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Mozart regiert, brilliert

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Zwei Mozart-Reprisen, die Wiederaufnahmen der nun schon drei Jahre alten Produktionen von Herbert von Karajans und Jean-Pierre Ponelles „Hochzeit des Figaro“ und der „Cosi fan tutte“ des Erfolgsteams Karl Böhm, Günther Rennert und Ita Mo-ximowna bestimmten den Spielplan der zweiten und dritten Woche der Salzburger Festspiele: zwei Aufführungen, die in ihrer Gegensätzlichkeit sehr wohl die Spannweite heute in Salzburg vertretener Mozart-Interpretationen zeigen, aber auch beweisen, daß Dr. Karl Böhm heute wohl der imponierendste Mozart-Dirigent überhaupt ist.

Denn „Cosi“, diese bezaubernde Spielerei zweier Paare um Liebe, Treue und Partnertausch, hat — sehr zum Unterschied zum „Figaro“ — bis heute nichts von ihrer Frische, Eleganz, Koketterie, nichts von ihrem Tempo verloren. Und das vor allem wohl, weil Böhm von Anfang an seine Originalbesetzung, für die Rennert seine Inszenierung schlechthin maßgeschneidert hat, nicht zu ändern bereit war und auch diesmal lediglich Rolando Panerai statt Dietrich Fischer-Dieskau als Don Alfonso akzeptierte. Freilich, das ergab sogar einen Gewinn im Spielteil, denn Panerai, der Italiener mit aller Buffalo-bravour, stellt einen handfest-praktischen Alfonso auf die Bretter.

Die übrige Besetzung ist aber schlechthin der Idealfall eines Mozart-Ensembles: Gundula Janowitz (Fiordillgi), Brigitte Faßbaender (Do-rabella), Hermann Prey (Guglielmo) und Peter Schreier (Ferrando) sind als Liebespaar genau das, was man sich für Mozart wünscht: diskret im lyrischen Timbre, intelligent in der Phrasierung, technisch sicher im Einsatz, warm und strahlend zugleich in der Stimmqualität. Der Trumpf der Aufführung aber ist Reri Grists De-spina: ein luftiges Persönchen, das seinen Koloratursopran mit phänomenaler Brillanz einsetzt. Im ganzen also eine Aufführung, in der Besetzung, Regie, verspielt-kokettes Bühnenbild und Musizieren zu einer Einheit sondergleichen zusammengewachsen sind.

Dasselbe kann man leider von Karajans „Figaro“-Wiederaufnahme kaum behaupten. Gewiß, der Maestro dirigiert dieses Werk heuer mit einer liebenswürdigen Behutsamkeit, wie man sie bei ihm selten erlebt; und er versuchte, gemeinsam mit Ponnelle die drei Jahre dieser Produktion vergessen zu machen, an allen Ecken und Enden neue Gags und Effekte auszuspielen und die Geschichte in brillantem Tempo abschnurren zu lassen. Aber von der originalen Besetzung -mit dem „Wunderteam“ Teresa Stratas (Susanna), Walter Berry (Figaro), Teresa Ber-ganza (Oherubino) sind nur noch der Graf und die Gräfin — Tom Krause und Elisabeth Harwood — übriggeblieben, — zwei Sänger, die übrigens da ebenfalls ausgewechselt gehört hätten, weil sie diesmal den Ansprüchen kaum entsprachen. Statt der internationalen Spitzenbesetzung von einst hat man zwar drei hervorragende Sänger eingekauft, die indes allesamt zu lyrische Stimmen haben, so daß vom frech-amüsanten Charakter der Ponnelle-Inszenierung (die übrigens ihre Mängel nicht abgestreift hat) nicht allzu viel übriggeblieben ist. Mirella Freni hat zum Beispiel nichts von der prickelnden Koketterie der Stratas: Daß sie den Grafen am Gängelbande führt und auch bei der Gräfin ein draufgängerisches Geschöpf ist, das seinen Willen durchsetzt, bleibt bei der Freni verborgen. Jose van Dam verfügt zwar über einen sehr schönen Mozart-Bariton, ist als Figaro allerdings sehr weich und weniger ein Possenreißer als Berry. Und die junge Deutsche Frederica von Stade hat mit einem wundervoll geschmeidigen Stimmaterial, einem prachtvollen Timbre aufzuwarten, aber vom verzogenen Jungen, der an allen weiblichen Röcken hängt, macht sie nicht viel spürbar. — Das übrige Team, das sich seit der Premiere 1972 erhalten hat, hat nichts von seiner Bravour eingebüßt. Micfiel Senechal, Paolo Montarsolo und Jone Berbie sind die richtige Mischung für Ba-silio, Bartolo und Marcellina.

Dennoch: „Figaro“ und „Cosi“ nebeneinander besehen ...? Beides probiert, kein Vergleich!

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