Muslime und Nichtmuslime: Ein Appell zu permanenter Verständigung
Die Politk fällt gegenüber den Muslimen wieder in ihre alte Reaktionsmuster zurück. Leider.
Die Politk fällt gegenüber den Muslimen wieder in ihre alte Reaktionsmuster zurück. Leider.
In der letztwöchigen FURCHE wurde an dieser Stelle die Hoffnung geäußert, das Zusammenstehen nach dem Wiener Attentat, das sich insbesondere an den Orten des Anschlags manifestierte, könnte eine Gunst der Stunde sein, zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu einem Verhältnis auf Augenhöhe zu gelangen. Auch Politikeraussagen, dass die Trennlinie nicht zwischen den Religionen, sondern zwischen Friedliebenden und Gewalttätigen verlaufe, gaben Anlass zu derartiger Hoffnung.
Doch während dieser Kommentar durch die Druckerpresse lief, schien er bereits Makulatur: Die Großrazzia gegen die Muslimbruderschaft war in Gang, und auch wenn die Politik betonte, diese polizeiliche Maßnahme habe mit dem Terror des 2. November nichts zu tun, schienen die Lippenbekenntnisse der vorhergegangenen Tage längst zu Sonntagsreden verkommen.
Abgesehen davon, dass die Razzien auch inhaltlich Fragen aufwerfen (vgl. den Gastkommentar von Thomas Schmidinger), ist klar: Hier geht es einmal mehr auch um Symbolpolitik. Der Staat zeigt Flagge, dass er gegen Bedrohungen vorgeht. Ob das Ganze am Ende des Tages auch vor den Gerichten Bestand hat, ist eine andere Frage. Aber es bleibt Symbolpolitik in jedem Fall – auch in dem Sinn, dass die Muslime einmal mehr sich einem Generalverdacht der Gewalttäigkeit, Demokratiefeindlichkeit und Gesellschaftsgefährdung gegenübersehen.
Der Rechtsstaat muss sich – keine Frage! – gegen Bedroher wie Terroristen wehren. Und das möglichst präventiv. Aber – auch das ist eine Lehre aus dem 2. November – hier gab es institutionelles Versagen im Vorfeld, und die Husch-Pfusch-Terrorgesetzgebung, die nun auf den Weg gebracht werden soll, kann auch nicht mehr als Symbolpolitik sein, wenn nicht die bereits längst vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten der Terrorbekämpfung und -verhinderung wirklich ausgeschöpft werden. Solang die Effektivität der sicherheitspolizeilichen und geheimdienstlichen Mittel in Frage steht, hat man auch mit „scharfen“ Gesetzen kaum Erfolg.
Und es bleibt die Binsenweisheit, dass es eine wesentliche Strategie der Terrorprävention sein müsste, die Muslime im Lande, die in ihrer allergrößten Mehrheit mit Attentaten nichts am Hut haben, mit ins Boot zu holen. Aber gerade da wäre Symbolpolitik berechtigt: Würde der Innenminister oder die Integrationsministerin sich mit den Vertretern der Muslime im Land etwa an einen runden Tisch setzen, anstatt öffentlich über die Muslime zu befinden, wenn also die Politik das Gefühl vermittelte, hier werde auf Augenhöhe und mit Augenmaß agiert, dann wäre ein Anfang gemacht und nicht die gewiss bestehende Spaltung in der Gesellschaft perpetuiert.
Es gibt leise Stimmen, die das längst fordern, die aber im öffentlichen Diskurs nicht gehört werden. So meldete sich in diesem Sinn die kleine „Plattform Christen und Muslime“ mit der Aufforderung zu „permanenter Verständigung mit muslimischen Mitbürger/innen“ zu Wort.
In der zitierten Stellungnahme wird gleichzeitig klar betont, „dass Feinde unserer Gesellschaft“ beim Namen genannt werden müssen: „Menschen und Gruppen, die gegen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auftreten, gegen andere Religionen als die eigene, gegen Minderheiten und Geschlechtergerechtigkeit.“ Aber ebendiese notwendigen Klärungen werden nur möglich, wenn es gelingt, sie mit den Muslimen im Land und nicht prinzipiell gegen sie zu erreichen.
Leider setzt der Mainstream von Politik, Medien und Gesellschaft nicht auf derartige Strategie. Das ist kurzsichtig. Der Schlusssatz der Erklärung der „Plattform Christen und Muslime“ ist daher als Ceterum censeo zu verstehen: „Notwendig ist eine neue Initiative zum permanenten Gespräch, um die muslimischen Mitbürger und Mitbürgerinnen wirklich zu beheimaten und den Extremisten langfristig den Boden zu entziehen.“
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