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Nach zwei Jahren abgeschossen

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Yon welchem der Dompteure dieses Dinosauriers Staatsoper stammt das Zitat? War es Gustav Mahler, dem Wiens Bürokratie übel mitgespielt hat? War es Richard Strauss? Waren es Karl Böhm, Herbert von Kara-jan oder Lorin Maazel, die Wien verbittert verlassen haben?

Es war Staatsoperndirektor Claus Helmut Drese, der seine zwischen dem März 1984 und Juli 1991 notierten Tagebuchdetails jetzt als Buch vorlegt. „Im Palast der Gefühle" ist eine 435-Seitenbilanz geworden: Dreses Rückblick auf Wien, auf Erfahrungen mit Ministern und Beamten, die ihm auf eine wenig feine Wiener Art mitgespielt haben und den auf Vertragsverlängerung Wartenden im Regen stehen ließen, auf Erfahrungen mit Künstlern und Kritikern und auf Enthüllungen über die Kunst der Intrige und des Fallenstellens wienerischer Prägung.

Drese zieht es vor, keine Namen zu nennen. Wen interessieren heute etwa die Namen irgendwelcher intriganten Hofbeamten, die Gustav Mahler das Leben schwermachten? Aber jeder weiß genug, wenn Drese etwa auf Seite 388 - Titel: „Politische Farce" — auf einen der heiklen Punkte kommt und von der „Freunderlwirtschaft" im allgemeinen, vom Ringelspiel der Wiener Karrieren im besonderen und vom Aufstieg des ehemaligen Kanzlersekretärs im speziellen schreibt: „Alle haben ihr Ziel erreicht". „Der Minister macht Karriere, sein Vize wird Chef der Bundestheater, der neue Opern-direkter hat sich seinen Traum erfüllt, der Agent, der schon immer drinnen sein wollte, ist Vize-

direktor. Ein perfektes Spiel der Interessen: Man hat sich gegenseitig die Steigbügel gehalten."

Pikante Details gehören zur Bestellung von Operndirektoren, die fast überall in der Welt ein Politikum ist. Die Geschichte der großen Opernhäuser Europas ist umrankt von zahllosen Histörchen, wie wer wem zuliebe geholfen hat, etwas zu werden, Paris, Mailand und Wien sind Paradebeispiele.

Claus Helmut Drese, der honorige Mann aus Aachen mit der jahrzehntelangen Theatererfahrung in Wiesbaden, Köln und. Zürich, wollte sich in Wien seinen Operntraum, sein „Lebensfest", erfüllen. Er wollte der Wiener Staatsoper zwischen 1986 und 1991 einen neuen Weg innovativen Musiktheaters weisen. Er wollte das Repertoire durch aktuelle Entdeckungen und neue Werke bereichern und das Publikum an eine neue, „zeitgemäßere" Ästhetik in der optischen Gestaltung der Produktionen gewöhnen.

Der Abgang war wienerisch: Drese ist nicht gescheitert. Er hat so manche Produktion von hoher Qualität hinterlassen. Aber er hat sich mit zu vielen angelegt. Man hat ihn, teils mutwillig, teils mit politischer Absicht, schlechtzumachen versucht. Und zu guter Letzt gab's den üblichen wehmütigen Abschied mit Festlichkeiten und goldenen Worten. „Man wird Sie noch vermissen. Das Haus ist ein Moloch, der schon bald wieder nach seinem nächsten Opfer schreit."

IM PALAST DER GEFÜHLE.

Erfahrungen und Enthüllungen eines Wiener Operndirektors. Von Claus Helmut Drese. Piper-Verlag, München 199), 43$ Seiten, öS 398,-.

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