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Mut zur Sprödigkeit

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Sechs Jahre lang hatte Walter Pichler (Jahrgang 1936), aus Südtirol gebürtig und Absolvent der Wiener Akademie, fü! sich gearbeitet, ehe er 1963 gemeinsam mit Hans Hollcin seine erste Ausstellung in der Wiener Galerie nächst Sankt Stephan veranstaltete. Sie war ein solcher Erfolg, daß Pichler sehr bald zum Geheimtip in der österreichischen „Plastik“- Glut seine Ausstellung in -Ne* York UM! bet. >l(iitj»{gnoie.*iVlaiu*r .i»n Jalue 1967, wie seine Arbeiten für die Biennale in Paris im gleichen Jahr bestätigten es: der knapp Dreißigjährige war und ist einer der profiliertesten jungen Künstler in Europa. Um so mehr war es an der Zeit, ihm jetzt im Museum des 20. Jahrhunderts (bis 17. Oktober) die Möglichkeit zu geben, seine Vorstellungen von Raumgestaltung und Objektepräsentation zu realisieren. (Anschließend wird die Schau in Hamburg und Baden-Baden gezeigt.) Und wiedeir’aHsi$ti^)[t’it^hß,^ltr(^fle9)lßnlt^hst’’Slankt’ .Hjį’phan.una^vi^l^mfl’ejtofeP^Ss^’elfūng^von Pichlers Entwürfen und Skizzen (Mitte September bis 15. Oktober).

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Sechs Jahre lang hatte Walter Pichler (Jahrgang 1936), aus Südtirol gebürtig und Absolvent der Wiener Akademie, fü! sich gearbeitet, ehe er 1963 gemeinsam mit Hans Hollcin seine erste Ausstellung in der Wiener Galerie nächst Sankt Stephan veranstaltete. Sie war ein solcher Erfolg, daß Pichler sehr bald zum Geheimtip in der österreichischen „Plastik“- Glut seine Ausstellung in -Ne* York UM! bet. >l(iitj»{gnoie.*iVlaiu*r .i»n Jalue 1967, wie seine Arbeiten für die Biennale in Paris im gleichen Jahr bestätigten es: der knapp Dreißigjährige war und ist einer der profiliertesten jungen Künstler in Europa. Um so mehr war es an der Zeit, ihm jetzt im Museum des 20. Jahrhunderts (bis 17. Oktober) die Möglichkeit zu geben, seine Vorstellungen von Raumgestaltung und Objektepräsentation zu realisieren. (Anschließend wird die Schau in Hamburg und Baden-Baden gezeigt.) Und wiedeir’aHsi$ti^)[t’it^hß,^ltr(^fle9)lßnlt^hst’’Slankt’ .Hjį’phan.una^vi^l^mfl’ejtofeP^Ss^’elfūng^von Pichlers Entwürfen und Skizzen (Mitte September bis 15. Oktober).

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Pichler hat seine Gedanken zur Architektur, zu Umraum und den Beziehungen zwischen Objekten und Raum selbst bereits 1963 angedeutet: „Architektur — sie wird geboren aus den stärksten Gedanken. Für die Menschen wird sie Zwang sein, sie weiden darin ersticken oder sie werden leben — leben wie ich es meine. Architektur ist nicht die Hülle für die primitiven Instinkte der Massen. Architektur ist die Verkörperung der

Macht und Sehnsüchte weniger Menschen. Sie ist eine brutale Sache, die sich der Kunst schon lange nicht mehr bedient. Sie berücksichtigt die Dummheit und die Schwäche nicht. Sie dient niemals. Sie erdrückt die, die nicht an das Recht glauben, sondern es machen. Sie ist eine Waffe. Architektur bedient sich rückhaltlos der stärksten Mittel, die ihr jeweils zur Verfügung stehen. Maschinen haben sie ergriffen und die Menschen sind nur mehr geduldet in ihrem Bereich.“

Was zuerst fast nur auf dem Papier existierte, in kühnen Konzepten, Superstadtmodellen, gigantischen Maschinenformen, und dann einer notwendigen Abgrenzung auf kleine Prototypen, kleine Räume, Pseudomaschinen wich, erhält jetzt etappenweise mehr und mehr Bedeutung. Dazu Pichler: „Die Gestaltung im Museum ist die erste Phase, ich zeige, wie ich meine Objekte überhaupt vorstellen will. Die nächste Phase Wird bereits größere Gestaltungen verlangen. Ich werde für Objekte zwei oder drei Räume mitformen, die ich auch selber baue. Heute flüchten sich alle jungen Künstler dn utopische Projekte, um sich einer Verantwortung zu entziehen. Und die Profis bauen Häuser, in denen sie kaum wohnen möchten. Dabei müßte man endlich realistische Alternativen schaffen, so bauen, daß man es vor sich selbst verantworten kann…“ Und er blättert dazu Skizzen zu seinem Landhaus im Burgenland auf den Ateliertisch: Zwei durch einen Gang verbundene Silotürme, in denen Pichler so spartanisch, „so mönchisch leben will, wie Constantin Brancusi“: „Mit zunehmendem Erfolg muß in jeder Hinsicht auch die eigene Sprödigkeit zunehmen!“

Fragt man Pichler nach möglichen Quellen für seine Arbeiten, nennt er zuerst den Dichter Rimbaud — „seine Städtebeschreibungen sind für mich wie Projekte… Genau diese dämonische Art versuche ich einzufangen“ — dann die Bibel, das Gügamesch- Epos, ethnologische Werke, Bücher über anonyme indianische Architektur, über Revolutionsarchitekten wie Ledoux. „Eine Zeit lang habe ich viel gelesen, aber da ging die eigentliche Arbeit nicht weiter. Heute muß das ökonomisch geschehen. Ich muß mich einschränken, um nicht abgelenkt zu werden. Am allerwenigsten interessiert mich zum Beispiel die moderne Kernst; und wenn, dann in Haltung und Lebensform eben nur das Paradebeispiel Brancusi. Vor allem weil ich finde, daß der Künstler bewußt eine Lebensform vorexerzieren muß und notfalls auch hier Alternativen setzen muß. Es ist eine Perversion, wenn mancher Maler nur noch des Geldverdienens wegen produziert und glaubt, so die Gesellschaft beeinflussen zu können. Die Kunst kann tatsächlich die Gesellschaft natürlich nur in sehr weitem Sinn beeinflussen. Entscheidend ist die Präsenz den Künstlers, der anschaulich machen muß… Da bin ich bewußt anachronistisch, gegen alle Modephilosophie und Soziologie. Das Anschaulichmachen treib ich mit meinen Arbeiten soweit wie möglich. (Etwa in der „Landschaft“ mit dem Transparent „Du sollst deinen nächsten lieben…“). Im Grunde ist da alles Krücke für die kritische Reflexion!“

Man konnte bei Walter Pichlers Objekten immer wieder einen betont „religiösen Charakter“ feststellen. Pichler erklärt da so: „Sehr vieles mag Kindheitserinnerung sein, Erinnerung an meine sehr katholische Erziehung. Vieles steigt erst jetzt ins Bewußtsein, das ich zwischen den Arbeitsprozessen aktiviere. Arbeit selbst ist für mich mit einem Zustand der .Bewußtlosigkeit“ zu vergleichen, wie die Meditation. Und deshalb lasse ich meine Objekte kaum noch von anderen ausführem. Ich bin .neidig“ auf diese Tätigkeit… Sie hilft mir außerdem zur Klärung meiner Situation. Zwar ist es mit dem Erklären von Arbeiten stets wie mit einem Eisberg: Das meiste bleibt unausgesprochen. Aber aus der Phase der Interpretationslosigkeit herauszukommen, ist wichtig. Ich muß mir darüber im klaren sein, wieviel in meiner Kunst autobiographisch ist, daß ich ganz Persönliches sage, daß es glaubwürdig und authentisch ist… Menschen sind einander doch in vielem ähnlich. Und um sie lieben zu können, um von ihnen eine Ahnung zu haben, muß man sozusagen sich selbst lieben lernen. Ich würde das nicht so human, sondern eben als religiös bezeichnen… Und die Kunst ist da eine Vermittlung.“

Kunst kann sogar „politisch relevant“ werden, nur sollte man „diese Absicht nie in den Vordergrund stellen, weil in der Kunst stets alles aus einem Zustand der Verhaltenheit sich entwickelt. Wer Kunst mit Absicht bewußt macht, schließt bestenfalls Marktlücken. Ich habe dabei nichts gegen den Kunstm’arkt. Ich bin mir nur der Gefahr bewußt, .gefragt“ zu sein. Und das ist wohl ein Hauptgrund, sich Sprödigkeit leisten zu müssen…“

„Man hat mir im Laufe der letzten Jahre sieben Akademieprofessuren angeboten. Ich habe sie abgelehnt, weü ich mich mit Wien am meisten identifizieren kann. Ich kenne viele junge Leute. Mein Atelier steht allen offen. Es ist die beste Akademie. Es ist heute weiß Gott keine revolutionäre Tat, gegen die Akademien zu kämpfen. Sie liegen doch längst in Agonie!“

Pichler auf die Frage nach der Bedeutung der Originalität für die Kunst: „Sie ist heute wichtiger den je. Irgendwelche Formen allein sind gar nichts, schöne Formen zu wenig — leere Ästhetik! Ich bin selbst von der Anonymität in meinen früheren Prototypen ganz abgegangen. Man muß heute in den Arbeiten alles genau artikulieren… Das ist übrigens wohl der Hauptgrund, daß ich von so vielen begabten Jungen kopiert werde. Eines unterscheidet uns freilich: Ich habe nie den Erfolg im 9inn gehabt, ich habe immer Zeit gehabt, Ideen zu entwickeln… Und ich habe meine eigene gelegentliche und die allgemeine Konfusion geftützt. Sie ist ein guter Zustand. Nur darf man sich nicht darin etablieren und wohlfühlen. Man muß überall das Beiwerk abstreifen lernen… Und das ist der Grund, warum ich im Museum des 20. Jahrhunderts jede feierliche Eröffnung meiner Ausstellung ablehnte. Meine Schau hat mit Gesellschaftsshow nichts gemein. Diese erschwerte nur den Zugang. Ein unnützes Beiwerk, eines von vielen in Wien.“

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