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Mütter—T öchter Oft Spannungen

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Das Verhältnis zwischen Müttern und Töchtern ist bis heute — sogar für die Frauenbewegung — ein Tabu geblieben. Weil es so frei ist von Konflikten? Im Gegenteil. Eine erstmals in Österreich durchgeführte empirische Studie hat dies eindeutig nachgewiesen.

Die Autorin der Studie, Dozentin Ruth Wodak, ließ von dreizehnjährigen Buben und Mädchen in zwei AHS-Klassen und in je einer Hauptschulklasse A- und B-Zug sowie in einem Institut für sozial gestörte Kinder Aufsätze zum Thema „Meine Mutter und ich" schreiben. Den Kindern war zugesichert worden, daß nur Ruth Wodak die Aufsätze lesen und Rechtschreibfehler nicht beachten würde. Es folgten Kurzinterviews mit den Mädchen, Tiefeninterviews mit den Müttern einiger dieser Mädchen. Die Ergebnisse waren zum Teil verblüffend.

Aus den insgesamt 104 Aufsätzen der Dreizehnjährigen aus allen sozialen Schichten und mit den verschiedensten Familiensituationen ging eindeutig hervor, daß zwar 85 Prozent der Buben eine positive Beziehung zu ihrer Mutter darstellen, aber 69 Prozent der Mädchen eine negative. Aufschlußreich war dabei auch die Art der Darstellung, sowohl in sprachlicher wie in inhaltlicher Hinsicht.

Fast alle Buben schilderten einen Tagesablauf, in dem die Mutter mit ihren „Dienstleistungen“ in einfachen und nüchternen Worten („meine Mutti weckt mich auf“, „in der Küche wartet das Frühstück auf mich“, „ich nehme mein Mittagessen ein“) vorkommt; obwohl die Beziehung zur Mutter kaum besprochen wird, strahlen die Aufsätze der Buben ein durchaus harmonisches Zusammenleben zwischen Mutter und Sohn aus.

Dagegen schrieben die meisten Mädchen Besinnungsaufsätze, in denen Konflikte und Aggressionen mit vielen Eigenschaftswörtern gespickt („unerträglich“, „schreit dauernd“) grundsätzlich erörtert werden. Der Tagesablauf spielt hier keine Rolle.

Ein wichtiges Ergebnis erbrachten die Tiefeninterviews als Ergänzung zu den Aufsätzen und den Kurzinterviews mit den Mädchen: Das harmonische Verhältnis zwischen Müttern und Söhnen und das gespannte zwischen Müttern und Töchtern enyies sich als unabhängig davon, ob die Mütter Hausfrauen, berufstätig oder gar alleinstehend sind.

Auch alleinstehende, berufstätige Mütter scheinen zu einer entspannten Beziehung zu ihrep Söhnen fähig, hingegen finden selbst keineswegs gestreßte Mütter mit ihren Töchtern anscheinend oft zu keinem konfliktfreien Verhältnis. Ausschlaggebend für die Beziehung der Mütter zu ihren Töchtern ist — das ging aus den Tiefeninterviews klar hervor —, wie zufrieden die Frau mit ihrer Rolle als Ehefrau, als Mutter, als Hausfrau oder als Berufstätige und als Frau in der Gesellschaft ist.

Warum wirkt sich die Unzufriedenheit von Müttern für Töchter so viel negativer aus als für Söhne? Mädchen entwickeln — wie die Buben auch — im ersten Lebensjahr eine besonders intensive Beziehung zur Mutter. Gleichzeitig stellt die Mutter für das Mädchen die Identifikationsperson als Frau dar. Die später unbedingt notwendige Trennung und Loslösung von der Mutter gestaltet sich daher für Mädchen erheblich schwieriger als für Buben, deren Identifikationsperson der Vater ist.

Diese an sich schon zwiespältige Beziehung zur Mutter ist für die Mädchen von heute noch komplizierter geworden. Da viele Frauen den Konflikt zwischen traditioneller und emanzipierter Frauenrolle nicht bewältigen können, fällt es Mädchen zunehmend schwer, in ihnen ein Vorbild als Frau zu sehen.

So entsteht ein Teufelskreis von nicht ausgetragenen Konflikten, verdeckten Aggressionen, ungelösten Identitätsproblemen und — als Folge von allem — Schuldgefühlen.

Ist nicht die gesamte Gesellschaft mitverantwortlich dafür, daß dieser Kreis endlich durchbrochen wird?

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