6993365-1987_01_02.jpg
Digital In Arbeit

Myrrhe und Hirn

Werbung
Werbung
Werbung

Die Jahreswende steht im Zeichen der Erwartung, Österreich werde in naher Zukunft von einer Koalition der Sozialisten und Volkspartei regiert und saniert werden. Dieses Modell hat in der Tat eine hohe Wahrscheinlichkeit für sich. Aber noch keine Garantie.

Vorher kommt der Härtetest bei beiden Großparteien; am 6. Jänner in der ÖVP, am 7. bei der SPÖ. Werden die Verhandlungsergebnisse akzeptiert werden?

Von der SPÖ-Spitze vermutlich ja. Jeder Sozialist weiß, daß andernfalls Vranitzky aufgibt und ohne Vranitzky derzeit die SPÖ aufgegeben werden müßte. Es wird ein paar Scharmützel mit der innerparteilichen Opposition geben, aber keinen ernsthaften Aufstand.

Bei der Volkspartei liegen die Dinge nicht ganz so einfach. Die politische Logik zwingt auch sie zur Großen Koalition. A ber noch nie hat Logik allein die ÖVP regiert.

Eine relativ kleine, aber nicht unbedeutende Gruppe spekuliert immer noch mit der Möglichkeit, in einer kleinen Koalition mit der FPÖ den Bundeskanzler zu stellen und die „ganze Wende“ herbeizuführen. Und selbst eine Verlängerung der Oppositionsrolle mit Aussicht auf eine kurzlebige SPÖ-Minderheitsregierung hat noch ein paar Anhänger.

Diese müssen freilich von Masochismus befallen sein. Neuwahlen in einem halben Jahr wären für die ÖVP ein Desaster. Wer das noch nicht kapiert hat, der hat den Bezug zur Wirklichkeit verloren. Und eine Kleine Koalition (ob schwarzblau oder rotblau) könnte unmöglich unter dem Trommelfeuer einer großen Oppositionspartei jene Reformen durchführen, ohne die Österreich in den Abgrund steuert.

Deshalb mag man da und dort noch ein bißchen taktieren, aber am Ausgang sollte nicht mehr gerüttelt werden. Dazu ist es notwendig, daß die ÖVP endlich mit sich ins reine kommt. Ohne schonungslose Selbstkritik ist kein Neubeginn möglich.

Daß der Stellvertreterauf-standsversuch der Sekretäre gestoppt wurde, war bei Verhandlungsbeginn richtig. Wenn damit aber auch die Diskussion über die Ursachen des Wahldebakels gestoppt worden wäre, hätte sich die Partei damit einen Bärendienst erwiesen.

Was man der ÖVP im Interesse des Landes am 6. Jänner wünschen muß, ist nicht Weihrauch, sondern Myrrhe. Und dazu das Hirn, die Forderung der Stunde zu erkennen, nämlich: mit der bestmöglichen Mannschaft in die Regierung und an die Parteierneuerung zu gehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung