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Nachbarn suchen Kultur-Kontakt

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Gutnachbarliche Beziehungen bestehen bereits jetzt zwischen der angrenzenden Steiermark, dem Burgenland und Wien Ungarn will sie verstärken.

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Gutnachbarliche Beziehungen bestehen bereits jetzt zwischen der angrenzenden Steiermark, dem Burgenland und Wien Ungarn will sie verstärken.

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Einen Kulturaustausch mit flankierenden Maßnahmen haben verschiedene ungarische Spitzenpolitiker gleichzeitig, aber ohne Absprache mit dem österreichischen Botschafter in Budapest Johannes Dengler angeboten. Der Kultur-Landesrat der Steiermark Kurt Jungwirth war kürzlich als „Kultur-Botschafter” in Budapest, um Vorschläge zu erörtern und sich unter anderem über den Stand heutiger ungarischer bildender Kunst zu informieren. In nächster Zeit sollen die Vorschläge mit den Kulturreferenten der übrigen Bundesländer diskutiert und ein Konsens erreicht werden.

Schon seit zwölf Jahren bestehen kulturelle und wissenschaftliche Kontakte der Steiermark mit der Hauptstadt des Grenzko-mitates Vas, Szombathely (Steinamanger), seit vielen Jahren werden ungarische Maler und Bildhauer zu den „Internationalen Malerwochen” und zur „TRI-GON”-Ausstellung im „steiri-schen Herbstes” eingeladen. Gemeinsame Symposien finden ebensp wie Sportveranstaltungen statt. Durch geschickte Vermittlung des Verwaltungsdirektors der Grazer Vereinigten Bühnen, Thomas Tarjan, eines gebürtigen Ungarn, gastieren Sängerinnen und Sänger aus Budapest in Graz, überdies gibt es enge Kontakte zum Savaria-Orchester aus Steinamanger.

Doch dies sind — wenngleich wertvolle — Grenzkontakte mit der Steiermark, die mit dem Burgenland schon etwas schwächer sind, auch mit Wien nur punktuell. So wurde die Landesausstellung „Erzherzog Johann” in Stainz in Steinamanger liebevoll mit „Ja, ja, unser Joan Basci” kommentiert.

Was wollen nun die Ungarn? Nicht nur Grenzkontakte, sondem Kontakte von Künstlern, Kunstvereinen, Jugendclubs, Freizeitorganisationen aller Komitate (der Nachfolger der historischen Grafschaften) mit allen österreichischen Bundesländern. Die Kultur sei der Humus, aus dem sich Beziehungen in den Wissenschaften, der Wirtschaft und im zwischenmenschlichen Bereich bis hin zum Sport entwickeln, meint man drüben.

Ein Humus, der es erst möglich mache, in der Realität und unter Wahrung der Menschwürde zusammenzuleben. Ganz große Bedeutung kommt in allen Gesprächen in Budapest der Tatsache zu, daß in einer Zeit großer Weltkrisen die Freundschaft zwischen kleinen Nationen solche Krisen zwar nicht lösen könne, aber damit kleine „Friedens-In-seln” geschaffen würden.,

Eines der Hauptprobleme im kulturellen Bereich ist in Ungarn von Kadars „leisem Weg” die Furcht der Komitate, daß der Kultur-Kuchen im Budget (9,3 Prozent) die Provinz gegenüber der Hauptstadt benachteilige.

Ein typisches Beispiel dafür ist die Budapester Kunsthalle mit fünf kleinen Dependancen, etwa vergleichbar mit den größten Galerien in österreichischen Bundesländern, die nicht weniger als 95 (!) Mann Personal zur Verfügung hat. Derzeit sind dort drei Ausstellungen zu sehen: die Sowjetunion zeigt bessere Bilder als bei der Biennale in Venedig, da viele Künstler aus den ehemaligen baltischen Staaten und aus Zentralasien gezeigt werden. Weiters gibt es eine äußerst bemerkenswerte Ausstellung des Dokumentarfo-tografen Lucien Aigner, eines politischen Emigranten, den man zur Vernissage sogar einreisen Heß und eine noble Ambiente-Ausstellung mit herabhängenden Röhren und Musik und einem Raum mit Luftballons und Fassadenentwürfen für Gemeinschaftshäuser, bei denen der Besucher Lichtspiele veranstalten kann.

Ein Besuch von Verdis „Travia-ta” im Erkel-Theater (das Gebätf-de der Budapester Staatsoper ist baufällig und wird ganz ohne Jury und Wettbewerb wieder im alten Zustand hergestellt) überzeugt von der Spitzenqualität der musikalischen Leistungen auf der Bühne und im Orchestergraben. In der Künstlergalerie Szenten-dre am rechten Nebenarm der Donau, etwa 40 km von Budapest entfernt, leben 50 Künstler, 25 ständig, 25 nur im Sommer. Ihre Werke sind nobel, doch Kandins-ky und Leger schauen ein wenig aus den Rahmen, originär dagegen die konstruktiven Elemente, die in der modernen Kunst immer aus dem Osten kamen.

Die Künstler können auch in Galerien ausstellen, zwei „Altmeistern” von Szentendre hat man gewaltige ständige Personalausstellungen eingerichtet: dem 82jährigen Barcsay, ehemals Mitglied der „Wiener Werkstätte”, und der 1977 verstorbenen Keramikerin Margit Kovacs, die unverwechselbare ikonografische Mythen sichtbar machte.

Botschafter Dengler hat einen .Austauschkatalog” vorgelegt mit einer breiten Palette, beginnend mit kompletten Opernpro-düktionen über gemeinsame Maturareisen ungarischer und österreichischer Schulklassen auf die Gebiete beider Länder bis zur dringend notwendigen Sanierung der Eisenbahnlinie Graz-Budapest und zu gemeinsamen Jugend-, Freizeit- und Senioren-Austauschprogrammen, für die die Ungarn sich als Partner allerdings den österreichischen Gewerkschaftsbund wünschen.

Ungarnwoche in Innsbruck

Landesrat Jungwirth nahm alle Anregungen auf und es hat den Anschein, als ob sich mit diesen bunten und vielfältigen Programmen wirklich ein kleiner Entspannungsraum bilden könnte.

Artur Kremser, seit 17 Jahren Leiter des österreichischen Kulturinstituts in Ungarn weist nach, daß schon in den letzten Jahren die Zahl der in Budapest als Gäste referierenden Wissenschaftler zugenommen hat. Übrigens: auch der Tiroler Landeshauptmannstellvertreter Fritz Prior war in Budapest - Ergebnis: 1983 findet eine „Ungarnwoche” in Innsbruck statt.

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