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Mut, Eigenständigkeit

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Nicht zuletzt die positiven Erfahrungen mit dem breit angelegten Meinungsaustausch bei den diözesanen Arbeitstagungen zur Vorbereitung des österreichischen Katholikentages 1983 haben bei den Überlegungen zur Einrichtung einer sogenannten „Plattform", eines gesamtösterreichischen Gremiums, in dem laienapostolische Organisationen und Gruppierungen, Bischöfe, Priester, Ordensleute, kirchliche Laienmitarbeiter vertreten sind, Pate gestanden. (Siehe FURCHE Nr. 42 und 44/1984)

Das Dekret über das Apostolat der Laien des Zweiten Vatikanischen Konzils sagt über die Berufung der Laien zum Apostolat: „Es besteht in der Kirche eine Verschiedenheit des Dienstes, aber eine Einheit der Sendung... Die Laien hingegen, die auch am priesterliehen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhaben, verwirklichen in Kirche und Welt ihren eigenen Anteil an der Sendung des ganzen Volkes Gottes". Und Ziel der Tätigkeit des Laien ist nach diesem Dekret die Aufgabe, aus der „spezifischen Sachkenntnis heraus und in eigener Verantwortung" die zeitliche Ordnung so auszurichten, daß die i Grundsätze christlichen Lebens je nach Ort, Zeit und Volk den verschiedenen Situationen angepaßt in der Welt verwirklicht werden.

Den Laien wird dabei ein hohes Maß an Eigenständigkeit zugetraut und zugemutet, und dem nur ihnen möglichen Zugang zu den gesellschaftlichen Schichten und Gruppen, in denen sie leben, kommt besondere Wertschätzung zu. Nicht der Mangel an Priestern, sondern die spezifische Verantwortung der Laien ist das Motiv für ihren Einsatz und ihr Engagement.

Diese Grundsätze des Laien-apostolats-Dekrets und manche geänderten Voraussetzungen für das künftige Engagement von Laien sollten die laienapostolischen Organisationen und Gruppen berücksichtigen und damit auch einer gewandelten Situation Rechnung tragen. So hat zweifellos der Einsatz von Laien auf der pfarrlichen, gemeindlichen Ebene auch deswegen zugenommen, weil der überschaubare Tätigkeitsbereich und sichtbare Resultate einen positiven Anreiz zum Engagement bilden.

Nicht nur in der Politik, im öffentlichen Leben, sondern auch in der Kirche hat die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit gesellschaftlich-politisch kontroversen Meinungen abgenommen, ist das Akzeptieren Andersdenkender schwieriger geworden. Es mangelt zunehmend an Zivilcourage, auch im Falle des Anekkens in den eigenen Reihen, der innerorganisatorische Konformitätsdruck nimmt zu. Die Bestärkung und Ermutigung kompetenter, aber unbequemer Zeitgenossen in den Organisationen, aber auch durch kirchliche Amtsträger, ist selten. Mehr Raum für Eigenständigkeit sollte ermöglicht werden.

Aus recht verstandenem Selbstbewußtsein sollten engagierte Laien heute einer Tendenz zur Verkirchlichung entgegenwirken. Noch immer sind in der Öffentlichkeit Bischöfe und Priester die Kirche — was freilich durch die Massenmedien stark gefördert wird.

Kirchlichen Amtsträgern sollte wieder stärker bewußt werden können, daß sie auf den Einsatz und die Mitarbeit der Laien in vielen Bereichen angewiesen sind. Bei der gemeinsamen Sendung al^ ler Christen zur Heiligung und Evangelisierung der Welt kommen Priestern, Ordensleuten und Laien zwar je eigene, aber ineinander verschränkte Aufgaben zu.

Um konkrete Aktivitäten zu diskutieren und gemeinsame Handlungsrichtlinien zu entwik-keln (beispielsweise in der Friedensfrage, beim Umweltschutz, für eine neue Sicht der Arbeit, für geänderte Leitbilder von Ehe und Familie) wäre im Hinblick auf die heutige innerkirchliche Situation die Veranstaltung von Arbeitstagungen am ehesten zielführend. Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien — auch solche, die keiner Gruppierung angehören — sollten einbezogen sein. Im Gegensatz zu der als permanentes Gremium vorgeschlagenen

„Plattform" wären solche Arbeitstagungen nicht durch den Anspruch belastet, die Kirche zu repräsentieren, käme kein schwerfälliges kirchliches „Ubergremium" zustande.

Meinungsaustausch und Gespräch zwischen Gläubigen mit unterschiedlichen Positionen könnten Umdenkprozesse in Gang bringen. Ausschlaggebend wäre nicht, Beschlüsse zu fassen und zu erfüllen, sondern zu bestimmten aktuellen Problemen gemeinsame Akzente oder Schwerpunkte zu erarbeiten und in die gelebte Wirklichkeit umzusetzen. Hierfür könnte von Fall zu Fall eine gemeinsame Ebene eher gefunden werden, könnte auch rascher und aktueller reagiert werden. Sicher ist die Suche nach einem Konsens über das zugrundeliegende Verständnis von Kirche, das ja die unterschiedlichen Positionen prägt, längerfristig unverzichtbar. Für die Menschen hier und heute ist aber das Denken und das Handeln von Christen jetzt notwendig.

Gerade auch ein Rückblick auf den vor zehn Jahren zu Ende gegangenen österreichischen Synodalen Vorgang zeigt, daß von den damals in einer Atmosphäre relativ großer nachkonziliarer Offenheit behandelten Problemen solche nicht weiterverfolgt wurden, die nicht zum Anliegen der Amtsträger wurden, gegen die Einwände bestanden.

Eine ständig sich wandelnde pluralistische Gesellschaft sollte in den engagierten Laien dem Sauerteig des Christlichen begegnen können, nicht lediglich gut organisierten Gremien und Institutionen.

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