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Nach dem Einbruch neuer Krieg

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Obwohl die Hochs chul-Wahlen erst am 21. und 22. Mai stattlinden werden (an zwei Tagen deshalb, weil ein Wahltag vorlesungsfrei sein muß), will seit der dubiosen Abwahl des Zentralausschußvorsitzenden Schneider keine Ruhe im Gremium der österreichischen Studentenvertreter einkehren. (Siehe auch FURCHE 48 und 50/74).

Am spektakulärsten war zuletzt die „Invasion“ des abgewählten Vorsitzenden Schneider und anderer ÖSU-Fimktionäre in das Büro des nunmehrigen ZA-Vorsitzenden (und ÖSU-Dissidenten) Keckeis. Über diese Aktion gibt es zwei Versionen:

Keckeis und Mayer behaupten, daß sich Schneider und sein Team unbefuigterweise Zutritt zu den Büros verschafft hätten, um dort Material, das noch aus der Ära Schneider stammt, zu entfernen; aus diesem Grund sei auch die Polizei eingeschaltet worden.

In einem Flugblatt heißt es: „… um zu gewährleisten, daß keine wichtigen Unterlagen des Zentralausschusses mitgenommen würden.“ Aber es steht in dem gleichen Flugblatt, daß nunmehr „wichtige Budgetunterlagen und Aufzeichnungen … fehlen.“

Entweder haben also die (offensichtlich blinden) Polizisten das „Rollkommando“ (Flugblatt) mit den Akten abziehen lassen, oder — was wahrscheinlicher ist — es wurde gar nichts mitgenommen.

Diese Annahme wird auch durch die Darstellung der .Eindringlinge“ erhärtet: sie wallten lediglich Einsicht in den Briefverkehr sowie in die Finanzgebarung seit dem Amtsantritt von Keckeis nehmen, der ihnen bislang verweigert wurde (ein Recht, das Mandataren auf Grund des ÖH-Gesetzes zusteht). Diese Einsicht wurde ihnen erneut von Generalsekretär Mayer verweigert, der anwesend war und sofort die Polizei verständigte.

Warum der verjagte ZA-Vorsit- zende Schneider diesen unkonventionellen Weg der Akteneinsicht wählte, wird klar, wenn man bedenkt, daß Keckeis zwar seit 19. 12. 74 über die ÖH-Konten verfügen kann, es jedoch kein Budget gibt, sodaß eine Splittergruppe über ÖH- Gelder nach Gutdünken verfügen kann. Insbesondere wurde ohne Verständigung der anderen ÖH- Mandatare eine neue ÖH-Zeitung ins Leben gerufen. Als Autoren finden selbstverständlich nur Aktivisten der von Keckeis blitzschnell neu gegründeten DSU Verwendung und die Kosten dürften sich auf 70.000 Schilling belaufen. Zum Unterschied von früheren ÖH-Organen, die allen wahlwerbenden Gruppen redaktionellen Raum zur Verfügung stellten, kommen in der neuen Keckeis-Postille nur die DSU und die Kommunisten zu Wort (mit diesen muß Keckeis koalieren, um nicht ebenfalls einem Mißtrauensvotum zum Opfer zu fallen: eine Koalition, die die FURCHE bereits vorhergesagt hat). Kein Wunder, daß die anderen Fraktionen, die weder informiert waren, geschweige denn einer derartigen Verwendung von ÖH-Geidem zugestimmt haften, verstimmt sind.

Dies wiegt um so schwerer, als Keckeis es nicht für nötig erachtet, endlich einmal eine Sitzung des Zentralausschusses einzuberufen, denn er will bis zu den kommenden ÖH-Wahlen alleiniger Herr der ÖH bleiben. Die Zeitschrift der Fakultätsvertretung Juristen an der Uni- Wien meint dazu lapidar: „Vielleicht ist es gerade die Kontrollfunktion, die den Vorsitzenden davon abhält, sich den Kollegen aus ganz Österreich zu stellen.“

Weniger spektakulär, aber vielleicht umso konstruktiver war in diesem Zusammenhang ein Vorschlag, den der Studentenverband des österreichischen Cartellverban- desföGV) • anläßlich seiner Tagung in

Linz unterbreitete: Verankerung des konstruktiven Mißtrauensvotums im ÖH-Gesetz. Diese Bestimmung würde bewirken, daß dem jeweiligen Vorsiteenden nur dadurch das Mißtrauen ausgesprochen werden kann, daß gleichzeitig mit Mehrheit ein Nachfolger gewählt wird. Eine erfolglose Neuwahl gilt als Bestätigung desjenigen Funktionärs, gegen den sich das Mißtrauensvotum gerichtet hat.

Diese Bestimmung — wäre sie bereits bestehendes ÖH-Recht gewesen -t- hätte sich auf die österreichische Studentensituation segensreich auswirken können, denn die völlige Lähmung der österreichischen Hochschülerschaft infolge wilder Fraktionsintrigen, zufälliger Mehrheiten, gegenseitigen Mißtrauens und zahlreicher wahltaktischer Manöver wäre uns erspart geblieben.

Auch eine zweite Forderung des ÖCV stellt einen durchaus vernünftigen Grund zur Novellierung des ÖH-Gesetzes dar: Abschaffung der berüchtigten „Vertretungsvollmachten“, die bereits anläßlich der letzten Abwahl zu Manipulationsversuchen und zur Fälschung von Unter schriften geführt haben. Dazu wird weiters ausgeführt, daß „mit der persönlichen Stimmabgabe einem in der Verfassug zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz auch im Bereich eines Selbstverwaltungskörpers Rechnung getragen werden würde“.

Andere Gemüter wiederum erhitzen sich am prognostizierten Wahltermin. Die ÖSU hat bereits eine Novelle zum ÖH-Geseta gefordert, da dieses einen Wahltenmin an einem Mittwoch und Donnerstag in der zweiten Maihälfte festlegt. Just am 21. und 22. Mai befinden sich die Studenten der Technischen Hochschule (Graz) in den Ferien. Der in Aussicht genommene Termin in der Vorwoche (14. und 15. Mai) dürfte jedoch wiederum an der Uni-Innsbruck scheitern, wo bis zu diesem Datum (unmittelbar nach Inskriptionsende) die notwendigen statistischen Unterlagen noch nicht vorliegen werden. ÖSU-Chef Schneider sieht daher nur eine Möglichkeit im Juni, da jede andere Lösung einen Teil der Studentenschaft ihres Wahlrechtes berauben würde.

Gewürzt wird das studentische Durcheinander durch eine Aufsichtsbeschwerde der Vorsitzenden der Hauptausschüsse der Hochschülerschaft an den Universitäten und Hochschulen in Wien und den Bundesländern gegen Frau Minister Fimberg. Grund: die völlige Läh mung des Zentijalausschusses sowie das fehlende Budget für die kommenden Semester.

Überlagert wird die gesamte hoch- schulpölitische sowie studentische Situation jedoch derzeit durch die Verschleppung der ÖH-Reform. Fünf Jahre sind vergangen, ohne daß die Organisationsreform der Hochschulen auch nur einen Schritt weiter gekommen wäre.

Wenn eine kürzlich veröffentlichte IFES-Umfrage enthüllte, daß sich 61 Prozent der Studenten „in politischen Fragen überhaupt nicht engagieren“, 20 Prozent „etwas“, 6 Prozent „stark“, dann kann man den kommenden ÖH-Wahlen nur wenig guten Mutes entgegensehen.

Inwieweit die Ziffern repräsentativ sind, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, da die gegenwärtige Situation der Hochschülerschaft kaum Anreiz für hochschulpo- litisches Engagement bietet und die- Umfrage nur zum Teil veröffentlicht wurde. — Wohl kann jedoch legitimerweise aus der Umfrage geschlossen werden, daß die Mehrzahl der Studenten eine Beendigung des ÖH- Chaos wünscht und größtes Interesse an optimalen Studienbedingungen hat. Ein Unbehagen, das Studentenfunktionäre (insbesondere die radikalen), zum Nachdenken anregen sollte.

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