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Motive zu einem Film

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Am 15. und 17. Mai wird in FS 2 der Film „Maria Theresia, die Geschichte einer Frau” ausgestrahlt. Das Drehbuch ist mit Materialien zum Film auch als Buch erschienen (österreichischer Bundesverlag Wien). Aus diesem Buch bringen wir, leicht gekürzt, den Beitrag von György Sebestyen: der Autor des Films skizziert die Motive seiner Ar-heit.

Maria Theresia ist die erste von uns als neuzeitlich empfundene politische Persönlichkeit an der Spitze der österreichischen Länder, aber zugleich auch eine Legendenfigur.

Ihr Ehemann ist der erste Spekulant von großem Format im Land, ihr engster Berater der erste österreichische Diplomat von europäischer Größe, ihr Sohn der erste unerbittliche Vertreter der aufklärerischen Philosophie an der Spitze des Staates, ihr Zeitalter ist der Beginn der österreichischen Neuzeit.

Das alles und einiges mehr an Hand der historischen Fakten in einem Film darzustellen ist fast unmöglich. Darstellung erfordert mehr als eine Aneinanderreihung von Dokumenten. Alles sollte der Wirklichkeit möglichst treu und genau entsprechen, sich aber doch nicht bloß in dokumentarischem Geschichtsunterricht erschöpfen oder gar die Prinzipien einer Epoche auf die Normen einer anderen anwenden und dadurch die Motive und das Verhalten vergangener Menschen falsch auslegen. Es sollte das Bild der Wirklichkeit vielmehr auch als ein Gewebe menschlicher Handlungen wiedererstehen, sodaß sich die vielfältigen Abbildungen der historischen Realität zur inneren Wahrhaftigkeit verdichten. Es sollte keine Apotheose entstehen und kein voluntaristi-sches Urteil, sondern das Lebensbild einer Frau, die zur Figur einer Legende geworden ist.

So entwickelte sich auf Grund von Überlegungen und durch Studien des historischen Materials das Lebensbild als ein einziger umfangreicher Monolog. Maria Theresia sollte möglichst mit eigenen Worten die Ereignisse ihres Lebens mitteilen. Und genauso wie die Erinnerung manches verdichtet, anderes versinken läßt, sollte die geschichtliche Wirklichkeit in manchen Szenen emotionell aufgeladene Bilder und Bilderreihen ergeben. Damit stand die Sprache des Films fest: eine Collage aus verschiedenen schriftlichen oder anderswie überlieferten Äußerungen Maria Theresias, ihrer Ratgeber und ihrer Gegner, da und dort mangels originaler Mitteilungen behutsam ergänzt, das sprachliche Material also aus dem 18. Jahrhundert für ein heutiges Publikum verständlich gemacht - zwar einigermaßen altertümlich, aber nicht altertü-melnd.

Sobald die menschliche Figur aus dem Gewebe der Sprache hervorgegangen war, hatte sich auch ihre Erinnerung gleichsam aus eigener Kraft -nach dem uns allen aus praktischen Erfahrungen bekannten Ablauf von Visionen - geordnet: Das Wichtigste trat in den Vordergrund und bildete an entscheidenden Punkten der Krisis und der Erfüllung wiederkehrende Hauptmotive. Die Irritationen der Kindheit werden bei der Verwirklichung der verschiedenen Phasen des Reformwerks wieder wachgerufen; die erste Erschütterung angesichts des unerwarteten und im Streit der Ärzte unerklärt bleibenden Todes FCarls VI. schafft ein aus Angst und Selbstüberwindung gebildetes Gefühls-Schema, das sich beim Tod der Schwiegertochter Isabella und dann beim plötzlichen Dahinscheiden Franz Stephans bemerkbar macht und das eigene Denken an das Sterben am Anfang und gegen Schluß des Lebensberichtes unterschwellig begleitet; der zarte Orangenbaum, der allmählich zur üppigen Reife kommt und dann nach und nach abstirbt und verdorrt, wird zum sichtbaren Symbol der eigenen Vergänglichkeit; die wehmütige Kantate von Antonio Caldara ertönt aus der Erinnerung immer wieder. Auch das Volk erscheint, aus dem Gedächtnis hervortretend, immer wieder: als drohende Masse während der Bauernaufstände, in den Wagenkolonnen der in das entvölkerte Banat ziehenden Siedler und vertriebenen Protestanten und Juden gesichtslos, in der persönlichen Begegnung und im Leiden des Krieges auch individuell erkennbar. Auch an diesem Punkt sollte der von Maria Theresia als schmerzlich empfundene Antagonismus zwischen abstrakter politischer Planung einerseits und dem nackten Leid der Soldaten und Zivilpersonen als Folge solcher Planungen anderseits spürbar werden. Weltgeschichte brennt auf der Haut, ist für Machtlose, die gleichsam nur so im Vorübergehen umgebracht werden, vor allem als mörderische Gefahr erkennbar.

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