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Pokern in der Steinzeit

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Die erste Runde im Parteien-Poker um den neuen ORF-Generalintendanten ist vorbei, nun werden die Karten neu Temischt. An der Ausgangslage lat sich wenig geändert: hier der SPÖ-Favorit Gerhard Zeiler, mit dem zudem noch die mächtigsten Medienmacher - von dem nach Österreich drängenden RTL-Imperium bis zur „Krone" - sympathisieren, da Johannes Kunz, der sich als Informationsintendant nicht nur Freunde gemacht hat.

Was bisher geboten vmrde, paßt tatsächlich eher zu einer Poker-Partie als zur Wahl des ersten Mannes im wichtigsten Massenmedium des Landes: Da ist einmal der Bluff vom erfolgreichen Mediemnanager Gerhard Zeiler. Selbst das sonst so sehr auf genaue Recherchen bedachte „profiT" gesteht ihm „erfolgreiche Jahre im deutschen Privatfernsehdschun-gel" zu. Die Fakten: der Kommerz-TV-Sender Tele 5 mußte Ende 1992 mit rund fünf Milliarden Schilling Verlust den Betrieb einstellen (FURCHE 8/1994). Von 1990 bis 1992 war Zeiler verantwortlicher Geschäftsführer. Und RTL-2, wo er nun tätig ist, sendet erst seit 1993 - zu kurz, um Erfolg oder Mißerfolg zu beurteilen.

Geblufft wird auch mit der „parteipolitischen Unabhängigkeit ‘ der Kandidaten. Wobei der vormals „streichelweiche" Kunz glaubhaft argumentieren kann, sich vom Sau us zum Paulus gewandelt zu haben: niemand hätte ihm wohl zugetraut, dem vehementen Wurisch seiner eigenen Partei, der SPÖ, den Weg für Zeiler freizumachen, zu wdder-stehen. Wenn Zeiler allerdings beteuert, daß es keine Absprachen mit Parteisekretariaten gebe, dann ist entweder er naiv, oder er hält seine Zuhörer für naiv.

Ob es zu weiteren Absprachen ~ neben der Fixierung der SPÖ und der Grünen auf Zeiler sowie der ÖVP und der FPÖ auf Kunz -kommen wird, werden die nächsten Tage zeigen.

Gut möghch, daß SPÖ und ÖVP nach den Landtagswahlen am 13. März näher zusammenrücken und sich auf ein gemeinsames „Personalpaket" einigen. Damit wäre aber eine neue demokra-tie- und medienpolitische Steinzeit eingeleitet, der ORF in einer Situation wie in den sechziger Jahren, vor der Ära Bacher und dem Rundfunkvolksbegehren.

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