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Musik im Bild — für morgen

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Mit dem Publikum von morgen, also mit der Jugend von heute, beschäftigte sich der 10. Internationale Kongreß der IMZ, der in Salzburg stattfand. Die jedes dritte Jahr in Salzburg abgehaltenen Kongresse sind die einzige Gelegenheit, Fernseh-Musik- produktionen auf dem Gebiet der Fernsehoper, des TV-Konzerts, der Reportagen usw. aus aller Welt zu sehen und dabei internationale Vergleiche anzustellen.

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Mit dem Publikum von morgen, also mit der Jugend von heute, beschäftigte sich der 10. Internationale Kongreß der IMZ, der in Salzburg stattfand. Die jedes dritte Jahr in Salzburg abgehaltenen Kongresse sind die einzige Gelegenheit, Fernseh-Musik- produktionen auf dem Gebiet der Fernsehoper, des TV-Konzerts, der Reportagen usw. aus aller Welt zu sehen und dabei internationale Vergleiche anzustellen.

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248 Delegierte aus 42 Radio- und Fernsehstationen, die aus 28 Nationen stammten, haben in oft heftigen Diskussionen versucht, einen Ausweg aus dem Dilemma der technischen Medien im Umgang mit der Jugend zu finden. — Das Ziel, die verlorene Fer-nsehgeneration der Vierzehn- bis Vierundzwanzigjähri- gen zu aktivieren und ihr Interesse am Fernsehen zu intensivieren, konnte, bestenfalls in Ansätzen erreicht werden.

Zunächst sei noch die Rekordnennung von 18 Fernsehopern aus 15 Nationen für den „Fernsehopernpreis der Stadt Salzburg” erwähnt, von denen allerdings nur 15 zugelassen werden konnten, da drei Opern den Statuten nicht entsprachen. Den Preis erhielt der japanische Beitrag von NHK „Narukami” (Vater Donner). Den Förderungspreis errang die Koproduktion WDR und Schwedisches Fernsehen „Die Insel der Klänge oder Der unheimliche Trip des Audionauten”.

Daß sich das musikdramatische Fernsehstück des Jahres 1974 von der traditionellen Opernstruktur des 19. Jahrhunderts in fast allen Fällen gelöst hat, war vorauszusehen und hat sich auch bestätigt. Wie aber schaut die neue Form des TV- Music-Play aus? Gibt es dramaturgische Tendenzen zu einer neuen Entwicklung?

Nach Prüfung der 18 eingereichten Werke ließen sich drei Trends fest- s teilen:

1. Die offene Form. Sie ist literarisch ausgerichtet, verzichtet auf eine durchgehende Handlung und verbindet Elemente von Konzert, Oratorium, Ballett und Pantomime. Diese Werke verlangen eine besonders starke Konzentration des Publikums und eine Einführung, da die Aussage häufig von Symbolwerten belastet ist und musikalische Vorbildung verlangt.

2. Die genau gegensätzliche Tendenz bringt das musikalische Fernsehspiel. Es sucht und findet wahrscheinlich auch ein neues Publikum. Die musikalischen Elemente reichen von Beatmusik bis zum Gregorianischen Choral. Charakteristika des Musicals sind ebenso zu finden wie historische Stoffe.

3. Das engagierte Musiktheater. Hier geht es um gesellschaftskritische Tendenzen, um politische und umweltverbessernde Anliegen. Bei diesen Werken steht das Wort im Vordergrund, die Handlung dominiert häufig vor der Musik. Das optische Element zielt darauf hin, das Publikum in Spannung zu versetzen und eine Meinung zu bilden.

Diese stark vergröberte Einteilung zeigt gleichzeitig die Zwangslage, in der sich der Musikproduzent von heute befindet. Ist es einerseits seine legitime Aufgabe und Verpflichtung, dem kreativen Künstler auch auf dem Femsehschirm freie Entfaltung und adäquate Übersetzung seiner Ideen in Wort und Bild zu geben, so hat er anderseits den klaren Auftrag, einem Publikum, das in die Millionen geht, ein aufnehmbares Programm ins Haus zu liefern. Diesen schmalen Grat zwischen künstlerischer Freiheit und Knopfabdre- hen am Fernsehgerät zu finden und zu gehen, ist das verantwortungsvollste und schwierigste Unterfangen.

Wenn es wahr ist, daß die verwirrende Uberinformation in den Medien eine Entwicklung zur größeren künstlerischen Produktion im Fernsehen herbeiführt, dann wird diese Problematik noch viel zu schaffen machen. — Die heterogene Entwicklung im musikalischen Fernsehen soll jedoch eher Ermutigung als Resignation auf kommen lassen, denn man ist heute mehr denn je der Meinung, daß die interdisziplinäre Programmgesinnung dem Publikum von morgen mehr entgegenkammt, als das Scheuklappendenken der sogenannten „Ernsten Musik”. — In diesem Zusammenhang wurde vom Verfasser angeregt, im Rahmen des Salzburger Fernsehopernpreises 1977 einen Sonderpreis für ein speziell den jugendlichen Interessen entsprechendes musikdramatisches Werk zu schaffen.

Nun einige Anmerkungen zum

Programmverlauf des Kongresses:

Insgesamt wurden 80 Beispiele von 45 Fernsehstationen und Filmfirmen vorgeführt. Zu Beginn wurden Ausschnitte der zum Opernwettbewerb eingereichten Werke gezeigt, wobei der kanadische Beitrag „Jack” deshalb im Gedächtnis blieb, weil ein junges Autorenteam junge Menschen — meist im Beatrhythmus singend — auf den Bildschirm brachte. — Ein Tag war ausschließlich Jugendprogrammen gewidmet. Die CBS-Produktion „Young People’s Concert” und die IMZ-Reportage des ungarischen Fernsehens seien hervorgehoben. Berios „C’ė musica e musica”, ein Beitrag, der sich mit der Auseinandersetzung der Jugend mit dem Problem der Künstler und der Gesellschaft beschäftigte, fand reges Interesse. Mit Reportagen über Jeu- nesses-Veranstaltungen aus Jugoslawien und Japan stellten sich die Stationen in den Dienst der Information und der Propagierung der Veranstaltungen der musikalischen Jugend.

Im Vergleich zu Sportübertragungen, Kriminalfilmen u. ä. wird die Musik wohl immer ein Minderheitenprogramm bleiben. Daß es sich aber um eine qualifizierte Minderheit handelt, hat die Fülle der eingereichten Beispiele bewiesen. Das unbewegliche musikalische Spartendenken führt direkt zum elfenbeinernen Turm. Pop, Jazz, Folklore, Avantgarde und das traditionelle Konzert haben in ein und derselben Sendeform Platz. Daraus ergäbe sich ein Weg zum integrierten Programm der musikalischen Partnerschaft.

Soll nun das Publikum in größerem Maße die Programmgestaltung mitbestimmen oder sollen die Programmverantwortlichen versuchen, den Geschmack der Zuseher immer stärker zu beeinflussen? Auch hier scheint der berühmte Mittelweg der richtige zu sein. Bei den vorgeführten Beiträgen handelte es sich zum Großteil um Programme, die von Erwachsenen für Jugendliche gemacht worden sind. Ein verschwindend geringer Teil waren jene Produktionen, die von

Jugendlichen für Jugendliche hergestellt wurden. Interessant erschien, daß drei Stationen Beiträge mit dem Titel „Musikclufo” einreichten; es waren «lies der Hörfunkbeitrag der BBC und Femsehibeiträge des Ungarischen und österreichischen Fernsehens.

Im „Musikclub”, der in Zusammenarbeit mit der Musikalischen Jugend Österreichs produziert wurde, haben die jugendlichen Teilnehmer die Möglichkeit der Selbstdarstellung. Sie können Einfluß auf die Programmauswahl nehmen und bestimmen, welche Studiogäste eingeladen werden sollen. Das selbe Ziel hat auch das IMDT-Workshop, aber mit der zusätzlichen Ausweitung auf kreative und rekreative Künstler. Alljährlich werden neben den Versionen, die von Professioni- sten produziert werden, auch eigene Fassungen von den Jugendgruppen unter den Teilnehmern hergestellt, und zwar mit Hilfe netzunabhängiger Mini-Video-Geräte.

Es ist dies die einzige Veranstaltung, bei der Personen, die nicht in einer Fernsehanstalt beschäftigt sind, die Möglichkeit geboten wird, mit den technischen Einrichtungen eines Studios in aktiver Betätigung vertraut zu werden. In Zusammenarbeit mit nationalen und inter- naionalen Organisationen können neue Impulse gegeben werden, z. B. Europäische Jazzfederation. Eben aus dieser Verbindung entstand die beim 11. Prager Film- und Femseh- festiväl 1974 mit dem 1. Preis ausgezeichnete Produktion „Piano con- clave”. — , Aber auch das „Offene Singen”, wie Österreichs Beitrag „Sing mit”, hat stimulierende Wirkung auf die Volksliedpflege in den Bundesländern. In Kombination mit den schon produzierten Instrumentalkursen „Gitarre, Blockflöte und Akkordeon”, ist der positive Versuch unternommen worden, das Publikum zu aktivieren.

In jedem Fall muß es in der Zukunft um Qualität, nicht um Quantität, gehen. Hier liegt die große Verantwortung all jener, die heuer Fernsehprogramme machen. In ihrer Hand liegt es, welche Programmerwartung das Publikum von morgen haben wird. Wird es selektiv sehen und hören lernen — also die Leistungen der technischen Medien kritisch aufnehmen und beurteilen?

Der Kongreß zeigte auch, daß das Publikum von morgen ganz bestimmt nicht mehr nur ein europäisches oder amerikanisches bleibt, sondern daß sich die Eurovision zu einer Mundovision entwickeln wird. Beiträge aus Japan, Indien und Südamerika haben gezeigt, daß der fatalen Uniformität mancher erstarrter Produktionsarten durch Zusammenarbeit mit Stationen anderer Kontinente engegengewirkt werden könnte.

Insgesamt ließen sich folgende Konsequenzen aus den durch den Kongreß vermittelten Informationen ableiten:

1. Förderung und Verbreitung außereuropäischer Kulturen. Anregung zu neuen Formen in den technischen Medien.

2. Vermehrte Zusammenarbeit zur Verbesserung der Programme. Empfehlung: Gründung internationaler Musikclubs, Koproduktionen mehrerer Länder.

3. Unterstützung junger Komponisten, Autoren, Interpreten durch Information, Reportage und Aufträge. Inernationaler Austausch von audiovisuellem Material, internationale Leihvideothek.

4. Förderung unkonventioneller musikalischer Veranstaltungen. Erweitertes Angebot für das Freizeitbudget der Jugend.

Nicht nur die Delegierten der Euro- und Intervision, sondern vor allem die Vertreter Afrikas und Asiens fanden eine Gesprächsbasis, die ein gemeinsames Ziel erkennen ließ: Das musikalische Programmangebot in den technischen Medien zu erweitern,’ die Qualität zu verbessern und die internationale Zusammenarbeit zu intensivieren.

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