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Nagen an der Substanz

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Anfang April 1974 schrieb das Grazer SPÖ-Organ „Neue Zeit“, daß in Regierungskreisen (wieder einmal!) eine Schilling-Aufwertung zur Diskussion stehe; in der Karwoche, am 10. April 1974, platzte die der Begierungspartei nahestehende „Kronen-Zeitung“ mit der Meldung heraus, daß der Schilling schon in nächster Zeit aufgewertet werde. In der Folgezeit legten Vertreter der Industrie, der Export-, ebenso wie der Fremdenverkehrswirtschaft ihr Veto gegen eine solche wirtschaftspolitische Maßnahme ein. Ihre Argumente gingen unter: am 16. Mai 1974 diktierte die Bundesregierung nach einer Sitzung des sozialistischen Parteivorstandes (!) der autonomen Nationalbank und ihrem Präsidenten Kloss das Ausscheren des Schillings aus der sogenannten europäischen Währungsschlange; das kommt einer De-facto-Aufwertung des Schillings um 3 Prozent gleich.

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Anfang April 1974 schrieb das Grazer SPÖ-Organ „Neue Zeit“, daß in Regierungskreisen (wieder einmal!) eine Schilling-Aufwertung zur Diskussion stehe; in der Karwoche, am 10. April 1974, platzte die der Begierungspartei nahestehende „Kronen-Zeitung“ mit der Meldung heraus, daß der Schilling schon in nächster Zeit aufgewertet werde. In der Folgezeit legten Vertreter der Industrie, der Export-, ebenso wie der Fremdenverkehrswirtschaft ihr Veto gegen eine solche wirtschaftspolitische Maßnahme ein. Ihre Argumente gingen unter: am 16. Mai 1974 diktierte die Bundesregierung nach einer Sitzung des sozialistischen Parteivorstandes (!) der autonomen Nationalbank und ihrem Präsidenten Kloss das Ausscheren des Schillings aus der sogenannten europäischen Währungsschlange; das kommt einer De-facto-Aufwertung des Schillings um 3 Prozent gleich.

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Bundesregierung und Nationalbank motivierten diese Maßnahme unter anderem damit, daß in den letzten Tagen vor der De-facto-Auf-wertung rund 200 Millionen Spekulations-Dollar nach Österreich geströmt waren. Dagegen ließen sie unerwähnt, daß diese Spekulation gegen den Schilling durch gezielte Indiskretionen und unklare Stellungnahmen geradezu provoziert worden war.

Es ist anzunehmen, daß auch die vierte Aufwertung des Schilling innerhalb von zwei Jahren von der Bundesregierung als Beweis ihrer wirtschaftspolitischen Tauglichkeit verkauft werden wird. Wahrscheinlich haben wir nun neben dem Auf-wertungSnKanzler und dem Aufwer-tungs-Finanzminister auch einen Aufwertungs-Präaidentschaftskandi-daten der Sozialistischen Partei. Ebenso unpassend wie wahr ist diese Vorstellung: Ohne Rücksicht auf erhebliche wirtschaftliche Verluste betrachtet diese Bundesregierung Schilling-Aufwertungen als ökono-, mische Begleitmusik für ihre Propagandakampagne.

Ehe die Bundesregierung den Startschuß zur vierten Schilling-Aufwertung innerhalb von vier Jahren gab, konsultierte sie den Sozialistischen Farteivorstand, nicht aber die Wirtschaft. Das ist ein für westliche Demokratien einmaliges Vorgehen.

Die vorläufig letzte Aufwertung des Schilling ist ohne Zweifel mit sehr erheblichen Nachteilen für die österreichische Wirtschaft verbunden. Diesen Nachteilen aber stehen längst keine Vorteile mehr unter dem Titel „Milderung der Importierten Inflation“ gegenüber

Denn fast 60 Prozent aller Importe nach Österreich — 1973 betrug das Importvolumen 137,8 Milliarden Schilling — stammen aus Staaten, die entweder eine niedrigere Inflationsrate als Österreich haben (Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Luxemburg) oder aber inflationsneutral sind (die Importe aus dem Ostblock). Folgt man der einschlägigen Argumentation der Bundesregierung, so bewirkt mehr als die Hälfte aller Importe nach Österreich eine Kaufkraftstabilisierung. Nur 40 Prozent aller Importe aber inflationieren zusätzlich. Nun liegt es an der Bundesregierung, das Rätsel zu lösen, wie man oft 200- bis 300prozentige Rohstofferhöhungen (Kupfer, Zinn, Kakao usw.) mit einer 3prozentigen Schilling-Aufwertung begegnen will.

Dagegen verteuert auch die jüngste Schilling-Aufwertung alle Exporte heimischer Waren ins Ausland um jedenfalls 3 Prozent. Bedenkt man, daß die Lohnerhöhungen samt den Lohnnebenkosten (Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Arbeitszeitverkürzung usw.) für die Wirtschaft schon in nächster Zeit zusätzliche Belastungen bis zu 20 Prozent bringen werden, dann stellt sich ernstlich die Frage, wie lange die Exportwirtschaft die Belastungen, die aus der Aufwertungsinflation resultieren, noch tragen kann.

Ernsthaft gefährdet ist auf jeden Fall der heimische Fremdenverkehr: Bei einer Inflationsrate von jahresdurchschnittlich 7,6 Prozent wuchsen im vergangenen Jahr gegenüber 1972 die Mehreingänge aus dem Fremdenverkehr nur noch um 2,9 Prozent. In den ersten drei Monaten des Jahres 1974 sind die Mehreingänge gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahres bereits um 31,7 Prozent rückläufig.

Eine solche äußerst ungünstige Entwicklung dürfte keinen Österreicher kalt lassen, weil sie doch an der wirtschaftlichen Substanz unseres Staates nagt. Ursprünglich wurde für 1974 mit einem Passivum der Handelsbilanz (das ist die Differenz der Ausfuhren ins Ausland und der Einfuhren nach Österreich) in Höhe von 45 Milliarden Schilling gerechnet. Im Jahr 1969 lag dieses Passivum noch bei rund 10,7 Milliarden Sohilling. Die Nettoeingänge aus dem Fremdenverkehr hätten dieses Handelsbilanzpassivum auf ■ rund 1,8 Milliarden Schilling drücken sollen. Nach der jüngsten Aufwertungsmaßnahme der Bundesregierung und des sozialistischen Parteivorstandes ist freilich sowohl mit einem bedeutend höheren Handels- als auch Leistungsbilanzpassivum zu rechnen. Und abgedeckt werden diese Defizite aus den österreichischen Währungsreserven (Gold und Devisen), die immerhin durch die gemeinsame Arbeit aller Österreicher erwirtschaftet wurden.

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