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Nach politischen Mißerfolgen: Warnzettel flattern Carter zu

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Es war kein guter Winter für die Vereinigten Staaten, denn Naturkatastrophe reihte sich an Naturkatastrophe: gigantische Schneefälle und Verwehungen im Nordosten und Mittelwesten, gewaltige Überschwemmungen in Kalifornien. Folge: Die ungünstige Wirtschaftslage dürfte auch die nächsten Monate hindurch anhalten. Vor diesem Hintergrund heben sich die neuerlichen Niederlagen und Rückschläge für die Regierung Carter kaum ab. Jeder Rückschlag scheint die Voraussetzung für den nächsten zu schaffen, nicht zuletzt deshalb, weü sich die politischen Kräfte langsam von Carter abzuwenden beginnen, um nicht in den Sog der Niederlagen gerissen zu werden.

Bester Beweis für diese Entwicklung: Die kürzliche Nachwahl zum Abgeordnetenhaus in einem überwiegend „demokratischen“ Wahlkreis der Stadt New York, wo ein fast unbekannter Republikaner namens Green die viel bekanntere Parlamentarierin Bella Abzug ausmanövrierte. Vermutlich gab Greens Wahlslogan mit den Ausschlag für seinen Erfolg: „Sendet Präsident Carter einen Warnzettel! Er hat versprochen, New York finanziell zu retten, nun will er es im Stich lassen.“

New York ist kein Fall für sich. Es ist gewissermaßen ein Symptom für Carters Dilemma. Carter versprach noch im Wahlkampf die Vorlage für ein ausgeglichenes Budget 1980, daher versucht er sich jetzt von allen finanziellen Verpflichtungen zu befreien, die sozusagen „außerbudgetär“ sind. Wenn er New York hilft, müßte er Detroit, Los Angeles und allen andern Großstädten helfen. All diese Städte leiden unter der selben Entwicklung: Auszug der produktiven Arbeitskräfte und Uberhandnehmen der auf soziale Renten angewiesenen Bevölkerungsteile. Ein Faktum, das durch die relativ hohe Arbeitslosigkeit noch schwerer wiegt.

Der Präsident kann es offenbar niemandem recht machen: Hilft er New York und verstärkt die Ausgabenseite, wird er für die fiskalisch Konservativen ein „Verschwender“. Verweigert er jedoch Hilfe, wendet sich die städtische Wählerschaft von ihm ab und seine politischen Chancen werden geringer.

Nicht Carters Schuld ist, daß die Verhandlung über das Energiegesetz im Kongreß wieder einmal ins Stocken geraten sind, obwohl ein Kompromiß über die Preisgestaltung bei Erdgas zuletzt in greifbare Nähe gerückt war. Dieses Gesetz wird vermutlich noch Monate die Parlamentarischen Körperschaften beschäftigen und im Ausland den Eindruck verstärken, daß das amerikanische Volk nicht bereit ist, Energie zu sparen. Was im großen und ganzen auch stimmt! Diese Entwicklung hat nicht nur Carters innenpolitische Handlungsfähigkeit erheblich geschwächt, sondern auch seine Durchschlagskraft nach außen hin vermindert.

Carters Forderung nach einer rascheren Expansion der deutschen und japanischen Wirtschaft wird zwar auch von der Bank für internationalen Zahlungsausgleich unterstützt, denn nur durch intensive Zusammenarbeit der großen westlichen Wirtschafts-Nationen kann die Wirtschafts- und Währungskrise gelöst werden. Doch den USA fehlt es an überzeugender Stärke bei ihrer Initiative: „Wenn Carter sich nicht einmal in seinem eigenen Kongreß durchsetzen kann, dürfen wir unser politisches Schicksal nicht allzu sehr an Washington binden“, sagen sich die Regierungschefs der großen Wirtschaftsnationen. Das Gespenst protektionistischer Eingriffe geistert wieder durch die Weltwirtschaft!

Uberhaupt hat die amerikanische Außenpolitik in jüngster Zeit einige Rückschläge hinnehmen müssen. So steht Carter jetzt vor dem Zusammenbruch seiner Rhodesienpolitik. Wider Erwarten Washingtons haben sich Premierminister Smith und die gemäßigte schwarze Mehrheit im Land auf einen graduellen Ubergang der Macht an die schwarze Mehrheit geeinigt. Die von den Amerikanern unterstützten Radikalen, sehen sich nun nicht mehr einer gespalteten, sondern einigermaßen geeinten Front in Rhodesien gegenüber. Schon gibt es Anzeichen, daß die Engländer, die bisher auf Seite der Radikalen standen, umschwenken, weil die öffentliche Meinung in England eine evolutionäre Lösung in Rhodesien sicherlich mit Befriedigung aufnehmen wird. Auch im amerikanischen Kongreß wird es wenig Sympathien für die Radikalen geben, da diese vermutlich für eine sowjetisch-kubanische Intervention plädieren. Eine Blamage für Washington: Carter hat zwischen dem Einschwenken auf den gemäßigten Kurs oder einer Assoziierung mit jenen Kräften zu wählen, die am Horn von Afrika die westlichen Transportlinien für das lebenswichtige Erdöl bedrohen.

Daß der israelisch-arabische Konflikt nicht durch Konferenzen in Genf oder persönliche Interventionen des erfolgshungrigen Präsidenten gelöst werden kann, ist endgültig klar geworden. Entscheidungen, die die Zukunft von Generationen bestimmen, können nur wachsen und müssen Schritt für Schritt pragmatisch durchgesetzt werden. Carter will jedoch nicht in dieser Weise vorgehen: Er übt auf Begin Druck aus, indem er den potentiellen taktischen Gegner Israels moderne Kampfflugzeuge liefert. Das könnte Carter noch einmal schwer zu schaffen machen, denn die Israels haben in den USA ein überaus starkes Lobby.

Die Zeichen stehen für den amerikanischen Präsidenten also nicht besonders gut. Carter ringt um einen weithin sichtbaren Erfolg und der wird offenbar durch die Ratifizierung der Panamakanalverträge angestrebt. Ratifiziert sind die Verträge, wenn zwei Drittel der Senatoren zustimmen. Zur Zeit wird hinter den Kulissen um jede Stimme gerungen. Da die Bevölkerung zu etwa 60 bis 70 Prozent gegen die Aufgabe des Kanals ist, hat der Senat Zusatzformeln entworfen, die das Interventionsrecht auf Verteidigung des Kanals nach dem Jahr 2000 festigen und das Vorfahrtsrecht für amerikanische Schiffe im Fall einer Krise sichern sollen. Aber selbst mit diesen Formeln - die Panama natürlich akzeptieren muß - ist der Ausgang noch fragwürdig: Gleichzeitig mit der Abstimmung über die Panamakanalverträge wird über die Zusage moderner Kampfflugzeuge an die Araber im Senat entschieden werden. Gerade der Pro-Israelische Block im Senat ist auch jener, der die Ratifizierung der Panamaverträge unterstützt...

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