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Nachruf auf Prälat Österreicher

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Erst in der Zeit eines erwachenden ökumenischen Bewußtseins begann man etwas vom partnerschaftlichen Verhältnis des Gottesvolks des Neuen Bundes zum Gottesvolk des Alten Bundes zu spüren - dank solcher Menschen wie Johannes Österreicher.

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Erst in der Zeit eines erwachenden ökumenischen Bewußtseins begann man etwas vom partnerschaftlichen Verhältnis des Gottesvolks des Neuen Bundes zum Gottesvolk des Alten Bundes zu spüren - dank solcher Menschen wie Johannes Österreicher.

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Das Verhältnis des Christentums zum Judentum ist belastet. Wenn auch die Schergen des nationalsozialistischen Rassenwahns keine gläubigen Christen waren, so wären doch ihre Untaten nicht möglich geworden ohne die lange Vorgeschichte der christlichen Judenfeindschaft.

Dies wurde von einigen Christen schon erkannt, als das Ausmaß der Auswirkung der nationalsozialistischen Mordmaschinerie noch nicht bekannt war. Zu diesen gehörte Johannes Österreicher, der zur Zeit der Okkupation Österreichs im März 1938 Kaplan an der Paulanerkirche in Wien war. Er verließ Österreich und emigrierte in die Vereinigten Staaten. Dort wirkte er von allem Anfang an im Sinne einer christlich-jüdischen Verständigung mit dem Ziel einer Überwindung des Antisemitismus wenigstens im innerkirchlichen Raum.

Österreicher wußte aber - und das unterschied ihn wohltuend von vielen anderen, die die gleichen Absichten hatten -, daß zur Erreichung dieses Zieles intensive und gründliche wissenschaftliche Forschungen angestellt werden müssen. Alle Tageserfolge, wenn auch kurzfristig medienwirksam, schienen ihm mit Recht zu wenig. So veröffentlichte er neben Beiträgen zur aktuellen Tagesproblematik auch wissenschaftliche Untersuchungen, die die theologische Tragweite des gesamten Problems berücksichtigen. Dem diente auch seine universitäre Tätigkeit. An der Seton Hall University (Staat New Jersey) gründete er ein „Institute for Judaeo-Christian Studies", dessen Publikationsorgan den seine Richtung bestimmenden Namen „The Bridge" hat. Es sollte eine Brücke zur Überwindung gegenseitiger Vorurteile sein.

Österreicher arbeitete - wie viele andere kirchliche Einzelpersonen und Gremien - dafür, daß die katholische Kirche ihr Verhältnis zum Judentum theologisch bestimme und sich zu einer Formulierung durchringe, die eine deutliche Absage an die antijüdische Tendenz ihrer Vergangenheit sein sollte. Das Zweite Vatikanische Konzil bot für ihn - wie auch für viele Gleichgesinnte - die heiß ersehnte Möglichkeit, seinen Wunsch in die Tat umsetzen zu lassen.

Doch gab es auch Gegenkräfte, für die der Antijudaismus nicht einmal durch den Holokaust desavouiert war. Mit einer Riesenauflage wurde an die Konzilsväter und an andere kirchliche Würdenträger in mehreren Sprachen ein Pamphlet von mehreren hundert Seiten - „Verschwörung gegen die Kirche" - verteilt. Natürlich galten Juden für den Pseudonymen Verfasser - er nannte sich Maurice Pinai - außerhalb und innerhalb der Kirche als diese Verschwörer. Das Buch wurde in Madrid gedruckt, die

Druckrechnung aus Südamerika bezahlt.

Johannes Österreicher war wohl der wirksamste Fürsprecher für eine Judenerklärung. Es gelang ihm auch, alle in dem Pamphlet erhobenen Beschuldigungen zurückzuweisen. Daß es ein langer und kein leichter Weg war, die Bedenken zu überwinden, beweist seine „Kommentierende Einleitung" zur Judenerklärung des Konzils im Ergänzungsband II des Lexikons für Theologie und Kirche, Seite 406 bis 478, aus der auch hervorgeht, wie es zur Verlagerung der Thematik vom Ökumenismusschema zum Schema über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen („Nostra aetate") kam.

Mit dem Konzil war für Prälat Österreicher die Arbeit noch lange nicht abgeschlossen. Das Konzil bot lediglich die Basis für gezielte Weiterarbeit. In diesem Sinn wirkte Österreicher auch in seiner alten Heimat, in

Österreich. Vehement nahm er Stellung gegen den - man kann ruhig sagen sündhaften - Kult des Änderte von Rinn und für Bischof Stecher, der diesem unchristlichen Treiben ein Ende gesetzt hat. Auch unterstützte Österreicher seine Gesinnungsfreunde in Österreich, indem er zahlreiche Vorträge hielt und an theologischen Studientagungen zur christlich-jüdischen Thematik teilnahm. Der Autor ist Ordinarius für Judaistik an der Universität Wien und Präsident des Österreichischen Katholischen Bibelwerkes.

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