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Digital In Arbeit

Naiver Unverstand

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Die österreichische Medienlandschaft ist — gottlob — eine Domäne der Meinungsfreiheit: Die Parteiblätter stehen auf dem Aussterbeetat, und im staatlichen Monopolbetrieb ORF sorgt das Redakteurstatut für eine große Portion „innerer” Pressefreiheit. Insofern war von vornherein die Gefahr gering, daß das Konfliktbewältigungsmodell Große Koalition in der Politik sein Gegenstück in einer Konfliktunterdrük-kung auch in der veröffentlichten Meinung finden werde. Zeigt sich aber nicht schon in den wenigen Wochen seit der Unterzeichnung des Arbeitsübereinkommens zwischen SPÖ und ÖVP die gegenteilige Gefahr?

Die Gefahr nämlich, daß der mutige Versuch, die gesicherte gemeinsame Wählerstimmen-und Mandatsmehrheit für Sanierungsvorhaben zu nützen, an die sich eine Regierung mit nur knapper und daher stets gefährdeter Mehrheit nicht heranwagen dürfte, scheitern könnte an der Ver-ständnislosigkeit einer von den Medien unzureichend oder falsch informierten Bevölkerung und/ oder am Widerstand von pressure groups”, für deren nur dürftig verschleiertes Gruppeninteresse die Medien bereitwillig das Megaphon abgeben?

Der Einwand, daß die Medien Meinungen nicht produzieren, sondern nur transportieren, ist formal richtig. Wenn beispielsweise der Boß der zuständigen Gewerkschaft blauäugig versichert, ihm sei kein Bauarbeiter bekannt, der im Winter freiwillig stempeln gehe, so ist das für den Journalisten eine Meldung, die er seinen Lesern, Hörern oder Zuschauern nicht vorenthalten darf.

Hätte er aber nicht die verdammte Pflicht und Schuldigkeit, uno actu die Frage aufzuwerfen, wie es dann kommt, daß es diese angeblich schicksalhafte Winterspitze der Arbeitslosigkeit einzig und allein in Osterreich gibt?

Oder: Als die Minister Ferdinand Lacina und Alfred Dallinger über eine Besteuerung des Arbeitslosengeldes laut nachzudenken wagten, mußten die Medien notgedrungen auch denen Gehör verschaffen, die laut aufheulten über diesen Anschlag auf die Ärmsten der Armen. Sind die Medien diesbezüglich aber nur notgedrungen ihrer Berichterstattungspflicht nachgekommen? Wenn dem so wäre, hätten sie doch nicht nur den mitleiderregend hohen (nämlich fünfzigpro-zentigen) Anteil der Arbeitslosen, die im Monat weniger als 5.000 Schilling bekommen, getreulich weitergegeben, sondern zumindest en passant hinzugefügt, daß generell die Steuerpflicht erst bei knapp 7.000 Schilling im Monat einsetzt.

flicht böser Wille, sondern schlichte Unkenntnis dürfte hingegen erklären, wieso das in der Steiermark gemachte Angebot eines „Solidaritätsbeitrages” der Beamten in Höhe von—in 0,5-Pro-zent-Etappen zu erreichenden — 1,25 Prozent ihrer Bezüge zu unkritischen Medienehren kommen” konnte: Diese 1,25 Prozent sind haargenau der - weiterhin in 0,5-Prozent-Etappen abzubauende — Unterschied zwischen dem ab heuer neunprozentigen Pensionsbeitrag der öffentlich Bediensteten und dem 10,25prozentigen der übrigen Arbeitnehmer...

Oder: Das geradezu masochisti-sche Behagen, mit dem Interviewer in der offenen Wunde insbesondere sozialistischer Regierungsmitglieder wühlen, wenn sie einerseits bei jeder überfälligen Sanierungsmaßnahme im verstaatlichten oder quasi-verstaat-lichten Bereich und anderseits bei dem Bemühen um die ebenso überfällige Sanierung des Budgets beharrlich die Frage stellen, ob damit nicht Arbeitsplätze gefährdet würden.

So naiv kann doch kein Journalist sein, daß er nicht wüßte, wie leicht in Österreich — aber bald nur noch in Österreich! — mit dem Hinweis auf drohende Arbeitsplatzverluste der Widerstand gegen noch so notwendige Maßnahmen zu formieren ist.

Also kann nur Absicht dahinterstecken, und ebenso kann es nur Absicht sein, wenn neuerdings vom „Inlandsreport” bis zum „profil” zugunsten der einzustellenden Nebenbahnen (inklusive solcher, die, wie die Mariazel-ler Bahn, gar nicht akut einstel-lungsgefährdet sind) auf die Tränendrüsen der Nation gedrückt wird.

Aber welche Absicht steckt dahinter? Wahrscheinlich, obwohl der unbeteiligte Beobachter diesen Eindruck gewinnen könnte, nur ausnahmsweise die Absicht, der neuen Regierung das Leben sauer zu machen. Vielmehr in der Regel wohl nur die — an sich durchaus legitime — Absicht, dem Publikum möglichst kulinarisch aufbereitete „News” zu präsentieren (und da gilt nun einmal die Regel: „Only bad news are good news”). Alleinausritte einzelner Regierungsmitglieder lassen sich nun einmal ungleich „g'schmacki-ger” servieren als die Vergatterung sämtlicher Regierungsmitglieder auf einen Ausgabenrahmen, der — exklusive Schuldendienst — real um etwa zwei Prozent geringer sein soll, als er im Vorjahr war.

Wäre ,ein System dahinter, wenn die Medien der Regierung ständig Prügel vor die Füße werfen, könnte man das zur Not noch verstehen — wenn auch nicht unbedingt billigen. Aber nur aus Unverstand und Sensationsgier die Große Koalition um ihre Erfolgschance bringen?

Der Autor ist Wirtschaftspublizist und Herausgeber der „Finanznachrichten”.

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