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Mutation zur Kriminalität

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Land- und arbeitslose Ex-Sandi-nistas mit einigen Ex-Contras versuchten Mitte Juli die Einnahme einer Kleinstadt 60 Kilometer nördlich von Managua. Aus den Banken erbeuteten sie angeblich vier Millionen Dollar.

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Land- und arbeitslose Ex-Sandi-nistas mit einigen Ex-Contras versuchten Mitte Juli die Einnahme einer Kleinstadt 60 Kilometer nördlich von Managua. Aus den Banken erbeuteten sie angeblich vier Millionen Dollar.

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Zwei Tage lang lieferten einander 150 Bewaffnete und ein Sonderkommando der nikaraguanischen Armee die Schlacht um die Bergstadt Esteli. Zurück blieben an die fünf Dutzend Tote - unter ihnen ins Feuer geratene Zivilisten -, 50 gefangene Rebellen, ein schwer beschädigter Stadtkern, eine siegreiche Armee und - drei ausgeräumte Banken.In Mittelamerika bestätigt sich jetzt, was kolumbianische Fälle andeuteten: Lateinamerikas Guerilla mutiert zur Kriminalität. Ganz anders der Beginn: Dem Beispiel Fidel Castro folgend, operierten in den sechziger und siebziger Jahren an fast allen Orten Guerille-ros, die ihre Gesellschaften revolutionär umgestalten und verbessern wollten. Ihr Schwung, ihr historisches Moment verebbte in den achtziger Jahren. Mit dem Ende des Kalten Krieges, also nach 1989, und mit dem Wegfall der logistischen Unterstützung seitens Moskaus wurden sie obsolet.

Was übrig blieb, sind wahnwitzige Radikalinskis vom Typ „Sendero Luminoso” in Peru oder Ex-Guerille-ros, die mit Entführungen, Rauschgifttransport, Terror und Erpressung Geld scheffeln. Am Beispiel der vom spanischen Pfarrer Perez kommandierten ELN-Fraktion, die im kolumbianischen Erdölgebiet operiert, konnte inzwischen belegt werden, daß solche „Geschäfte” Hunderte Millionen Pesos einbringen.

In Nikaragua mußten die revolutionären Sandinisten 1990 nach einer

Wahlniederlage die Regierungsgeschäfte an die bürgerliche Opposition mit Dona Violeta de Chamorro als Galionsfigur übergeben. El Salvadors Guerilla-Koalition unterzeichnete 1991 den UN-Friedensplan, gab einige Waffen ab und etablierte sich als legale Parteienopposition. Der Verdacht illegaler Waffenhortung blieb jedoch bestehen.

Die unbeabsichtigte Explosion eines Waffenbunkers, eines geheimen Lagers unter einer Reparaturwerkstatt, die am 23. Mai Managua erschütterte, belegte heuer den Verdacht. Die sensationellen Funde, die immer noch Überraschungen bringen, lassen die Haare zu Berge stehen. Neben einem modernsten Waffenarsenal, 19 Luftabwehrraketen inbegriffen, flog die Buchhaltung eines internationalen Terror- und Entführungsrings auf.

Sie bezeugt die Zusammenarbeit zwischen Mittelamerikas Ex-Gueril-leros, baskischen ETA-Terroristen, Palästinensern und arabischen Fundamentalisten. Daß bei den in New York Verhafteten, die das Attentat auf das World Trade Center verübt haben könnten, vier gefälschte nikaraguanische Pässe gefunden wurden, ist wohl kein Zufall - zumal Nikaraguas Armee und Innenministerium immer noch Sandinisten unterstehen.

Start ins zivile Leben

Nikaraguas Präsidentin Violeta de Chamorro steht jetzt unter enormem Druck, endlich ihr Wahlversprechen einzulösen, die Armee und das Innenministerium der sandinistischen Kontrolle zu entziehen. Dessen ungeachtet, zelebrierte die alte Sandini-sten-Führung unter Daniel Ortega am 19. Juli in Managua stürmisch mit 50.000 Anhängern den Revolutionsfeiertag.

Die Überlebenden und mit Beute geflüchteten Rebellen von Esteli ließen dann am 27. Juli wissen, daß sie ihren Kampf fortsetzen würden, bis die Regierung ein anderes Versprechen einlöst: den aus der verkleinerten Armee entlassenen Sandinisten und den Contras den wirtschaftlichen Start ins zivile Leben zu ermöglichen.

Die Moral aus der Geschichte ist traurig: Während sich das Fußvolk der Guerilla mit kleinen Betrügereien und Mundraub über Wasser zu halten sucht, betreiben die Guerilla-Kommandeure Gangstereien im großen Stil.

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