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Muse unter freiem Himmel

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Wie das Bundesministerium für Unterricht in diesen Tagen bekanntgab, werden Festivalneugründungen in Zukunft in Österreich nicht mehr auf Subventionen hoffen dürfen. Derzeit werden 72 Fest- und Sommerspiele in 56 Orten Österreichs subventioniert, die finanzielle Situation ist oft mehr als schwierig.

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Wie das Bundesministerium für Unterricht in diesen Tagen bekanntgab, werden Festivalneugründungen in Zukunft in Österreich nicht mehr auf Subventionen hoffen dürfen. Derzeit werden 72 Fest- und Sommerspiele in 56 Orten Österreichs subventioniert, die finanzielle Situation ist oft mehr als schwierig.

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Rings im ganzen Land bietet sich dem Kulturhungrigen eine bunte Fül­le von Veranstaltungen, die für jeden Geschmack (und jede Brieftasche) et­was bereithält. Der Bogen reicht von finanzaufwendigen Festspielen, die sich mit dem Glanz internationaler Staraufgebote schmücken, bis zu sommerlichen Freilichtaufführungen in romantischen Schloßhöfen oder vor stimmungsvollen Barockfassaden, die in der Hauptsache mit dem Eifer und Einsatz der veranstaltenden Ge­meinden stehen und fallen/

Das Angebot dieser „kleinen Som­merspiele“ ist erstaunlich groß. Prak­tisch in allen Bundesländern, wo nicht „große“ Festspiele in Szene gehen, vermitteln Spielgruppen, ob mit be­rufsmäßigen oder Laiendarstellern, den Hauch der Bretter, die die Welt bedeuten. In Niederösterreich etwa haben sich Perchtoldsdorf, Stockerau, Schwechat, Neulengbach, Carnuntum und Melk zu beliebten und vielbe­suchten Spielstätten gemausert, eben­so Schloß Laxenburg und das schon zu Oberösterreich gehörende Grein.

In der Steiermark finden - beson­ders auch in der Umgebung von Graz - allsommerlich Schloß- und Burg­spiele statt wie beispielsweise die Arn- felser und Reintaler Schloßspiele, die Burgspiele Stubegg und die Wildoner Schloßbergspiele.

In Oberösterreich hat sich bei den Sommerspielen Meggenhofen das „Theater im Bauernhof“ etabliert, in Tirol laden die Schloßschauspiele Rattenberg, heuer zum ersten Mal die Tiroler Volksschauspiele in Hall und eine ganze Reihe von Veranstaltungen in den Dörfern Kunstfreunde aus nah und fern ein. In Kärnten schließlich ist Schloß Porcia bei Spittal an der Drau ein seit Jahren bewährter und beliebter Fixpunkt sommerlichen Theaterlebens.

Weit weniger jedoch wurde bisher der finanziellen und organisatori­schen Situation der kleinen Sommer­theater Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl sie nicht zu übersehende kul­

turpolitische Akzente setzen. Mit wel­chen Problemen und Nöten haben In­tendanten und Leiter von Sommer­spielen zu kämpfen, welche Intentio­nen verfolgen sie?

Wie eine Umfrage zeigte, kämpfen sie alle mehr oder weniger mit finan­ziellen Schwierigkeiten, sind ob der meist unzulänglichen öffentlichen Verkehrsverbindungen wesentlich auf autofahrende Besucher angewiesen und vom „good will“ der Gemeinde­väter abhängig.

Trotz eminenter Preissteigerungen stand den Spielleitern in der Mehrzahl nur das „eingefrorene“ Budget des Vorjahres zur Verfügung. Wie Beter Wolsdorff, seit vier Jahren Leiter der Spiele im altrömischen Amphitheater von Carnuntum, berichtet, liefen etwa die Vorbereitungen für die heurige Aufführungsserie von Kotzebues

„Der Rehbock“ auf das Risiko der Gemeinde, da das Budget für dieses Jahr erst jetzt genehmigt wurde.

Eine vorübergehende „Kreditsper­re“ traf auch die Melker Sommerspie­le in der heurigen Saison. Laienspiel­gruppen wie beispielsweise bei den Wildoner Schloßbergspielen in der Steiermark sind besonders schlecht dran. Sie sind großteils auf Spenden angewiesen, und bekommen auch kleine Subventionen vom Land, nicht aber vom Bund. Kostüme und Deko­rationen werden in Eigenregie herge­stellt.

Bahn- und Busverbindungen zu den einzelnen Spielorten sind in der Regel äußerst unzureichend. Von Carnun­tum und Melk etwa gehen nach Vor­stellungsende keine Züge mehr nach Wien. Befürchtete Auswirkungen der erhöhten Benzinpreise - verschärft durch Schlechtwetterperioden - las­sen sich noch nicht feststellen, da die Spielsaison in vollem Gang ist.

„Bei trübem Wetter überlegen es sich die Leute allerdings, bis nach Melk zu fahren und das Risiko einer verregneten Vorstellung in Kauf zu nehmen“, ortet Peter Janisch, Inten­dant der Melker Spiele, eine stärkere Preisbewußtheit beim Publikum. Ähnliches weiß Herbert Wochinz, Leiter der Komödienspiele auf Schloß Porcia in Spittal an der Drau, zu be­richten. „Die Leute sind ganz allge­mein mit dem Geld vorsichtiger ge­

worden, unsere Eintrittspreise dürften nicht mehr steigen.“

Weniger wirkt sich das Manko schlechter Verkehrsverbindungen bei Spielorten wie Laxenburg und Perch­toldsdorf aus. „Der Laxenburger Park als Erholungszentrum und die Perchtoldsdorfer Heurigen locken vie­le motorisierte Besucher an, die dann auch unser kulturelles Angebot nüt­zen“, zeigt sich Jürgen Wilke, der für die Spiele in Perchtoldsdorf, Stocker­au und Laxenburg verantwortlich zeichnet, mit den Zuschauerzahlen zufrieden.

Was die Programm- und Spielplan­gestaltung betrifft, sind sich alle Lei­ter darin einig: das Publikum will Un­terhaltung und bevorzugt bewährte Stücke bekannter Autoren. Experi­mente sind beim Sommertheater nicht gefragt. Dazu kommen noch die oft spezifische Beschaffenheit des Spiel­platzes und die besonderen Anforde­rungen des Freilichttheaters, die der Stückauswahl bestimmte Grenzen set­zen.

In Melk etwa legen Schlößl, Treppe und Park Rahmen und Stil der aufge­führten Werke fest. Grundintention der Spiele ist es, wie Peter Janisch aus­

führt, „die besten Autoren der Weltli­teratur mit ihren besten Komödien“ zur Aufführung zu bringen. So um­faßt der Spielplan den romantischen und anglikanischen Formenkreis und klassische österreichische Komödien.

Ein Experiment, Hofmannsthals schwieriges Stück f,Der Turm“ zu spielen, erwies sich als schlechtester Publikumserfolg in 21 Jahren. „Bei den Sonntagsvorstellungen sind-fast 60 % der Besucher Einheimische aus der näheren und weiteren Umgebung, die früher kaum ins Theater gingen“, weist Janisch auf neu gewonnene Pu­blikumsschichten hin.

Klassische Komödien „zur Unter­haltung und Erbauung“ ist auch das Motto der Spiele im Schloß Porcia. Etwa 50 Prozent der Zuschauer sind Kärntner, der Rest vor allem Wiener, Deutsche und Holländer. „Die Leute möchten unbeschwerte Stücke se­hen“, faßt Herbert Wochinz die Pu­blikumswünsche zusammen. Zu 90 Prozent zufrieden zeigten sich auch die Besucher der Carnuntum-Spiele mit dem Angebot heiterer Stücke bei einer Umfrage vor zwei Jahren.

Anspruchsvolles Unterhaltungs­theater zu bieten ist die Intention der Perchtoldsdorfer Sommerspiele. Ein

Alternativprogramm mit seltener ge­spielten Stücken wird in Stockerau ge­boten. In Laxenburg soll, so Jürgen Wilke, künftig unterhaltsames Volks theater gespielt werden.

Die Nestroy-Spiele auf Schloß Rothmühle bei Schwechat, die heuer zum neunten Mal in Szene gehen, ha­ben sich ganz der Nestroy-Pflege ver­schrieben. Man bemüht sich, wie der Leiter Walter Mock betont, um unbe­kanntere Werke des Dichters und ver­sucht auch, die Stücke durch Anspie­lungen auf gegenwärtige Ereignisse, Politiker und ähnliches zu aktualisie­ren. Etwa 70 Prozent der Besucher sind junge Leute zwischen 18 und 30 Jahren, davon der Großteil Wiener.

Um anspruchsvolle Unterhaltung mit kritisch-satirisehen Stücken be­müht sich die Spielgruppe der Wildo­ner Schloßbergspiele. So werden heu­er drei Einakter von Herrand von Wildon aufgeführt. Im Vorjahr stand ein selten gespielter Anzengruber auf dem Programm.

Auch das seit 1969 in Meggenhofen (Oberösterreich) bestehende „Theater im Bauernhof“ bietet eine Stückpalet­te mit bewährten Namen von Goldo­ni, Grillparzer bis Anzengruber und

Shaw. Auch hier stellt man eine Strukturänderung der Besucher fest. Überwog früher das städtische Publi­kum, so kommt jetzt der Großteil aus der Umgebung, „Leute, die früher kaum in ein Theater gingen“, wie Al­fred Voithofer, Verantwortlicher der Spiele, betont.

Im Hinblick auf die finanziellen Er­gebnisse, die Personalnot und die be­scheidenen Mitteln der „kleinen Som­merspiele“ wurde wiederholt der Ruf nach Kooperation und Programm­koordinierung laut. Wie stellen sich nun die Spielleiter und Intendanten zu dieser Frage?

Der allgemeine Tenor geht dahin, daß eine Kooperation, etwa bei Ko­stümen und Bühnenbildern, in den meisten Fällen nicht realisierbar wäre und kaum Einsparungen mit sich brächte. Soweit es Stücke und Auf­führungstermine betrifft, bemüht man sich um Absprachen und Abstimmun­gen, in Niederösterreich gibt es dafür bei der Landesregierung eine eigene Stelle. Eher läßt sich eine Koordinie­rung bei Ankündigungen, Plakaten und Programmen denken, zum Teil ist sie sogar schon realisiert, beispiels­weise bei den Plakaten für Melk, Schwechat und Grein und mit dem. Plakat des „Niederösterreichischen Theatersommers“.

Nach besonderen Wünschen und Anliegen befragt, gilt eine der Haupt­sorgen der Spielverantwortlichen der

wirtschaftlichen Lage. „Die Leute sol­len sich weiterhin einen Theaterbe­such leisten können“, formuliert Al­fred Voithofer (Sommerspiele Meg­genhofen) den Stoßseufzer aller Spiel­leiter. Mehr Aufmerksamkeit seitens des Bundes wünscht sich Gerda Kli­mek, Leiterin der Spiele in Wildon, endlich „gleichbehandelt wie Profes­sionelle" werden möchte Walter Mock mit seinem Amateurensemble in Schwechat, dessen Aufführungen weder im „Niederösterreichischen Theatersommer“ noch in der Pro­grammvorschau im Rundfunk ange­kündigt werden.

Für ein besseres Verständnis der Sommerspiele, „die nicht immer mit dem Anspruch von Burgtheaterlei­stungen beurteilt werden sollten“, ap­pelliert Peter Wolsdorff (Carnuntum- Spiele) an allzu strenge Kritiker.

Mit der Sommerzeit unglücklich zeigt sich Jürgen Wilke. „Um 20 Uhr ist es noch hell, sodaß wir schwer spie­len können. Beginnen wir aber später, kommen die Leute nicht“, präzisiert er das Handikap des Theaters im Freien. Er hat bereits große Pläne für die nächste Saison. So soll Stockerau mit den Festspielen von Andernach am Rhein fusioniert werden, wobei ein österreichisches Ensemble einen Monat in der Bundesrepublik und ei­nen Monat hierzulande spielen soll.

Programmpläne schmiedet man auch in Melk und Porcia. Im Pro­grammkonzept noch fehlende Stücke etwa von Nestroy oder Lope de Vega zu bringen wünscht sich Peter Janisch für Melk, Herbert Wochinz hofft, noch viele klassische Komödien für den deutschen Sprachraum zu entdek- ken. Eine dieser Entdeckungen spani­scher Provenienz wird gerade für das nächste Jahr übersetzt und bearbeitet.

Obwohl also diese „kleinen Som­merspiele“ mit Schwierigkeiten ver­schiedenster Art, angefangen von den finanziellen Hürden bis zu Personal­fragen - müssen doch in vielen Fällen jedes Jahr neu Bühnenarbeiter und Requisiteure aufgenommen werden - zu kämpfen haben, sind alle, ob Ama­teure oder Berufsschauspieler, mit Ei­fer und Einsatz bei der Sache. Die ei­gentliche „Saure-Gurken-Zeit“ des Theaters wird durch diese Aktivitäten zu einem regelrechten Theatersommer umgewandelt, dessen kulturpoliti­scher Anspruch weithin auf niveau­volle Unterhaltung abzielt. Und die­ses Bemühen, weg von reinen Touri­stendarbietungen und Bauernspekta­keln solides, gediegenes Theater zu machen, sollte.nicht unbedankt blei­ben.

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