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Müll: Wohin damit ?

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Spricht man mit Experten über Konzepte einer sachgemäßen Entsorgungspolitik, so herrscht Einigkeit über das Grundkonzept: Erster Ansatzpunkt ist die Abfallvermeidung. Das bedeutet zunächst Verringerung der Abfallmenge (siehe Seite 15). Besonderer Anstrengungen bedarf es bei jenen Stoffen, die Probleme bereiten.

Ein typisches Beispiel ist das PVC, ein vielfach verwendeter Kunststoff. Es enthält Stoffe, die langfristig die Leber schädigen. Besondere Probleme bereitet es in Verbrennungsanlagen, wo es zur Entstehung von Salzsäuregas führt. Aber auch Schwermetalle (vor allem Cadmium) gelangen bei der PVC-Verbrennung in die Umwelt.

Daß es Alternativen gibt, zeigt gerade das Beispiel des PVC, das leicht durch unproblematische Kunststoffe ersetzt werden könnte. In der Schweiz hatte sich die Kunststoffindustrie 1985 verpflichtet, innerhalb von drei Jahren den PVC-Anteil im Verpak-kungsbereich um 60 Prozent zu verringern. Tatsächlich wurde dieser Wert sogar überboten. Österreichs Kunststofferzeuger machten sich's leichter: nur 18 Prozent Einschränkung.

Solche freiwillige Beschränkungen (wie auch die kürzlich erfolgte Vereinbarung der österreichischen Umweltministerin mit den betroffenen Herstellern, den Quecksilbergehalt von Batterien zu senken) sind erfreulich. Sie werden jedoch nicht reichen.

Vielfach wird es notwendig sein, Beschränkungen und Verbote für die Verwendung besonders gefährlicher Stoffe zu verhängen — auch gegen den Willen der betroffenen Produzenten. Das wäre schon heute dringend für einige chemische Verbindungen, wie PCB, oder einige Schwermetalle, insbesondere Cadmium, notwendig. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind vorhanden.

Der Einwand, solange im Ausland nichts Entsprechendes geschehe, könne man auch im Inland nichts tun, zieht nicht, wie das Beispiel von Schweden zeigt. Dort wurde die Verwendung von Cadmium untersagt. Die Folge: Es geht auch ohne. Rasche Umstellung ist ja die große Stärke des freien Unternehmertums. Man sollte dieses mehr herausfordern!

Das zweite Standbein einer zukunftsträchtigen Entsorgung ist ein Konzept der Abfallverwertung. Sie kann in dreifacher Form erfolgen: Da ist zunächst die stoffliche Verwertung (Recycling). Sie gelingt umso besser, je spezifischer die Stoffe gesammelt werden.

Sinnvollerweise gut es, bei den Stoffen anzusetzen, die mengenmäßig am meisten ins Gewicht fallen. Beim Haushaltsmüll sind das: Papier, Glas und Textilien. Mit etwas über 30 Prozent Anteil am Hausmüll kommt dem Papier besondere Bedeutung zu. Es wird derzeit schon relativ gut durch Sammlungen erfaßt.

Dieses System ist jedoch durch eine extrem labüe Marktlage beim Altpapier gefährdet. So hat zum Beispiel der Arbeiter-Samariterbund im Frühjahr 1988 den kostenlosen Abtransport von Altpapier wegen der gesunkenen Preise eingestellt.

Die Labilität der Preise ist darauf zurückzuführen, daß die Zahl der Abnehmer von Altpapier klein und ihre Marktmacht daher groß ist. So hatte beispielsweise 1986 ein Uberangebot von vier Prozent einen Preisverfall von 60 Prozent zur Folge.

Weniger Altpapierimporte

Dabei ist der Altpapierbedarf in Österreich beachtlich. Dies wird an den 500.000 importierten Tonnen von Altpapier deutlich. Diese Importe setzen den Inlandsmarkt wiederum unter Preisdruck.

Hier wird deutlich, daß eine Systemänderung angebracht ist, die dem inländischen Altpapier Konkurrenzvorteile und einen sicheren Absatz gewährleistet. Denn die Sammlung von Altpapier erfüllt ja eine Doppelfunktion: Sie liefert Rohstoffe und sie verringert das Deponievolumen beachtlich.

Auch die Sammlung von Altglas funktioniert relativ gut, wird jedoch in Zukunft durch den wachsenden Anteil von Braunglas voraussichtlich in drei Fraktionen (weiß, grün, braun) erfolgen müssen.

Kompostierung forcieren

Das Recycling von Kunststoffen ist auch möglich, scheitert derzeit aber an der Wirtschaftlichkeit. Einerseits sind die Erdölpreise zu niedrig und die Kosten der Reinigung und Sortierung der Kunststoffe zu hoch. Andererseits eignen sich die meisten Kunststoffe dank ihres hohen Brennwertes gut zur thermischen Verwertung.

Diese ist nämlich der zweite Ansatz zur Weiterverwertung von Abfällen. Die Verbrennung bringt folgende Vorteile: Sie verringert das Volumen des Mülls, nützt die im Abfall enthaltene Energie und produziert relativ gut deponierbare Schlacke.

Um die Verbrennung möglichst sinnvoll zu gestalten, sollten nur energiereiche und wenig vergiftete Stoffe, die weder für ein Recycling noch für die Kompostierung geeignet sind, zugeführt werden.

Und damit ist auch schon das dritte Verfahren, das der biologischen Verwertung, angesprochen. Hier ist ein weiterer Ansatz zur deutlichen Verringerung des abzulagernden Hausmülls gegeben, der zu 30 Prozent aus verrottbaren Küchenabfällen besteht. Auch sie sollte man gesondert erfassen, um die Kontamination des Biomülls mit Problemstoffen zu verhindern.

Diese biologische Müllverwertung könnte einen wertvollen Rohstoff für die Bodenverbesserung liefern und beachtliche Mengen von importiertem Torf ersetzen. Die Kompostierung müßte ebenso wie die Müllverbrennung dezentral erfolgen.

Es gilt also, das passende Verfahren für den passenden Abfall anzuwenden. Deponiert werden sollte dann nur jener Rest, der nicht einer besseren Verwertung zugeführt werden kann.

Für die Deponierung dieses Restes gibt es mittlerweile strenge Richtlinien: Es muß gewährleistet sein, daß der Standort kein nutzbares Grundwasser gefährdet. Weiters ist eine doppelte Isolierung vorzusehen: undurchlässiger Boden (Lehm etwa) und künstliche Abdichtung (siehe Seite 13). Eingerichtet werden muß auch ein Entwässerungssystem, das gewährleistet, daß das Regenwasser und—im Falle einer Panne — Verunreinigungen nicht versik-kern, sondern abrinnen. Deponien sollten daher ein Gefälle aufweisen, um das Abrinnen zu ermöglichen. Das bedeutet, zukünftig Deponien in Hanglagen und nicht in Gruben anzulegen.

Der abgelagerte Müll sollte bestimmte Qualitätsmerkmale haben. Der auf Müllfragen spezialisierte Ziviltechniker Josef Ring-hofer spricht von „erdkrustenähnlich“ in der Konsistenz: also Müll, bei dem keine Abbauprodukte auftreten, die die Abdichtung angreifen könnten oder Gase erzeugen.

Mit einem Wort: Theoretisch ist alles klar. Jetzt gilt es, das gute Konzept zu verwirklichen.

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