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Nach Boom eine Zukunft mit Fragezeichen

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Der österreichische Kapitalmarkt - dies geht aus der nunmehr veröffentlichten Börsenbroschüre der Girozentrale hervor - stand 1976 im Zeichen neuer Rekordziffem und es ist zu erwarten, daß 1977 eine ähnhch lebhafte Entwicklung bringen wird. Immerhin lag der Gesamtumlauf an festverzinslichen Wertpapieren (Anleihen, Kommunalschuldverschreibungen, Pfandbriefe, Kassenobligationen, Namens- und Bankschuldverschreibungen) Ende 1976 um 41 Milliarden Schilling höher als Ende 1975: Er betrug 184 Milliarden Schilling.

Innerhalb dieses Paketes sind insbesondere die Anleihen von Interesse; insgesamt wurden 1976 Anleihen im Gesamtwert von 38,9 Milliarden begeben, woraus sich - unter Abzug der 1976 zurückgezahlten älteren Anleihen - ein Nettozuwachs von rund 29 Milliarden Schilling ergibt.

Besonders erfreulich ist, daß vor allem die steuerbegünstigten Zeichnungen 1976 eine neue Rekordhöhe erreicht haben, kann man doch darin einen Erfolg der gezielten Förderungsmaßnahmen für eine Erziehung zum langfristigen Sparen erkennen. Familie Österreicher kaufte 1976 für rund acht Milliarden Schilling steuerbegünstigte Wertpapiere (davon sind etwa 6,2 Milliarden Anleihen, der Rest verteilt sich auf Pfandbriefe und Kommunalschuldverschreibungen).

Dennoch sehen Banker in diesen schönen Ergebnissen auch einen bedeutenden Wermutstropfen. Man argumentiert nämlich, daß sich insbesondere die Reduzierung der Sparförderung (von der ja nicht nur das Bausparen oder das Prämiensparen, sondern vor allem auch das Anleihesparen betroffen ist) per 1. Jänner 1977 von ursprünglich 15 Prozent Refun- dierung auf 10 Prozent viele Sparer motiviert haben könnte, „noch rasch 1976 Anleihe günstig* ?u kaufen“; dies würde bedeuten, daß sich 1977 der

Wertpapieren nicht so positiv gestalteh dürfte.

Obwohl sich deutlich zeigt, daß die privaten Anleger zinsbewußter und wertpapierbewußter geworden sind, halten Bankfachleute und Volkswirtschaftler die Zurücknahme bei der An- leiheförderung für nicht sehr glücklich, da gerade hier ein langfristiger Erziehungsprozeß gefährdet wird, dessen Bedeutung insbesondere unter Berücksichtigung der längerfristigen volkswirtschaftlichen Finanzierungs- erfordemisse beurteilt werden muß. Die Börsenpublikation der Girozentrale verweist wiederholt auf den Umstand, daß „die Bereitstellung langfristiger Finanzierungsmittel durch private Sparer den Kapitalmarkt stabiler und unabhängiger gestaltet“.

Man nimmt zwar generell an, daß durch die Akündigung einer Verringerung der staatlichen Sparförderung Mitte 1976 ein mehr oder weniger starker Vorzieheffekt eingetreten ist (der auf etwa zwei Milliarden geschätzt wird), doch herrscht allgemeine Unsicherheit bezüglich einer Prognose der Entwicklung der steuerbegünstigten Wertpapiere für 1977.

Dies hat insbesondere in der Tatsache seinen Grund, daß das Jahr 1977 aus mehreren Gründen eine Sonderstellung einnimmt, da heuer - auf Grund der 1972 gesetzten Maßnahmen (Änderungen bei den Bedingungen für das Prämiensparen, Bausparen und in bezug auf das Lebensversicherungsgeschäft) - rund 48 Milliarden Schilling (!) durch ablaufende Fünfjahresverträge freigesetzt werden, die zweifellos zu einem gewissen Prozentsatz in den Konsum fließen werden. Der Rest jedoch wird ein zusätzliches Veranlagungspotential darstellen, sei es in Form von Wertpapiersparen, Bausparen oder Prämiensparen. Kein Wunder, daß sämtliche Kreditsektoren an der Erarbeitung entsprechender „Sparpläne“ arbeiten.

Gesamtwirtschaftlich gesehen wirft nach dem Rekordjahr 1976 der Kapitalbedarf der öffentlichen Hand bereits seine Schatten voraus. Da das Budget für das Jahr 1977 mit einem Abgang in Höhe von 43 Milliarden prä- liminiert ist und dazu noch ein Konjunkturausgleichsbudget von etwa 7 Milharden kommen wird, stellt sich die Frage nach der Finanzierung dieses Defizits. Hier hat der Staatsschuldenausschuß bereits eine Empfehlung abgegeben, die dahin geht, etwa 35 Milliarden Schilling im Inland und rund 15 Milliarden Schilling im Ausland aufzunehmen. Dies dürfte - unter Berücksichtigung der Rückzahlungen und Zinsenleistungen für laufende Auslandskredite der öffentlichen Hand - einen Nettokapitalimport von etwa 14 Milliarden Schilling bedeuten.

Daß der österreichische Kapitalmarkt durchaus leistungsfähig ist, um auch große Volumina verkraften zu können, hat er insbesondere in deh letzten beiden Jahren bewiesen und man sieht in Bankkreisen keine SchWiäWgköiten’bötfeffäha’die Finanzierung der Emissionsvorhaben in Höhe von 31 Milliarden Schilling, die bereits angemeldet wurden.

Betrachtet man diese projektierten Ziffern, so stellt sich gleichzeitig die Frage nach einer Konsolidierung des Kapitalmarktes: Die Bruttoemissionen allein am Anleihemarkt erreichten 1975 und 1976 zusammen mit fast 68 Milliarden Schilling ein Volumen, das Ende 1974 nach fast 20jähriger Emissionstätigkeit am österreichischen Anleihemarkt insgesamt im Umlauf war. Demgegenüber steht die Tatsache, daß die hohe Schuldenaufnahme der öffentlichen Hand in den letzten Jahren zum Teil relativ kurzfristig war und es hier einer Konsolidierung bedarf, denn sollte es nicht gelingen, „die Staatsschuld auf eine langfristige Basis zu stellen, dann droht der Umschuldungsbedarf der öffentlichen Hand den Kapitalmarkt zu erdrük- ken.“

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