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Moslem-Abschub nach Pakistan

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In Bosnien-Herzegowina hat das Wolfsgesetz obsiegt. Jeder gegen jeden, heißt die Kampfdevise. Während die serbischen Kriegsherren ihre militärischen Ziele (fast) erreicht haben, kämpfen nun die beiden Verlierer, Kroaten und Moslems, um die Restgebiete: Kein Tag, an dem nicht blutige Zwischenfälle zwischen den einst verbündeten Parteien gemeldet werden.

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In Bosnien-Herzegowina hat das Wolfsgesetz obsiegt. Jeder gegen jeden, heißt die Kampfdevise. Während die serbischen Kriegsherren ihre militärischen Ziele (fast) erreicht haben, kämpfen nun die beiden Verlierer, Kroaten und Moslems, um die Restgebiete: Kein Tag, an dem nicht blutige Zwischenfälle zwischen den einst verbündeten Parteien gemeldet werden.

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Diese Zwischenfalle verschlechtern auch abseits des Kriegsgeschehens das Klima zwischen Kroaten und Moslems zunehmend. Neuerdings stöhnt Kroatien nicht nur über die Last der mehr als 250.000 bosnischen Flüchtlinge im Lande, sondern unternimmt alles, um die mittlerweile ungeliebten Gäste loszuwerden. Seit voriger Woche laufen von kroatischer Regierungsseite Vorbereitungen, mehrere tausend bosnische Flüchtlinge abzuschieben - nach Pakistan!

Die Behörden lösen Flüchtlingslager entlang der dalmatinischen Küste auf und schieben Frauen und Kinder per Flugzeug nach Asien ab. Meist in den Abendstunden, berichten moslemische Flüchtlinge, kommen kroatische Emissäre, die kurzerhand erklären, aus wirtschaftlichen Gründen seien die Campingplätze und Hotels in den nächsten Tagen zu räumen, um sie für die anstehende Sommersaison herrichten zu können.

In dem südlich von Split gelegenen Lager Promajna haben die Kroaten den Flüchtlingen nur eine Nacht Zeit für die „Entscheidung” über ihren künftigen Aufenthaltsort gegeben: Zur „Auswahl” standen das ostslawoni-sche Bilje sowie das pakistanische Peschawar. Den Flüchtlingen im

Lager Makarska wurde die Adriain-sel Otok Mladosti angeboten.

Dabei wußten die kroatischen Behörden genau, daß sie durch die Alternativen die Flüchtlinge am schnellsten loswerden würden. Der kleine Ort Bilje, neun Kilometer nördlich von Osijek, liegt direkt an der Demarkationslinie an der von serbischen Truppen besetzten Gegend von Vu-kovar. Die Adriainsel Otok Mladosti galt in den fünfziger Jahren als kommunistisches „Umerziehungslager”, sprich Arbeitslager, für politische Gefangene. Außer zerfallenen Gefängnisanlagen gibt es dort auch heute weder Vegetation noch Wasser.

Die zweite Vertreibung

Warum gerade Pakistan? Nachdem die meisten europäischen Staaten die Grenzen für bosnische Kriegsflüchtlinge zugemacht haben, sah sich die Regierung in Sarajewo gezwungen, mit Islamabad ein Abkommen über die Aufnahme von Vertriebenen zu schließen. Kroatien bekam davon Wind und will jetzt die Gelegenheit nutzen, die eigenen Flüchtlinge dorthin abzuschieben.

Formal hält sich die kroatische Regierung mit ihrer Abschiebeaktion an die Regeln der Genfer Flüchtlingskonvention. Danach müssen Flüchtlinge innerhalb 24 Stunden ihren Aufenthaltsort wechseln, wenn das Gastgeberland dies als notwendig erachtet.

Daß die Kroaten den Frauen mit dem Verlust des Flüchtlingsstatus drohen und ihnen nicht genug Zeit lassen, um sich mit ihren in Bosnien verbliebenen Männern zu beraten, stört keinen. Weder das Flüchtlingshochkommissariat der UNO noch die europäischen Regierungen kritisierten bisher Agram für die zweite Vertreibung der bosnischen Moslems.

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