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Mysteriöser Tod von Terroristen

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Mitte April wurde ein israelischer Autobus auf der Linie Tel Aviv-Aschkelon entführt. Im Gazastreifen kam er zum Stillstand, und nach stundenlangem Verhandeln wurde er gestürmt. Die Elitetruppe der israelischen Armee tötete bei der Eroberung des Busses außer Terroristen auch eine Passagierin und verletzte sieben Mitreisende.

Doch was war wirklich mit den vier Terroristen geschehen? Direkt nach der Erstürmung des Busses meldete der israelische Rundfunk, daß nur zwei Terroristen getötet worden seien. Doch eine Stunde später meldete dieselbe Quelle eine neue Version, derzufolge alle vier Entführer bei der Eroberung des Fahrzeuges umgekommen seien.

Noch an Ort und Stelle erklärte der israelische Verteidigungsminister Mosche Arens: „Wer einen Terroranschlag in Israel plant und ausführt, kann nicht erwarten, mit heiler Haut davonzukommen."

Einer der anwesenden Pressefotografen knipste ununterbrochen ein Bild nach dem anderen, ohne sich viel dabei zu denken. Als die Redaktion der Zeitung „Chadaschot" den Film entwik-kelte, wählte sie ein Bild, in dem man einen Araber sieht, der von zwei Sicherheitsbeamten in Zivil abgeführt wird. Das Bild wurde vergrößert und routinemäßig der Militärzensur vorgelegt.'

„Ein arabischer Offizier, der ar-restiert wird; vielleicht wurde er verdächtigt, mit den Terroristen kooperiert zu haben", dachte sich der Redakteur, der das Bild beschriften mußte. Doch dann kam die Absage von der Zensur. Das Foto durfte nicht veröffentlicht werden. Da erst ging den Presseleuten ein Licht auf ...

Die vier Entführer stammten aus dem Gazastreifen. Einen Tag nach der Entführung wurden die Häuser der Familien der vier Terroristen gesprengt. Ein Reporter von „Chadaschot" wurde mit dem Bild zu den Familien geschickt, und eine der Mütter identifizierte das Foto: „Es ist mein Sohn ..." Also war einer der Terroristen doch lebend aus dem Autobus herausgeholt worden?

In Israel gibt es keine Todesstrafe, auch nicht für Terroristen, die Dutzende Personen auf dem Gewissen haben. Viele von ihnen wurden seinerzeit gegen israelische Gefangene ausgetauscht, obwohl sie eigentlich eine lebenslängliche Strafe abzubüßen gehabt hätten. So sind Freischärler immer wieder überzeugt, daß sie nach einem Anschlag über kurz oder lang auf jeden Fall wieder auf freien Fuß gesetzt werden: eine Tatsache, die viele Israelis mehr als verdrießt.

Der Sprecher des Verteidigungsministeriums gab an, daß zwei Attentäter sofort tot, die zwei anderen verwundet und beim Abtransport ins Lazarett verstorben waren. Und er versicherte: „Israel tötet keine Gefangenen!"

Die Frage ist, was geschah auf dem Weg ins Krankenhaus wirklich. Sie wird nicht nur in der Weltpresse, sondern auch in Israel gestellt. Denn das ist sicher: Die Mehrheit der Israelis ist absolut gegen eine Lynchjustiz von irgendwelchen Sicherheitsbeamten.

Immerhin: Auch in den Händen der PLO befinden sich noch drei israelische Gefangene. Und ihr Leben wäre ganz gewiß gefährdet, wenn sich der Verdacht einer Lynchjustiz bewahrheiten sollte.

Mittlerweile hat Verteidigungsminister Arens die Einsetzung einer Untersuchungskommission bekanntgegeben, die klären soll, ob zwei der vier Terroristen erst in Gefangenschaft getötet wurden. An der Spitze der Kommission steht der ehemalige Armeeinspektor Meir Sorea.

Obwohl die israelische Militärzensur (der alle Zeitungen des Landes und die hier akkreditierten Korrespondenten unterstehen) verboten hatte, die Einsetzung dieser Untersuchungskommission zu melden, ignorierte die Zeitung „Chadaschot" — ebenso wie bei der Veröffentlichung des Bildes des Verhafteten — abermals diese Behörde.

Was dazu führte, daß noch am selben Tag beschlossen wurde, die Zeitung für vier Tage zu verbieten und die verantwortlichen Redakteure wegen Übertretung der Zensurgesetze vor Gericht zu bringen. Dies ist das erste Mal, daß eine hebräische Tageszeitung wegen Zensurübertritten vorübergehend geschlossen wurde. Arabischen Zeitungen in den besetzten Gebieten widerfuhren diese scharfen Maßnahmen der Zensur hingegen schon öfters.

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