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Nach dem Koran

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In Ankara zeigte man sich außerordentlich befriedigt über den Verlauf der Moskauer Verhandlungen des türkischen Industrieministers Erez über eine umfangreiche sowjetische Wirtschaftshilfe für das Bosporusland. Mit einem Gesamtvolumen von schätzungsweise 350 Millionen' US-Dollar sollen vor allem langfristige Projekte wie ein bereits im Bau befindliches Aluminiumwerk, das erste seiner Art im Land, eine Erdölraffinerie und ein Stahlwerk finanziert werden. Insgesamt sind sechs Industriekomplexe geplant, die auch nach ihrer Fertigstellung noch umfangreicher sowjetischer technischer Hilfe bedürfen. Nach dem Rückschlag in Ägypten scheint die Mittelmeerpolitik des Kremls jetzt an den Dardanellen Fuß zu fassen.

In der türkischen Hauptstadt weist man in diesem Zusammenhang darauf hin, daß durch die Abkommen über eine auf etwa sechs Milliarden türkische Pfund geschätzte finanzielle und technische Entwicklungshilfe der Sowjetunion weder die Außenpolitik noch die NATO-Verpflichtungen des Landes beeinträchtigt würden. An die Hilfe seien keinerlei politische Bedingungen geknüpft. In Ankara gibt es jedoch auch warnende Stimmen, die darauf hinweisen, daß gerade die Entwicklung in Ägypten gezeigt habe, wie leicht ein vorderorientalisches Entwicklungsland von der roten Großmacht abhängig werden könne und wie schwer es sei, davon wieder loszukommen.

Die Regierung Melen will sich von solchen Befürchtungen, wie in der Umgebung des Ministerpräsidenten verlautet, in ihrer Politik nicht beeinflussen lassen. Natürlich hätte man, wie argumentiert wird, die dringend notwendigen Entwicklungsmittel lieber vom Westen bezogen. Die innenpolitische Entwicklung der letzten Jahre, besonders das Ansteigen des Terrors linksradikaler Gruppen, habe bewiesen, wie dringend das Land eines „großen Sprunges vorwärts“ auf wirtschafts- und sozialpolitischem Gebiet bedürfe. Es sei eine politische Ironie, daß man den linksgerichteten Verdruß über den kemalistischen Staat jetzt ausgerechnet mit Rubelmillionen bekämpfen müsse. Schuld daran seien aber allein die Vereinigten Staaten und der Westen.

Tatsache ist, daß die Türkei einer der größten Schuldner Washingtons ist. Auch gegenüber anderen NATO-Mitgliedstaaten ist das Bosporusland bis über beide Ohren verschuldet. Der Export türkischer Produkte stößt wegen mangelnder Qualität und einseitigen Angebotes im Westen immer noch auf große Schwierigkeiten. Anders ist es mit der Sowjetunion. Sie importiert seit längerem nahezu alles, was die Türkei anbieten kann und wurde daher zu einem der bedeutendsten Handelspartner Ankaras. Nachdem die USA sowohl ihre militärische als auch ihre wirtschaftliche Hilfe eingeschränkt haben, bot sich ein Abkommen mit der UdSSR als logischer Ausweg an.

In der Türkei gibt es bereits seit einiger Zeit eine Anzahl sowjetischer Entwicklungsexperten. Regierungskreise verhehlen durchaus nicht die mit ihnen gemachten schlechten Erfahrungen. Wie in Ägypten hat man auch hier längst gemerkt, daß die Russen sich noch schwerer an die orientalische Mentalität anpassen als die westlichen Entwicklungshelfer. Auch die sowjetischen Maschinen und Geräte erfüllten nicht die in sie gesetzten Erwartungen. Es hapert vor allem mit der Lieferung von Ersatzteilen. Viele sind, wegen ungenormter Herstellung einfach nicht verwendbar. Trotzdem glaubt man in Ankara, angesichts der restriktiven amerikanischen Entwicklungspolitik keine andere Möglichkeit zu haben als den Flirt mit Moskau. Für ihn hat man eine echt orientalische Rechtfertigung: der Koran erlaubt, so argumentiert man, vier Frauen. Warum sollte das nicht auch auf die Politik anwendbar sein?

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