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NACH DEM KULTURIY10NAT

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Den Kulturmonat „Europa in Graz” hat die Murmetropole ohne bleibende Schäden überstanden. Allerdings - das ist zu befürchten - auch ohne bleibenden Nutzen. Zeit also, über längerfristige und gewinnbringendere Unternehmen auf kultureller Ebene nachzudenken.

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Den Kulturmonat „Europa in Graz” hat die Murmetropole ohne bleibende Schäden überstanden. Allerdings - das ist zu befürchten - auch ohne bleibenden Nutzen. Zeit also, über längerfristige und gewinnbringendere Unternehmen auf kultureller Ebene nachzudenken.

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Schon sehr lange sehr viel, aber bisher wenig Konkretes zeitigend -nachgedacht wird über ein Kulturhaus im Herzen des Grazer Stadtparks. Mitte der achtziger Jahre erblickte es als „Museum der steirisehen Moderne” das Licht der Welt, gezeugt vom Forum Stadtpark-Mitbegründer Günter Waldorf. Landeshauptmann Josef Krainer übernahm spontan die Patenschaft und versprach alsbaldige Verwirklichung des Projekts. In zahllosen Enqueten und Hearings wandelte es sich zum Trigon-Museum, schließlich zum Trigon-Haus (ein Architekturwettbewerb erbrachte bereits vor fünf Jahren ein hochinteressantes Projekt des Teams S chro m/Tschapeller/S chöffauer).

Dann brach die Eiszeit aus. Krainer, mittlerweile auch Landeskulturreferent geworden, und sein SP-Stell-vertreter auf dem Sessel des Landesfürsten, Peter Schachner-Blazizek, verloren die Kommunikationsbasis. Das Trigon-Haus fiel in Trümmer, bevor noch der Spatenstich (seit Frühjahr 1990 ständig verschoben) getan werden konnte. Obwohl das Geld für den Bau bereits auf der hohen Kante lag (und weiterhin liegt).

Verzweifelte Rettungsversuche

Im Herbst des Vorjahrs wagte ein privates Proponentenkomitee einen verzweifelten, eher belächelten Rettungsversuch. Und siehe da: neuer Schwung kam ins verfahrene Getriebe. So viel Schwung, daß nun vor der großen Polit-Sommerpause mit der offiziellen Einigung über das Trigon-Haus zu rechnen ist. Das heißt - das Wort Trigon (eine Hommage an die Dreiländer-Biennalen des „steirischen herbstes”) wird aller Voraussicht nach aus der Bezeichnung des multifunktional angelegten neuen Zentrums im Pfauengarten gestrichen. Wie es wirklich heißen, vor allem aber wie sein Konzept tatsächlich aussehen wird, erwartet die kulturinteressierte Steiermark mit Spannung.

Mit Überraschung aufgenommen wurde dieser Tage die Mitteilung des Grazer Kulturstadtrats Helmut Strobl, aus der Groß-Discothek „TEATRO” am Grazer Lendplatz eine Spielstätte für alternative Theatergruppen zu machen. Ab Herbst dieses Jahres und unter Leitung des Schauspieler-Duos Dorothee Steinbauer-Wolfgang Dobrowsky. Zur Freude der Theaterfans, allerdings zum Leidwesen der jungen Grazer Musikszene, die im TEATRO ihren einzigen Ort alternativen Geschehens gefunden hatte.

Mit dem „TEATRO” löst die steirische Landeshauptstadt ein, was seit Jahren urgiert wird - die Schaffung eines Hauses für alle jene freien Theatergruppen, die nicht (wie etwa der THEATERmeRZ oder das Theater im Keller) über eigene Proben- und Spielstätten verfügen (Pläne mit zwei ehemaligen Kinos - Apollo, Thalia -gingen gewissermaßen auf dem Amtsweg verloren). Steinbauer und Dobrowsky, die in den vergangenen Jahren mit mehreren Produktionen an wechselnden Orten als kreative Theatermacher abseits des etablierten Bühnenbetriebs überzeugen konnten, werden das „TEATRO” in eigener Verantwortung führen und programmieren.

Immer schon, nein, korrekter: seit geraumer Zeit eine äußerst schillernde Facette steirischer Kultur ist die architektonische. Was unter dem vereinfachenden, oft auch fälschlich verwendeten Prädikat „Grazer Schule” Furore gemacht hat, ist in Summe ein breites Spektrum an Bauideen der ungewöhnlichen Art.

Jedoch: Veränderungen der politischen Landschaft sorgen seit den letzten Landtagswahlen für Unruhe unter den steirischen Planern, sie fühlen sich vom neuen Baulandesrat (Michael Schmid, FP), gelinde gesagt, boykottiert. Und Schmid macht seinerseits keinen Hehl daraus, daß er viele der auch international für Aufsehen sorgenden - gewiß nicht immer unumstrittenen - neuen Steirer-Bau-ten für überflüssig hält. Schmids simple Formel: „Experimentell = teuer”.

Der Streit eskalierte im Rahmen der Vergabe des Steirischen Landes-architekturpreises 1992. Schmid lehnte den Vorschlag der Jury, der steirischen Architektur den Preis pauschal zu verleihen, ab und forderte die Prämierung eines konkreten Projektes ein. Nach langem Hin und Her einigte man sich schließlich auf die Beprei-sung der zum Wettbewerb eingereichten Arbeiten. Weitere Konflikte, dazu bedarf es keiner prophetischen Gabe, sind programmiert.

Kräftige Zeichen

Inzwischen allerdings gibt der Stei-rer Bau weiterhin kräftige Zeichen von sich. In Form realisierter Architektur ebenso wie publizistisch. Zwei, in den vergangenen Tagen erschienene Bücher untermauern beeindruk-kend den guten Ruf der grünweißen Architektur in allen Bereichen. Von der Turnhalle bis zum Rüsthaus, vom Einfamilienhäuschen bis zur Großsiedlung.

„Architektur als Engagement”, herausgegeben vom Grazer Haus der Architektur (150 Seiten, zahlreiche Färb- und Schwarzweißbilder, 560 Schilling), verblüfft mit einer Fülle von Projekten, die im Zeitraum von lediglich sieben Jahren Wirklichkeit wurden. „Wohnbau in der Steiermark” (eine Publikation des Ziviltechnikerforums und der Architekten-Zentralvereinigung, 360 Seiten, zahlreiche Färb- und Schwarzweißbilder, 500 Schilling) dokumentiert den nämlichen Zeitraum von 1986 bis 1992, aber eben nur ein spezielles Architektur-Segment.

Was die beiden höchst informativen Bände in Wort und Bild darlegen, läßt sich zweifellos nicht mehr als Randphänomen vom (Politiker)Tisch wischen. Die Namen von Architekten (gruppen) wie Archetyp, Artec, Cro-ce/Klug, Günther Domenig, Konrad Frey, Volker Giencke, Ernst Gisel-brecht, Gruppe 3, Bernhard Hafner, Eilfried Huth, Klaus Kada, Kapfham-mer/Wegan/Kossdorff, Michael Kocher, Kreutzer/Krisper, Ingrid & Jörg Mayr, Riegler/Riewe, Hubert Riess, Martin Strobl, Team A, Szysz-ko witz/Ko walski, Irmfried Windbichler, Manfred Wolff-Plottegg, Manfred Zernig stehen für eine originäre Baukunst, die das Stadium frischfröhlichen Experimentierens längst hinter sich gelassen hat. Ohne deshalb in Posen aus Beton, Ziegel, Stahl, Holz und Glas zu erstarren.

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