6895867-1980_10_15.jpg
Digital In Arbeit

Nachfragestützung ab 1975 für das Ausland

19451960198020002020

Das Defizit des Budgets und das Defizit der Leistungsbilanz sind seit der Rezession von 1974/75 die beiden Hauptprobleme der österreichischen Wirtschaftspolitik. Auch der jüngste OECD-Bericht unterstreicht neuerlich, daß „der eigentlich beschränkende Faktor für die österreichische Volkswirtschaft das mittelfristige Leistungsbilanzdefizit (ist)". Zum Problemkreis „Budget und Zahlungsbilanz" hat jetzt das „Institut für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung" eine Untersuchung herausgegeben, aus der wir diesen Beitrag von Karl Socher, Universitätspröfessor für politische Ökonomie an der Universität Innsbruck, zum Komplex Budgetpolitik entnommen haben.

19451960198020002020

Das Defizit des Budgets und das Defizit der Leistungsbilanz sind seit der Rezession von 1974/75 die beiden Hauptprobleme der österreichischen Wirtschaftspolitik. Auch der jüngste OECD-Bericht unterstreicht neuerlich, daß „der eigentlich beschränkende Faktor für die österreichische Volkswirtschaft das mittelfristige Leistungsbilanzdefizit (ist)". Zum Problemkreis „Budget und Zahlungsbilanz" hat jetzt das „Institut für angewandte Sozial- und Wirtschaftsforschung" eine Untersuchung herausgegeben, aus der wir diesen Beitrag von Karl Socher, Universitätspröfessor für politische Ökonomie an der Universität Innsbruck, zum Komplex Budgetpolitik entnommen haben.

Werbung
Werbung
Werbung

Die Budgetpolitik hatte schon in den früheren Konjunktureinbrüchen von 1958 und 1967 durch bedeutende Defizite eine Stabilisierungsfunktion übernommen. Es war einige Jahre nach der Rezession jeweils gelungen, die Defizite im Zuge des Aufschwungs wieder abzubauen. In der Rezession 1974/75 wurde wieder ein konjunkturgerechtes Defizit eingegangen, um den Nachfrageausfall infolge erhöhter Ersparnisse der privaten Haushalte und geringerer Investitionsausgaben der Unternehmen zu kompensieren.

Das Budgetdefizit des Bundes war 1975 relativ höher als in den vorangegangenen Rezessionen und blieb länger auf dieser Größe, weil die Erholung der weltwirtschaftlichen Konjunktur später als erwartet kam. Der „Stabilisierungsbedarf', der durch das Budgetdefizit gedeckt wurde, wäre geringer gewesen, wenn die Überhitzung der Konjunktur 1971 bis 1973 rechtzeitig durch Maßnahmen der Geld- und Budgetpolitik gedämpft worden wäre. Auch die Einkommenspolitik hat den Stabilisierungsbedarf erhöht.

Geht man aber einmal von der Situation in den Jahren 1974/75 aus, dann wäre der Umfang der Defizite in den folgenden Jahren auch dadurch geringer gewesen, wenn die Wechselkurspolitik spätestens im Jahr 1975 die Aufwertung der vergangenen Jahre korrigiert hätte. Die nachfragestützende Wirkung der Budgetdefizite ging ja nach 1975 per Saldo zum größten Teil in das Ausland.

Es ist kaum möglich, den Umfang des Leistungsbüanzdefizits bei der Alternative einer wettbewerbsneutralen Wechselkurspolitik abzuschätzen. Deshalb ist auch der Umfang des dann noch immer zur Kompensation des Nachfrageausfalls notwendigen Budgetdefizits nicht anzugeben. Es dürfte wohl immer noch über dem gelegen sein, was allein durch automatische Stabilisatoren zustande kam, aber um einige Milliarden unter dem tatsächlichen.

Nach einer Schätzung von Gerhard Lehner und Anton Stanzel hätten die automatischen Stabilisatoren im Jahr 1975 nur knapp die Hälfte des expansiven Impulses des Budgets geliefert. Es wären wahrscheinlich noch zusätzliche diskretionäre Maßnahmen notwendig gewesen, um den Leistungsbilanzsaldo zu kompensieren.

Um nicht die zukünftigen Budgets zu belasten, wäre eine Alternative gewesen, die zusätzlichen Ausweitungen dort vorzunehmen, wo Einschränkungen mit Anlaufen der Konjunktur möglich sind, z. B. vorübergehende Investitionszuschüsse (wie sie erst später eingesetzt wurden). Die zusätzlichen Maßnahmen waren aber größtenteils unbefristete, nicht reversible Einnahmenverzichte oder Ausgabenerhöhungen, die die späteren Budgets belasteten.

Sowohl die Geld- wie die Fiskalpolitik versuchten dann ab 1977 eine Spaltung ihrer Wirkungen zu erzielen. Einerseits sollte durch höhere

Besteuerung („Luxussteuer") und Kreditbegrenzung für Konsumkredite der besonders importträchtige Konsum begrenzt und andererseits durch Zinszuschüsse und -verbilli-gungen die Investition gefördert werden. Von den Sektorsalden aus gesehen hätte diese Politik keine Leistungsbilanzwirkung gehabt, wenn dadurch nur die Ersparnisse der Haushalte erhöht und die Investitionen der Unternehmen im gleichen Ausmaß gesteigert worden wären.

Die tatsächliche Wirkung dieser Politik ist aber schwer abzuschätzen. Einerseits wurden die Ersparnisse 1977 durch die Vorzieheffekte (Auto-käUfe vor der Luxussteuer) verringert und verschlechterten dadurch die Leistungsbilanz zusätzlich. Im darauffolgenden Jahr trat der entgegengesetzte Effekt durch die Normalisierung der Sparquote ein. Eine Erhöhung der Sparquote durch die Luxussteuer und die Konsumkreditbeschränkung läßt sich nicht nachweisen,

Diese Maßnahmen können also saldenmäßig betrachtet nur dadurch eine Leistungsbilanzwirkung gehabt haben, daß entweder die Unternehmen weniger investieren oder das Budgetdefizit kleiner wurde. Auswirkungen auf die Unternehmer-Investitionen lassen sich kaum erkennen, das Budgetdefizit wurde allerdings durch die Mehreinnahmen aus der Luxussteuer verringert. Insofern ist rein saldenmäßig eine Leistungsbilanzverbesserung in Höhe der Mehreinnahmen erfolgt.

Wieviel zusätzliche Investitionen -über die zusätzlichen Förderungsmittel des Bundes hinausgehend -die Förderungsmaßnahmen ausgelöst haben, ist derzeit noch schwer zu beurteilen. Soweit die zusätzlichen Investitionen nur den Umfang der zusätzlichen Budgetmittel erreichen, ergibt sich saldenmäßig keine unmittelbare Zahlungsbilanzwirkung, sondern nur eine Verschiebung der internen Salden von Unternehmensfinanzierungssaldo zu Budgetdefizit. Wenn die Investitionen über die zusätzlichen Budgetmittel hinausgehen, erhöhen sie das „Defizit" des Unternehmenssektors und wirken damit leistungsbilanzverschlech-ternd.

Mittelbar könnten allerdings positive Zahlungsbilanzwirkungen entstehen, wenn die geförderten Projekte nach dem Gesichtspunkt der Zahlungsbilanzwirkung selektiert werden. Die saldenmäßig entsprechende Änderung in einem inländischen Sektor müßte dabei erst nachgewiesen werden.

Ahnliche Überlegungen ließen sich für den Abbau der Sparförderung anstellen, der stufenweise erfolgte. Würden die Ersparnisse nur um den Betrag geringer werden, den die wegfallende Sparförderung beträgt, dann ergibt sich nur eine interne Saldenumschichtung ohne Zahlungsbilanzwirkung. Jede Abweichung davon hat eine Wirkung auf die Leistungsbilanz, eine größere Verringerung der Ersparnisse erhöht das Defizit, wobei allerdings ceteris-pari-bus-Annahmen für die anderen Finanzierungssalden gemacht werden müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung