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Nahost-Konflikt wird angeheizt

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Nach der sowjetischen Militärinvdsion in Afghanistan ist Moskau nun zu einer diplomatischen Offensive angetreten, um die Befürchtungen der Araber zu zerstreuen. Ansatzpunkt dieser Bemühungen ist Syrien, das vor kurzem den sowjetischen Außenminister Gromyko zu Gast hatte.

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Nach der sowjetischen Militärinvdsion in Afghanistan ist Moskau nun zu einer diplomatischen Offensive angetreten, um die Befürchtungen der Araber zu zerstreuen. Ansatzpunkt dieser Bemühungen ist Syrien, das vor kurzem den sowjetischen Außenminister Gromyko zu Gast hatte.

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Gromykos Gastland Syrien sowie der Südjemen und Afghanistan haben nicht an der Sondersitzung der Außenminister islamischer Staaten teilgenommen, die in Islamabad die sowjetische Intervention verurteilten und die Sowjetunion zum Rückzug ihrer Truppen aus Afghanistan aufforderten. Indes versprach Gromyko den Syrern weitere militärische Unterstützung;

Die Israelis befürchten nun, daß der massive .Waffennachschub aus. der Sowjetunion einen syrischen Angriff gegen Israel auslösen könnte. Nach dem ägyptisch-israelischen Friedensvertrag hat sich nämlich Syrien zu einem der Hauptsprecher der „Ablehnungsfront" gemacht.

In Damaskus herrscht heute die Atmosphäre einer Frontstadt. Schon am Flughafen wird man beim Anblick der Betonbunker und Flakgeschütze daran erinnert, daß Israel nur fünfzig Kilometer entfernt ist. Auf Militärposten, Flak- und Raketenstellungen trifft man überall zwischen Derat und Aleppo. Dazwischen immer wieder Hammelherden, Beduinenzelte, halbfertige Bauten. Das Stadtbild aber beherrschen Soldaten in erdbraunen Uniformen und Tarnanzügen.

Rund sechzig Prozent des syrischen Staatshaushalts entfallen auf Militärausgaben. Dabei kommen den Syrern auf dem Umweg über Libyen und die Golfstaaten westliche Pe-tro-Dollars zugute. Dank der hohen finanziellen Zuwendungen- arabischer ölländer können die Syrer behaupten, alle Waffenlieferungen aus der Sowjetunion und anderen osteuropäischen Ländern seien bar bezahlt.

Präsident Assad ist kompromißlos gegenüber Israel, aber geschmeidig genug, um selbst in Saudi-Arabien, das keine diplomatischen Beziehungen zu kommunistischen Ländern unterhält, Geld für östliche Waffenhilfe locker zu machen. Im übrigen gehört Hafez al Assad, führendes Mitglied der Baath-Partei, zu jenen Arabern, die Islam und Sozialismus nicht für unvereinbar halten. Man sieht ihn heute als Moskau-Besucher und morgen als Mekka-Pilger.

Seit zehn Jahren ist er nunmehr Syriens „starker Mann". Vor seinem Putsch gegen seinen Parteifreund Atassi im Jahre 1970 hatte Syrien im Laufe von 24 Jahren nicht weniger als 21 Staatsstreiche erlebt. Assad gehört der religiösen Minderheit der Alawi-ten an; er hat es verstanden, Familienangehörige und Glaubensbrüder in Schlüsselpositionen des Parteiapparates, der Armee und des Sicherheitsdienstes zu bringen.

Unter Assads Vorgängern hatten westliche Länder in Damaskus wenig zu bestellen. Noch heute ist Syriens Haupthandelspartner die Sowjetunion, doch schon an zweiter Stelle steht die Bundesrepublik Deutschland. Danach folgen andere EG-Länder.

Staatspräsident Assad wird von vielen seiner Landsleute zugute gehalten, daß er von dem starren, Plan-wirtschaftssystem seiner Vorgänger abgekommen ist und 4£miprjyaten Unternehmertum erlaubt, in Bereichen zu wirken, in denen die schwerfällige Funktionärs Wirtschaft versagt hat. Die Wertschätzung vieler Syrer drückt sich darin aus, daß sie einen härteren Kurs befürchten, falls der jetzige „starke Mann" Syriens stürzt.

Die Baathisten, die sich gern als Volkspartei darstellen, finden ihren stärksten Rückhalt in der Armee. Das Offizierskorps im heutigen Syrien ist eine privilegierte Kaste mit einem starken Anteil religiöser und ethnischer Minderheiten. Die große Mehrheit der syrischen Sunniten fühlt sich unterrepräsentiert. Aus diesem Mißverhältnis ergeben sich konfessio- . nelle und politische Spannungen.

Für die zahlreichen Mordanschläge der letzten Zeit wurde die verbotene „Moslem-Bruderschaft" verantwortlich gemacht, doch wahrscheinlich handelte es sich um Racheakte sunnitischer Offiziere.

Aufgespalten, von verwirrender Vielfalt ist auch die christliche Gemeinde Syriens. Die Religionsfehden, politischen Richtungskämpfe und Rebellionen der Syrer sind selbst für Kenner des Landes nicht immer zu durchschauen.

Syriens enge Anlehnung an Moskau hat bisher noch nicht zu einem Freundschaftsvertrag mit den Sowjetrussen geführt. Syrien enthielt sich der Stimme, als Moskau in der UNO-Vollversammlung zum Rückzug aus Afghanistan aufgefordert wurde. Doch Interventionspolitik ist auch den Syrern nicht fremd: Unter dem Vorwand, den gespaltenen Libanon vor dem Zugriff der Israelis zu bewahren, intervenierten syrische Truppen im libanesischen Bürgerkrieg.

In Damaskus weiß man, daß Moskau nach der Schlappe in Ägypten keinen Bruch mit Syrien riskieren will und bereit ist, die Baathisten mit modernsten Waffen zu versorgen. Um die Araber von Afghanistan abzulenken, versucht Moskau nun, die arabische Feindschaft gegenüber Israel anzuheizen. Das könnte schon bald zu neuen kriegerischen Verwicklungen im krisengeplagten Vorderen Orient führen.

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