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Müllverbrennung -Vorsicht heiß!

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Produziert die Firma Siemens am Markt vorbei ? Der Konzern sitzt auf einem patentierten Mulher-schwelungsverfahren samt Anlage und findet niemanden, der sich für diese Variante der Entsorgung interessiert. Ein umweltschonendes Verfahren zur weitgehenden Vernichtung des Restmülls, der bei aller Mullvermeidung, -trennung und Wiederverwertung übrigbleibt, verstaubt in den Schubladen der Techniker.

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Produziert die Firma Siemens am Markt vorbei ? Der Konzern sitzt auf einem patentierten Mulher-schwelungsverfahren samt Anlage und findet niemanden, der sich für diese Variante der Entsorgung interessiert. Ein umweltschonendes Verfahren zur weitgehenden Vernichtung des Restmülls, der bei aller Mullvermeidung, -trennung und Wiederverwertung übrigbleibt, verstaubt in den Schubladen der Techniker.

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Den Politikern sind sämtliche Variationen zur thermischen Müllbehandlung (Verbrennung oder Ver-schwelung) zu heiß: die Bevölkerung blockt ab, Politiker fürchten um Stimmen. „Man muß sich höheren Ortes endlich einmal klar werden, ob man etwas tun will oder nicht", fordert Erik Kieseberg von der Firma Siemens. Seit zwei Jahren ist das Schwel-Brenn-Verfahren von Siemens serienreif (vergleichbar dem „Wirbelschichtverfahren" der SGP). Zuerst wird der Restmüll verschwelt, also wie in einem Kohlemeiler unter Sauerstoffabschluß in einer beheizbaren Trommel erhitzt. Dabei werden die Wertstoffe des Mülls (Eisen, Aluminium, Glas und Keramik) gereinigt und ausgefiltert.

Übrig bleiben zwei homogene Brennstoffe, Schwelgas und Kohlenstaub, die bei 1.300 Grad Celsius verbrannt werden. Aus der Brenn-

kammer tritt flüssige Schlacke aus und verglast beim Abkühlen zu einem umweltneutralen Granulat. Die Schadstoffe sind nicht auswaschbar eingebunden. Der besondere Vorteil, laut Siemens: auch bei der abschließenden Rauchgasreinigung fallen keine giftigen Filterstoffe an.*

So sauber allerdings kann kein thermisches Müllbehandlungsverfahren sein, daß nicht die Bevölkerung gegen Bauvorhaben Sturm läuft. Doch auch Experten sind sich einig, daß der verbleibende Restmüll dringend behandelt gehört, bevor kostbarer Deponieplatz in Anspruch genommen wird. Gerd Walter, Leiter der Umweltservicestelle der Stadt Stockerau in Niederösterreich: „Wir versuchen auch bei uns die Gespräche langsam in Richtung Müllverbrennung zu bringen, aber momentan ist die Zeit dafür noch nicht reif."

Mangelndes Vertrauen

Stockerau würde sich durchaus als Standort füreine Müllverschwelungs-anlage Marke Siemens eignen, wie Walter zugibt, oder auch Mistelbach. Das Freizeitzentrum und Hallenbad in Stockerau etwa könnte die bei dem Verfahren entstehende Wärme abnehmen. Die Politiker jedoch, so der Vorwurf von Walter, schieben die Entscheidung dafür oder dagegen vor sich her: „Das mangelnde Vertrauen der Öffentlichkeit haben Politiker durch Fehlverhalten in der Vergangenheit, durch zu wenig Offenheit in

heiklen Umweltfragen selbst verschuldet."

Stimmt das, Frau Umweltministerin? Ruth Feldgrill-Zankel wehrt vorsichtig ab: „Ich will die Vergangenheit nicht beurteilen, und schon gar nicht jene, die da agiert haben dabei. Das steht mir nicht zu." Aber ihre Vorstellungen scheinen genau diesen Vorwürfen Rechnung zu tragen: „Mir geht es um die Zukunft. Deshalb bemühen wir uns so um diese Umweltverträglichkeitsprüfung unter Einbindung der Bürger. Mit der Information und dem Gefühl, nicht aus

Angst abwehrend reagieren zu müssen, kann der Bürger in die Verantwortung miteingebunden werden."

Dabei kann sich Feldgrill-Zankel durchaus auch thermische Verfahren zur Beseitigung des Restmülls ineiner langen Kette der Müllbehandlung und -Vermeidung vorstellen. Also kein absolutes Veto zur Müllverbrennung aus dem Umweltministerium? Die Ministerin: „Ich schließe nicht aus, daß, wenn alle anderen Prinzipien des Abfallwirtschaftsgesetzes gegriffen haben, eine thermische Behandlung anzuwenden sein wird." Abhängig ist

das allerdings, so Feldgrill-Zankel weiter, von dem Ausgang zweier Studien aus dem Umweltministerium, die den „rationalen Zugang" zu dem Problem ermöglichen sollen.

„Da sag ich Ihnen jetzt, es ist für mich einfach eine Frage des Abwägens der Umweltbelastungen der einen oder anderen Methode und nicht eine Frage des Glaubensbekenntnisses, wie diese umweltfreundliche Endentsorgung funktionieren soll." Härtere Forderungen daher auch für den Bürger: „So bitte, Bürger, es genügt nicht, daß du brav getrennt sammelst und jeden Kompost kompostierst und jedes Altpapierfuzerl natürlich sammelst. Du darfst da nicht aufhören, sondern mußt dir etwas für den Endpunkt der Müllkette überlegen."

Die Zeit drängt

Die Zeit drängt auf jeden Fall. „Es geht mir um eine offensive Vorgangsweise. Im Abfallbereich ist für überhaupt nichts mehr Zeit.Wir haben immer noch die Exporte von gefährlichem Abfall, auch wenn sie noch so restriktiv und streng gehandhabt werden. Ich glaube, daß wir da durchaus eine Verantwortung im eigenen Land auch wahrnehmen müssen."

Ein Einzugsgebiet von Wiener Neustadt, also zirka 150.000 Einwohner, würden das Siemens-Verfahren rentabel machen. Zumal die Anlage jede Art von Problemmüll schluckt. Von Altbatterien bis zum Klärschlamm.

Seit 1988 ist in Ulm/Wiblingen in Deutschland eine Pilotanlage in Betrieb. Der deutsche TÜV hat - so wirbt Erik Kieseberg von Siemens -auch die ökologischen Vorteile bestätigt. In Österreich jedoch will sich noch kein Entscheidungsträger an der Müll verbrennung die Finger verbrennen. Der Bürger ist mißtrauisch.

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