sich hätte vermeiden lassen können.

Da die sowjetische Strategie schwer durchschaubar ist, ist es nicht leicht, ihr zu begegnen. Es liegt im Interesse aller westlichen Staaten, in dieser Richtung größere Anstrengungen zu machen. Nach dem letzten NATO-Gip-feltreffen hat es den Anschein, als wäre es wirklich soweit.

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