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Nachbarn sind zusammengerückt

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Als vor mehr als zehn Jahren im . November 1978 in Venedig die AUGE Alpen-Adria gegründet wurde (siehe S. 16), gab es mancherlei Skepsis: Ist das nicht außenpolitische Anmaßung einiger Regionen oder gar „Konferenz-Tourismus“?

Die Gründung der ARGE Alpen- Adria war im Gegenteil Ausdruck verstärkten föderalistischen Bewußtseins, welches im letzten Jahrzehnt auch mit einem deutlichen internationalen Trend zur Dezentralisierung sogar in bisher zentra-

listisch organisierten Staaten, wie beispielsweise Spanien und Frankreich, bestätigt wurde.

Es war aber sicher auch das Bewußtsein der Gründungsmitglieder, in einem der historisch bedeutsamen Räume Europas zu leben. Insbesondere den wesentlichen Gründungsmotoren, den Venezianem und den Steirern, war dies von Anfang an besonders bewußt. Schließlich war Graz lange Residenz der Habsburgischen Ländergruppe Innerösterreichs, welche die Kerngebiete der ARGE Alpen-Adria umfaßte, die heute aus vier österreichischen Bundesländern, Oberitalien, Kroatien und Slowenien, Bayernundnun auch aus ungarischen Komitaten besteht.

In der Steiermark haben wir uns seit 1945 besonders tun eine aktive Nachbarschaftspolitik bemüht. Wirtschaft - und hier insbesondere die Grazer Messe mit ihrem verpflichtenden Attribut „Südost“ -, Wissenschaft und Kultur - vor allem der Trigon-Gedanke Hanns

Körens - hatten bedeutende Vorrei- terrolle.

Das Bekenntnis zur EG-Integra- tion und das Bemühen um Nachbarschaftspolitik sind die zwei unverzichtbaren und einander ergänzenden Stützpfeiler unserer regionalen Außenpolitik.

Die ARGE Alpen-Adria ist auf geographisch kleinem, aber hi- stoisch bedeutendem Raum im Herzen und Schnittpunkt der drei großen Kulturen - der romanischen, der slawischen und der deutschen -, aber auch der politischen und wirtschaftlichen Systeme unseres Kontinents ein europäischer MikrokosmosAuch in Zeiten von Spannungszuständen und weltpolitischer Stagnation konnten hier wertvolle Brücken gebaut werden, Brücken in die Zukunft.

Durch die Zusammenarbeit in der ARGE Alpen-Adria aus Ländern der verschiedensten wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Systemen - neutrale und EFTA-Mitghe- der, blockfreie, NATO- beziehungsweise EG-Mitglieder und COMECON- beziehungsweise Warschauer Pakt-Mitglieder - Wird die nationale durch regionale Außenpolitik nicht konkurrenziert, sondern sinnvoll ergänzt und das notwendige europäische Gemeinschaftsge fühl gestärkt.

Dies haben auch die Außenminister Österreichs, Ungarns, Jugoslawiens, Italiens und der Bundesrepublik Deutschland in ihrer Millstätter Erklärung im Juni 1988 anläßlich des offiziellen Zehnjahres- Jubiläums der ARGE Alpen-Adria unterstrichen.Welch große Attraktivität diese ARGE Alpen-Adria gewonnen hat, zeigt sich daran, daß nunmehr auch Montenegro und Bosnien-Herzegowina Beitrittswünsche geäußert und damit ihre Europa-Orientierung dokumentiert haben. Nicht zuletzt deshalb wird die ARGE Alpen-Adria von einigen serbischen Nationalisten mißtrauisch beobachtet.

Europäisches Bewußtsein wächst gerade in einer Zeit verstärkten Strebens nach Dezentralisierung und Regionalisierung nicht zuletzt durch die Kooperation von Regionen und Gemeinden über die natio- naleGrenzenhinweg.

Dezentralisierung ist angesichts zahlreicher Ohnmachts-und Verdrossenheitsphänomene und der Sehnsucht vieler Bürger nachÜber- schaubarkeit und Mitgestaltungsmöglichkeit von besonderer B edeu- tung.

Der notwendige europäische Binnenmarkt kann bei allen Vorteilen auch die Gefahr der Verlagerung vieler Entscheidungskompetenzen in noch bürgerfemere Zentralen in sich bergen. Auch dies ist ein starkes Argument für mehr Föderalismus.

Nicht zuletzt so verstehen wir die großen und wichtigen, eigentlich alten und nunmehr mit neuem Elan vorgetragenen Ideen einer großen europäischen Konzeption. Dem Gerede von der Euro-Sklerose ist die Diagnose von neuer Euro-Dynamik gewichen.Ist es nicht ein eindrucksvolles Zeichen für die aus großer Tradition schöpfende Vitalität Europas, daß sowohl im Westen als auch im Osten des Kontinents große Reformanstrengungen gemacht werden -einerseits zur Schaffung des europäischenBinnenmark- tes, andererseits in der „Glasnost“ und „Perestrojka“.,

Zugleich ist es die faszinierende Idee eines Europa von Carbo da Roca, dem westlichsten Punkt Europas am Atlantik, bis zum Ural, vom Nordkap bis Sizilien; nicht eines Einheitsstaates, sondern eines Europa, das seine unermeßliche Innovationskraft aus dem Reichtum der Vielfalt seiner Völker und Regionen bezieht.

An der Schwelle zum zweiten Jahrzehnt der Tätigkeiten innerhalb der ARGE Alpen-Adria gewinnen Bereiche der Ökologie immer mehr an Bedeutung und prägen damit auch die Schwerpunkte in der Arbeit der Fachkommissionen. Ausgehend von den zwei geographischen Faktoren - die Adria und die Alpen - stehen die Belastungen, welchen die Meeresfauna und -flora ausgesetzt sind, aber auch jene, die etwa durch den ansteigenden Transitverkehr über die Alpen hervorgerufen werden, an der Spitze der

BemühungenJUs Beitrag der Steiermark zur Lösung des Problems der Adriaverschmutzung ist die Vergabe eines Forschungsauftrages an das Meeresbiologische Institut der Universität Wien hervorzustreichen.

Zum Vorsitzenden der Kommission für Raumordnung und Umweltschutz wurde heuer Hof rat Gunther Hasewend aus der Steiermark gewählt.

Bereits in kurzer Zeit wurdenneue Ideen entwickelt. So soll entlang der Seen und Gewässer des Alpen- Adria-Raumes ein fast 1.000 Kilometer langer Radwanderweg konzipiert werden. Weiters wird über steirischen Vorschlag für den gesamten Alpen-Adria-Raum eine Satelliten-Karte erstellt. Damit sollen objektive und vergleichbare Daten über Waldschäden und Änderungen im Umweltbereich gewonnen werden.

Die notwendige Strukturemeue- rung der historisch gewachsenen und traditionsreichen Industriezentren fordert zu verstärkten Bemühungen um wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Innovation heraus.

Die Mitgliedsländer der ARGE zählen ja in ihren jeweiligen Gesamtstaaten zu den wirtschaftlich stärksten, dynamischesten und innovativsten Regionen. Von seiten der Steiermark wird daher die TECH- NOVA-Messe in Graz als eine Drehscheibe im Raume der ARGE Alpen-Adria gesehen.

Entsprechende Vorarbeiten sind geleistet und fanden auch die Zustimmung derübrigenMitglieder in der Arbeitsgemeinschaft, sodaß 1990 die TECHNOVA als Alpen-Adria- Innovationsmesse in Graz stattfin- den wird.

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