7052093-1991_05_04.jpg
Digital In Arbeit

Mozart-Jahr

Werbung
Werbung
Werbung

Die Schrecknisse des Golfkrieges, mit denen dieses Jahr bald nach der Jahreswende eingeleitet wurde, stellen einen Kontrapunkt zum gleichzeitig anlaufenden Mozart-Jahr, das dem Genius des vielleicht Größten der Musikgeschichte, huldigen und Harmonie in unsere Welt zaubern soll, dar. Sie sind geradezu ein Hohn auf die Intentionen dieses Jahres.

Und doch kann man die Sache auch umgekehrt betrachten: das Mozart-Jahr, das uns das unsterbliche Werk eines Gottbegnadeten nahebringen soll, macht deutlich, daß Krieg und Zerstörung, so sehr sie im Augenblick auch wüten, nicht das letzte Wort haben und ontologisch nicht den höchsten Rang einnehmen.

Das Werk Mozarts erfüllt uns vielmehr inmitten der größten Schrecken und Befürchtungen mit metaphysischer Zuversicht. Die Sprache der Musik vermag auch jenen, die - wie Max Weber einmal von sich sagte - „religiös unmusikalisch" sind, das Göttliche, das sich in der Religion in verhüllterer Form kundgibt, zu vergegenwärtigen und zugänglich zu machen.

Denn als was, wenn nicht als Eingebung, die aus der Fülle des Überweltlichen und damit auch Göttlichen schöpft, kann man die Kunst verstehen und ihr gerecht werden? War es etwa nur die Introspektion des eigenen empirischen Ich, die Mozart zu solchen Höhenflügen befähigte?

Oder läßt sich das Höhere der Kunst, wie uns eine armselige materialistische Kunsttheorie glauben machen will, aus den gesellschaftlichen Verhältnissen und Rahmenbedingungen, die widergespiegelt und überwunden werden sollen, ableiten?

So wenig Religion in Kunst aufgelöst werden kann: Sie besitzt in der Kunst eine ver-schwisterte Verbündete und Parallele.

Der große protestantische Theologe Karl Barth hat einmal einen Brief an Mozart ins Jenseits geschrieben und ihm darin angekündigt, daß er, wenn er in die Lage des Aufsu-chens der himmlischen Ewigkeitsgenossen kommen sollte, zuerst Mozart suchen und aufsuchen würde. Er bat seine theologischen Kollegen und Vorbilder für diesen Vorzug, dem er dem Genie Mozarts schon zu Lebzeiten gab, um Verzeihung.

Barth erkannte, daß Mozart wie kaum ein anderer in der Musik-, ja in der Menschheitsgeschichte ein Liebling und Gefäß Gottes war, durch das wir an das der Theologie nur bruchstückhaft zugängliche göttliche Geheimnis, an die beseligende Kraft Gottes in überwältigender Unmittelbarkeit herangeführt werden

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung